Im Netz kursieren Vorschläge für die kreativsten und der Pandemie geschuldeten Mottos für die Abschlussjahrgänge. "Abi 2021: Und es hat Zoom gemacht", "Die Schule war öfter dicht als wir" oder aber "Maskenball statt Abiball" ist da zu lesen. Was erstmal lustig klingt, ist wohl kaum mehr als Galgenhumor: Der zweite Corona-Jahrgang steht kurz vor seinem Schulabschluss.
Die jungen Menschen bewegt vor allem die Frage nach ihren Perspektiven. Laut der Studie "Jugend und Corona" der Universitäten in Hildesheim und Frankfurt am Main haben zwei von drei Jugendlichen Zukunftsängste. Auch finanzielle Sorgen belasten die jungen Frauen und Männer. Vor allem aber fehle es an Orten zum "Abhängen"; jene Plätzen also, an denen sie mit Altersgenossen ihre Zeit verbringen können.
Zugang zu Bibliotheken und Cafes fehlt
Andere Orte und einen Tapetenwechsel hat sich manchmal auch Maja Goertz gewünscht. Die 19 Jahre alte Mainzerin hat kürzlich ihr Abitur abgelegt. In den Wochen und Monaten während der Prüfungsvorbereitung sei Corona der Konzentration wegen fehlender Ablenkungen sogar ganz zuträglich gewesen, sagt sie und lacht. Ihr fehlten jedoch der Zugang zu Bibliotheken und Cafes, um den Prüfungsstoff nicht immer nur am heimischen Schreibtisch lernen zu müssen.
Welche Auswirkungen die Pandemie tatsächlich auf ihr Leben hat, habe sie eigentlich erst nach den abgelegten Prüfungen verstanden. Jetzt störe sie alles viel mehr als während des Abis. Freunde treffen?
Schwierig. Minijob finden? Die meisten Geschäfte haben geschlossen. Praktikum absolvieren? "Ich habe eigentlich Zeit, aber wegen Corona will niemand Praktikanten haben", sagt Goertz. "Ich habe keine Möglichkeit, die Dinge zu tun, die ich gerne machen würde."
Es fühle sich an, als ob gerade etwas verloren gehe, sagt die Abiturientin. "Es ist frustrierend, weil man das Gefühl hat, eigentlich wäre jetzt die Zeit, in der wir uns vieles total rausnehmen könnten. Wir könnten feiern gehen und ewig schlafen, lange unterwegs sein. Das geht aber alles nicht."
Ohne Vorbereitung aus dem Umfeld herausgerissen
Die Zeit nach dem Schulabschluss oder der Berufsausbildung ist für viele junge Menschen auch die Zeit für einen Auslandsaufenthalt. Es zieht sie in die Welt hinaus - als Au Pair, Freiwilligendienstleistende, für Work and Travel, Sprachreisen oder ein Praktikum. Doch wegen der Pandemie holte das Auswärtige Amt im vergangenen Jahr ab Mitte März etwa 240.000 Menschen aus dem Ausland zurück.
Zu ihnen gehörten auch jene jungen Frauen und Männer, die mit dem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "weltwärts" des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unter anderem in Lateinamerika oder Osteuropa waren. Der plötzliche Abschluss ihres Auslandseinsatzes sei für viele Jugendliche eine schwierige Erfahrung gewesen, sagt die Abteilungsleiterin der Koordinierungsstelle, Astrid Neumann. Sie wurden ohne Vorbereitung aus ihrem Umfeld herausgerissen und saßen nun wieder im elterlichen Kinderzimmer.
2020 nur 721 Freiwillige im Ausland
Die Auswirkungen der Pandemie spiegeln sich auch in den Zahlen wider: 2019 konnten knapp 3.300 junge Menschen mit weltwärts einen Freiwilligendienst im Ausland verrichten. Dann kam der Einbruch.
Konnte "weltwärts" 2018 noch rund 3.400 und 2017 sogar mehr als 3.700 junge Frauen und Männer ins Ausland schicken, wartet 2020 mit ernüchternden Zahlen auf. 721 Freiwillige umfasst die Statistik. Dazu zählen auch jene, die zwar zwischen Januar und März ausreisen konnten, dann jedoch von der Rückholaktion betroffen waren. Der Großteil der Freiwilligen aus dem vergangenen Jahr begann den entwicklungspolitischen Dienst bei einer Organisation innerhalb Deutschlands.
Wie es nun weitergeht, darüber lassen sich kaum Prognosen aufstellen. Seit einigen Monaten können die jungen Freiwilligen wieder nach Thailand, Ruanda und Uganda ausreisen. Und das Interesse an einem Freiwilligendienst ist laut Neuman trotz Corona unbebremst.
Eine feste Prognose wagt auch Maja Goertz nicht zu geben. Im Herbst möchte sie mit einem Studium in einer anderen Stadt beginnen. Doch wohl fühlt sie sich nicht bei dem Gedanken an einen Umzug an einen fremden Ort, wenn der Unibetrieb hauptsächlich digital stattfindet und das Kennenlernen von neuen Leuten erschwert. "Das macht mir schon Angst", sagt sie.