Motivsuche nach Anschlägen in Sri Lanka

Vergeltung für Christchurch?

Die Anschläge in Sri Lanka waren nach ersten Erkenntnissen der Regierung als Vergeltung für den Anschlag auf Moscheen im neuseeländischen Christchurch gedacht. Das erklärte Vize-Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene im Parlament.

Mitgefühl und Trauer für die Opfer der Anschlagsserie in Sri Lanka / © Ppi (dpa)
Mitgefühl und Trauer für die Opfer der Anschlagsserie in Sri Lanka / © Ppi ( dpa )

Erste Ermittlungsergebnisse zu den verheerenden Anschlägen in Sri Lanka mit mindestens 310 Toten deuten laut Regierung auf eine "Vergeltung" für den Angriff auf zwei Moscheen in Neuseeland hin. "Die vorläufigen Untersuchungen haben enthüllt, dass das, was in Sri Lanka passiert ist, Vergeltung für den Angriff auf Muslime in Christchurch war", sagte Vize-Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene am Dienstag im Parlament. Ein australischer Rechtsextremist hatte im neuseeländischen Christchurch Mitte März 50 Menschen in zwei Moscheen getötet. Eine Beteiligung der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) an den Anschlägen in Sri Lanka kann laut Vize-Verteidiungsminister Wijewardene nicht ausgeschlossen werden. Die Terrororganisation hat sich am Dienstag zu den Anschlägen bekannt. Das Terrornetzwerk lieferte allerdings auf seiner Website keinerlei Beweise für seine Behauptung.

Die sechs Selbstmordanschläge in Sri Lanka sind nach Angaben von Wijewardene von der einheimischen islamischen Gruppe National Thowheeth Jama'ath (NTJ) begangen worden. Die NTJ erhielt demnach Unterstützung von der islamistischen Gruppierung Jammiyathul Millathu Ibrahim (JMI) aus Indien. Konkrete Details zu diesen Angaben sei Wijewardene jedoch schuldig geblieben, so die Berichte. Sowohl NTJ als auch die JMI waren nach Ansicht von Experten bislang kaum bekannte Gruppierungen.

Zahl der Todesopfer auf über 300 gestiegen

Zwei Tage nach den Selbstmordanschlägen auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka ist die Zahl der Todesopfer unterdessen auf über 300 gestiegen. Das erklärte die Polizei am Dienstag auf Anfrage. Mehr als 500 Verletzte wurden nach den Explosionen den Angaben zufolge noch in Krankenhäusern behandelt. 42 Menschen sind nach Angaben der Polizei bisher in Gewahrsam.

Von der Regierung hieß es am Montag, insgesamt sieben sri-lankische Selbstmordattentäter hätten sich in den drei Kirchen und drei Luxushotels in die Luft gesprengt. Sie hätten der einheimischen radikal-islamischen Gruppe National Thowheeth Jamaath angehört.

Staatspräsident Maithripala Sirisena erklärte einen öffentlichen Notstand. Die zunächst nicht näher benannten Bestimmungen traten in der Nacht zum Dienstag in Kraft, der zu einem nationalen Trauertag erklärt wurde. Am Morgen wurden drei Schweigeminuten abgehalten. Zahlreiche Bestattungen waren geplant. Im Ort Negombo, wo am Ostersonntag eine Kirche angegriffen worden war, gab es eine Massenbeerdigung.

Ausgangssperre

In der Nacht auf Dienstag hatte erneut eine Ausgangssperre gegolten. Um das Verbreiten von Gerüchten zu unterbinden, blieb der Zugang zu sozialen Medien gesperrt.

Sirisena habe den Notstand im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der Wahrung der öffentlichen Ordnung und zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Waren und Dienstleistungen erklärt, hieß es in einer Erklärung des Präsidenten. Die Sicherheitskräfte sollen seinem Büro zufolge weitreichende Befugnisse erhalten. Nach dem Gesetz können diese etwa für Hausdurchsuchungen ohne Erlaubnis eines Gerichts und für Verhaftungen ohne Haftbefehl gelten. Solche Bestimmungen waren während des Bürgerkriegs in Sri Lanka von 1983 bis 2009 fast dauerhaft in Kraft - und auch darüber hinaus noch bis 2011.

Unter den mehr als 30 getöteten Ausländern ist auch ein Deutsch-Amerikaner, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Weitere deutsche Opfer gebe es nach derzeitigen Erkenntnissen nicht, sagte eine Sprecherin am Montag weiter. 14 Ausländer werden nach Angaben des Außenministeriums Sri Lankas noch vermisst.

Die Regierung ist überzeugt, dass die Täter Hilfe aus dem Ausland gehabt haben müssen. "Wir glauben nicht, dass diese Angriffe von einer Gruppe von Menschen verübt wurden, die auf dieses Land begrenzt waren", sagte Kabinettssprecher Rajitha Senaratne. "Es gab ein internationales Netzwerk, ohne das diese Angriffe nicht gelungen wären."

Hinweise auf Anschlagspläne

Nach den Worten von Senaratne gab es vor den Attacken Hinweise auf Anschlagspläne der National Thowheeth Jamaath. Ausländische Geheimdienste hätten bereits am 4. April über mögliche Selbstmordanschläge auf Kirchen und Touristenziele in Sri Lanka informiert. "Wir tragen die Verantwortung, es tut uns sehr leid", sagte Senaratne im Namen der Regierung.

Sirisena berief ein dreiköpfiges Team ein, das die Anschlagsserie untersuchen und in zwei Wochen einen ersten Bericht vorlegen soll. Die internationale Polizeiorganisation Interpol kündigte an, Spezialisten mit Expertise in den Bereichen Tatortuntersuchung, Sprengstoff, Terrorismusbekämpfung und Opferidentifizierung zu entsenden.

Die meisten Opfer hatte es bei den Anschlägen in den Kirchen gegeben, als gerade Ostergottesdienste stattfanden. In dem Inselstaat sind etwa sieben Prozent der 20 Millionen Einwohner Christen. Deutsche Politiker von CDU, FDP und Grünen beklagten vor dem Hintergrund der Anschläge die gewachsene Bedrohung christlicher Minderheiten in vielen Staaten.

"Der Terror in Sri Lanka reiht sich ein in verschiedene Anschläge gegen Christen weltweit", sagte der Beauftragte der Bundesregierung für Religionsfreiheit, Markus Grübel (CDU), der "Welt" (Dienstag). Der frühere Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte der "Bild" (Dienstag): "Ich sehe mit großer Besorgnis die wachsende Christenverfolgung im gesamten asiatischen Raum. Nationalistische Bewegungen von Buddhisten, Hindus und Muslimen werden hier immer militanter."


Blick auf den Innenraum der durch eine Explosion beschädigte St.-Sebastians-Kirche / © Chamila Karunarathne (dpa)
Blick auf den Innenraum der durch eine Explosion beschädigte St.-Sebastians-Kirche / © Chamila Karunarathne ( dpa )

Soldaten und Polizisten sichern das Gebiet rund um eine Kirche / © Chamila Karunarathne (dpa)
Soldaten und Polizisten sichern das Gebiet rund um eine Kirche / © Chamila Karunarathne ( dpa )

Gläubige stehen vor der Al-Nur-Moschee in Christchurch, die nach dem Terroranschlag wiedereröffnet wurde / © Mark Baker (dpa)
Gläubige stehen vor der Al-Nur-Moschee in Christchurch, die nach dem Terroranschlag wiedereröffnet wurde / © Mark Baker ( dpa )

Ein Polizist steht in der Nähe der Al-Nur-Moschee in Christchurch, Neuseeland / © Guo Lei/XinHua (dpa)
Ein Polizist steht in der Nähe der Al-Nur-Moschee in Christchurch, Neuseeland / © Guo Lei/XinHua ( dpa )
Quelle:
dpa , KNA , epd
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