Der Flughafen Brno-Turany, auf dem Papst Benedikt XVI. bei seiner Tschechien-Reise 2009 landete, liegt nur ein paar hundert Meter vom Grab des Bischofs Felix Maria Davidek (1921-1988) entfernt. Und doch liegen Welten zwischen den beiden Kirchenmännern: Davidek, in kommunistischer Zeit einer der exponiertesten Vertreter der tschechoslowakischen Untergrundkirche, fiel im Vatikan posthum in Ungnade. Vor 100 Jahren, am 21. Januar 1921, wurde Davidek im mährischen Brno (Brünn) geboren.
Leben und Wirken Davideks
Im Juni 1945 zum Priester geweiht, landete Davidek im Zuge des Kirchenkampfes nach der kommunistischen Machtübernahme von 1950 bis 1964 im Gefängnis. Im Herbst 1967 wurde er von Bischof Jan Blaha (1938-2012) im Geheimen zum Bischof geweiht. Da die Kommunikation mit dem Vatikan wegen der politischen Unterdrückung kaum möglich war, handelte der so charismatische wie exzentrische Gründer der Gemeinschaft "Koinotes" (vom urchristlichen Begriff koinonia = Gemeinschaft) in der Sorge um die Zukunft der Kirche im Land vielfach auf eigene Faust.
So weihte Davidek unter den schwierigen Bedingungen der kommunistischen Kirchenverfolgung als Untergrundbischof auch Frauen und verheiratete Männer für die Seelsorge - und zwischen 1967 und 1987 insgesamt 17 Priester und Ordensleute zu Bischöfen. Da er den üblichen Weiheauftrag aus Rom nicht einholen konnte, berief er sich auf den Auftrag Papst Pius XII., der 1949 die Bischöfe der kommunistischen Länder aufgefordert hatte, für den Fall ihrer Verhaftung vorsorglich mögliche Nachfolger zu weihen, um die Kontinuität des Bischofsamtes, also den Sendungsauftrag der Apostel ("apostolische Sukzession") zu gewährleisten.
Erneute Weihe für im Untergrund Geweihte
Schon unmittelbar nach seinem Tod im August 1988 machten dann Gerüchte über eine Schizophrenie die Runde - denen freilich Priester und Bischöfe, die ihn kannten, vehement entgegentraten. Um die Gültigkeit von Davideks Bischofs- und Priesterweihen entspann sich eine jahrelange theologische Debatte, insbesondere um die Priesterweihe für seine Vertraute und Generalvikarin Ludmila Javorova. Sie verzichtete 1996 förmlich auf ein äußerliches Wirken als Priesterin und lebt bis heute als einfache Katholikin mit bald 89 Jahren in Brno. Zu ihrem 50. Weihejubiläum Ende Dezember erschien im Herbst in Prag das Interviewbuch "Du bist Priesterin auf ewig".
Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation und spätere Papst Benedikt XVI., Kardinal Joseph Ratzinger, ordnete 1992 eine erneute Weihe "sub conditione" als Bedingung dafür an, dass die im Untergrund Geweihten weiter als Seelsorger arbeiten konnten. Viele fanden auf diese Weise ein Auskommen etwa bei den mit Rom Unierten des byzantinischen Ritus, die auch verheiratete Priester zulassen. Bis heute allerdings lehnen in Tschechien und der Slowakei noch Dutzende Priester der "Verborgenen Kirche" eine erneute Weihe ab.
Freie Ausübung des Glaubens war nicht möglich
Namen hat die tschechoslowakische "Untergrundkirche" viele, passende und unpassende: "verborgene Kirche", "schweigende", "geheime", "inoffizielle", "illegale" Kirche. Ein Gesicht mit fest umrissenen Konturen hat sie dagegen nicht. Frühere Untergrundpriester wie der frühere Prager Kardinal Miloslav Vlk (1932-2017) berichteten von heimlichen Messen in Plattenbausiedlungen, über Hostien- und Bibelschmuggel und den schier aussichtslosen Kampf gegen einen allgegenwärtigen Spitzelapparat.
Doch jenseits der Oberflächlichkeit, mit dem sich mediales Interesse solch exotischen Phänomenen nähert und bald auch wieder entfernt, ist wenig über die Geschichte und den Verbleib jener Gruppen bekannt, die sich als kirchliche Reserve unter staatlicher Repression verstanden. Tatsächlich war die Kirche in der Tschechoslowakei besonders scharf von kommunistischer Verfolgung betroffen. In den Jahrzehnten "im Untergrund" entwickelten einige Gruppen für ihr Überleben eine teils bizarre Eigendynamik und Methoden, die man unter normalen kirchlichen Verhältnissen als mindestens "ungewöhnlich" bezeichnen würde.
Der Weg aus dem Untergrund
Erst nach dem politischen Wechsel 1989 konnten ihre Mitglieder aus der "Schattenwelt" zurück an die Oberfläche. Die Kirchenleitung forderte sie auf, einer erneuten, "bedingten" Weihe oder einem niedrigeren Weihegrad zuzustimmen. Die Betroffenen empfanden das als eine herabwürdigende "sakramentale Nachbesserung" - und die Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit als eine Verkennung ihres hohen Einsatzes. Viele, die unter Gefahr für Leib und Leben Kirche ermöglicht hatten, fühlten sich nun ein zweites Mal verfolgt.
Es gibt aber auch innere Gründe dafür, warum ein Teil des "Untergrunds" nach der Rückkehr an die "frische Luft" einer pluralistischen Gesellschaft an Gestaltungskraft verlor und von anderen Kräften abgelöst wurde. Es war dasselbe Phänomen, das auch für viele der Dissidenten zutraf, die nach 1989 für meist kurze Zeit an die Schaltstellen der jungen Republik rückten: das Festhalten an erprobten Verhaltensweisen aus dem Untergrund, die jedoch in der Freiheit nicht länger richtungweisend waren. In der "neuen Zeit" fanden sie nicht mehr rechtzeitig einen Platz.