Verfassungsbeschwerden der Kirchen gegen verkaufsoffenen Sonntag

Wochen ohne Ende?

Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und das Erzbistum Berlin haben fristgemäß ihre Verfassungsbeschwerden gegen das Ladenöffnungsgesetz des Landes Berlin beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die Verfassungsbeschwerden der Landeskirche und des Erzbistums richten sich gegen die Ladenöffnung an bis zu zehn Sonntagen einschließlich der vier Adventssonntage pro Jahr in Berlin. Sie werden von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ebenso wie von der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) mitgetragen.

 (DR)


Verfassung schützt den Sonntag
Mit der Aushöhlung des Sonntagsschutzes, der im Grundgesetz durch Artikel 140 in Aufnahme von Artikel 139 der Weimarer Reichsverfassung als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung verfassungsrechtlich verbürgt ist, verstößt der Berliner Gesetzgeber nach der Überzeugung der Kirchen gegen das Grundgesetz. Da Sonn- und Feiertage durch die Verfassung geschützt sind, kann die Aufhebung des Sonntagsschutzes an bis zu zehn Sonntagen im Jahr durch das Abgeordnetenhaus von Berlin keinen Bestand haben. Besonders eklatant zeigt sich der Verfassungsverstoß daran, dass alle Adventssonntage für die Ladenöffnung frei gegeben werden; daraus ergibt sich, dass im Dezember die Freigabe des Sonntags für den Handel die Regel, sein Schutz dagegen die Ausnahme ist.

Zeit für Muße und Ruhe
Die christlichen Kirchen treten dafür ein, die erweiterten Ladenöffnungszeiten nicht nur aus der Perspektive der Kunden, sondern zugleich aus der Sicht der im Handel beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu betrachten. Vor allem aber weisen sie darauf hin, dass der Schutz der Sonn- und Feiertage im unmittelbaren Zusammenhang mit der Religionsfreiheit (Art. 4 des Grundgesetzes) betrachtet werden muss.

Soweit eine Erweiterung der Öffnungszeiten zwischen Montag und Samstag mit den berechtigten Interessen der Beschäftigten vereinbar ist, kann dadurch den Kundeninteressen in ausreichendem Maß Rechnung getragen werden. Sonn- und Feiertage müssen hingegen der Verfassungsvorschrift entsprechend den nötigen Freiraum für Arbeitsruhe und Muße, für Gottesdienst und familiäre Begegnung bieten. Die Absicht, den Schutz der Sonn- und Feiertage wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen, kann nicht hingenommen werden und ist in der Verfassung ausdrücklich nicht vorgesehen.

"Tag der seelischen Erholung"
Das Grundgesetz schützt den Sonntag als "Tag der seelischen Erholung". Verfassungsrichter hatten 2004 über die Beschwerde eines Warenhauses zum Verbot der Sonntagsöffnung entschieden. Damals hatten die Richter ausgeführt: "Die Institution des Sonn- und Feiertags ist unmittelbar durch die Verfassung garantiert, die Art und das Ausmaß des Schutzes bedürfen aber einer gesetzlichen Ausgestaltung. Ein Kernbestand an Sonn- und Feiertagsruhe ist unantastbar, im Übrigen besteht Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.
Geschützt ist die Möglichkeit der Religionsausübung an Sonn- und Feiertagen, aber auch die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. Insbesondere das geänderte Freizeitverhalten der Bevölkerung führt dazu, dass „Arbeit für den Sonn- und Feiertag" in Form von Arbeiten, welche den Freizeitbedürfnissen der Bevölkerung zugute kommen, nachgefragt wird. Dem darf der Gesetzgeber durch Ausnahmeregelungen Rechnung tragen. Bei der Abwägung zwischen den Freizeitbelangen der Bevölkerung und der Belastung der Arbeitnehmer durch Arbeit ist aber ein hinreichendes Niveau des Sonn- und Feiertagsschutzes zu wahren."

Politiker der CDU haben sich bei der Freigabe der Ladenöffnungszeiten gegen den verkaufsoffenen Sonntag ausgesprochen und sich damit der Position der Kirchen angeschlossen.