DOMRADIO.DE: Vesperkirchen gibt es erst seit Mitte der 1990er Jahre. Das sind meist evangelische Kirchen, die über einen begrenzten Zeitraum lang warmes Essen im Kirchraum anbieten. Woher kommt der Name Vesperkirche?
Hansjörg Federmann (Evangelischer Pfarrer der St. Georgskirche in Hattingen): Der kommt aus Stuttgart, wo auch die erste Vesperkirche eröffnet wurde. Meine Vorfahren kommen selbst aus dem Schwabenland und da weiß ich, dass "vespern/veschbrn" einfach "essen" heißt. Das ist der Sinn der Sache: eine Kirche, in der man essen kann.
DOMRADIO.DE: Sie sind mit der Sankt Georgskirche in Hattingen jetzt zum ersten Mal dabei. Mehrere Gruppierungen ziehen da jetzt an einem Strang. Wie sieht die Kirche denn von innen aus? Wie haben Sie sie umgestaltet?

Federmann: Die sieht bunt aus und lädt zum Sitzen ein. Wenn man von der Empore runter schaut, sieht man zwischen den Bänken mit bunten Tischtüchern belegte Tische. An denen sitzen insgesamt 110 Menschen und essen.
DOMRADIO.DE: Das geht über neun Tage. Da bekommen die Menschen bei Ihnen unter anderem ein warmes Mittagessen. Wer bereitet das zu? Wer kocht das?
Federmann: Das macht ein örtlicher Gastronom, Alfred Schulte-Stade, der auch beim Weihnachtsmarkt in Hattingen aktiv ist. Darüber hat er das Projekt kennengelernt und hat sehr spontan gesagt, dass wir das Essen von ihm kriegen.
DOMRADIO.DE: Warum sind Sie das erste Mal mit der Kirche in Hattingen dabei?
Federmann: Weil ich davon überzeugt bin und viele andere mit mir, dass das eine gute Form ist, heute Kirche zu leben. Ich höre von vielen Menschen, die sich freiwillig engagieren: "Wenn ihr so Kirche macht, so einfache Dinge wie Menschen satt machen, Menschen Wärme spenden, dann ist das Kirche, wie ich sie mir gut vorstellen kann. Da bin ich gerne dabei."
DOMRADIO.DE: Gastfreundschaft wollen Sie also mit der Vesperkirche leben, Menschen zusammenbringen. Das gelingt bei einem leckeren Essen besonders gut. Wer ist denn zu Ihnen in die Kirche eingeladen?
Federmann: Es sind alle Menschen der Stadt eingeladen. Ich freue mich auch sehr, dass wir diese ganze Bandbreite sehen. Wir sehen den Obdachlosen mit seinem zotteligen Bart und dem abgewetzten Mantel. Der sitzt neben der hochdotierten Frau aus der kirchlichen Frauengruppe. Zwei Plätze weiter sitzt das Mitglied aus dem Vorstand der Bank und nimmt sein Mittagessen ein. So war es gedacht.
DOMRADIO.DE: Wie war denn die Resonanz bislang? Sie sind am vergangenen Sonntag gestartet. Was bekommen Sie für Rückmeldungen?
Federmann: Die Resonanz ist sehr gut. Wir sind am Wochenende noch mit ein bisschen Luft nach oben gestartet. 110 Essen können wir ausgeben. Samstag, Sonntag hat es noch gereicht, dass sich auch die Freiwilligen in der letzten halben Stunde mit an den Tisch setzen konnten. Inzwischen ist alles Essen für die Gäste und die Behälter sind am Ende des Tages leer.
DOMRADIO.DE: Neben dem Mittagessen oder dem Kaffee am Nachmittag gibt es auch weiteres Programm mit Lesungen, Gesprächen und auch einem Spieleabend. Was haben Sie denn da vor?

Federmann: Da werden wir diese insgesamt 20 Tische nutzen, um ganz unterschiedliche Spiele anzubieten. Menschen kommen in die Kirche, sind in großer Zahl zusammen und suchen sich aus, wo und mit wem sie spielen möchten. Das ist ein Teil der Vesperkirche, der besonders Familien ansprechen soll. Deswegen fangen wir auch früher damit an als bei dem anderen Abendprogramm. Ich bin sicher, das wird eine wunderbare Atmosphäre sein.
DOMRADIO.DE: Noch bis diesen Sonntag wird die Vesperkirche in Hattingen dauern. Wird bei Ihnen eine Tradition daraus?
Federmann: Das kann man sich schon gut vorstellen. Wir werden das hinterher auswerten. Aber bisher sagen alle: "Leute, ihr habt da was angefangen und das ist so gut, das müsst ihr auch weitermachen."
Das Interview führte Carsten Döpp.