Auch bei zurückgehenden Infektionszahlen gehen die Debatten über Schulen in der Corona-Krise weiter. Nach Schätzungen des Deutschen Lehrerverbands sind seit Beginn der Pandemie durchschnittlich zwischen 350 und 800 Stunden Präsenzunterricht für jeden Schüler ausgefallen. "Das ist im Schnitt wohl ein halbes Schuljahr", sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger am Wochenende der "Bild"-Zeitung.
"Wir brauchen differenzierte Lösungen, begleitende Zusatzangebote am Nachmittag im nächsten Schuljahr, aber auch Angebote am Wochenende und in den Ferien", forderte Meidinger: "Das kann auch digitale Nachhilfe sein." Die Angebote müssten für die Schüler verpflichtend sein.
Meidinger blickt optimistisch auf die Zeit nach den Sommerferien
Noch wisse aber niemand, woher angesichts des Lehrermangels die zusätzlichen Kräfte für die Lernförderung kommen sollten, ergänzte der Verbandspräsident: "Ohne Lehramtsstudierende und Lehrkräfte, die schon in Rente oder Pension sind, wird es nicht gehen."
Der "Welt" sagte Meidinger, er sei optimistisch, dass es nach den Sommerferien wieder normalen Unterricht geben könne. Dabei stelle sich aber die Frage, wie der Schulbetrieb im Nebeneinander von geimpften und ungeimpften Schülern sowie Lehrkräften organisiert wird: "Was passiert, wenn Eltern nicht wünschen, dass ihr Kind von einem ungeimpften Lehrer unterrichtet wird? Dürfen ungeimpfte Schüler mit auf Klassenfahrt und in die Theatergruppe? Kann ich Geimpften das Tragen einer Maske abverlangen?"
Zusätzliche Schultage?
Meidinger forderte zudem, möglichst rasch Konzepte zu entwickeln, wie Lerndefizite aufgeholt werden könnten: "Wir brauchen noch vor den Sommerferien Lernstandserhebungen in den Kernfächern, um den Förderbedarf abschätzen zu können und entsprechende Beratungsgespräche mit den Eltern führen zu können."
Auch der Bundeselternrat fordert Aufholprogramme, um die Versäumnisse des Schuljahres nachzuholen. Nach Ansicht der Vorsitzenden Sabrina Wetzel müssen dafür zusätzliche Schultage eingeplant werden, in der der Stoff kostenlos nachgeholt wird.
Schramm: "Die Schüler haben großen Gesprächsbedarf"
Die Länder wollten sich laut Kultusministerkonferenz Ende Mai mit Experten zur Organisation des kommenden Schuljahres abstimmen, so die "Welt" weiter. Viele Bundesländer haben bereits eigene Programme für Sommerschulen, Nachhilfe und Lernförderung aufgelegt.
Der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Dario Schramm, forderte, nach den Ferien nicht "business as usual" zu machen: "Es ist wichtig, dem Geschehen der letzten eineinhalb Jahre Raum zu geben und das Miteinander neu zu lernen. Die Schüler haben großen Gesprächsbedarf."
Wie geht es weiter mit den Impfungen?
Zudem seien natürlich auch Lernlücken entstanden. "Wir sprechen uns deshalb dafür aus, die Lehrpläne neu zu justieren und notfalls zu entrümpeln." Stattdessen solle es Raum für Wiederholungen geben.
Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, forderte, die Impfungen für Kinder ab zwölf Jahren "so zu organisieren, dass sie in jedem Bundesland mit Beginn des nächsten Schuljahres abgeschlossen sind". Weiterhin müsse gelten, dass Schulen und Kitas "das Erste sein, was geöffnet, und das Letzte, was geschlossen wird". Schon jetzt hätten die Einschränkungen viele Kinder und Jugendliche psychisch und physisch stark beeinträchtigt.