Warum das Christentum mit Sturm und Feuerzungen Erfolg hatte

Von der Untergrundsekte zur Staatsreligion

Feuerzungen, Sprachwunder und Sturmgebraus. Der biblische Bericht über die Pfingstereignisse nennt spirituelle Gründe, warum aus angsterfüllten Jüngern mutige Missionare wurden. Historiker suchen andere Ursachen.

Autor/in:
Christoph Arens
Symbolbild Boot im Sturm / © Nejron Photo (shutterstock)
Symbolbild Boot im Sturm / © Nejron Photo ( shutterstock )

Pfingsten gilt als das Geburtsfest der Christenheit. Damit verbindet sich auch die Frage, warum eine kleine jüdischen Sekte innerhalb von drei Jahrhunderten von einer Untergrundorganisation zur Staatsreligion im Römischen Reich werden konnte - und das trotz Verfolgung, Spott der Eliten und einer Vielzahl von konkurrierenden Kulten.

Das Neue Testament verweist insbesondere auf die Missionsreisen und Briefe des Apostels Paulus. Nach Schätzungen legte der rastlose Prediger mehr als 16.000 Kilometer zurück, um Gemeinden in den Metropolen der damaligen Mittelmeerwelt zu gründen und zu stärken.

Schnelle Ausbreitung

Für den katholischen Neutestamentler Hans-Josef Klauck sind es vor allem die engen sozialen Netze der ersten Christen, die zur schnellen Ausbreitung beigetragen haben. So seien die Paulusbriefe über private Kanäle verbreitet worden. Dadurch sei eine Gruppenidentität auch über größere Räume hinweg entstanden.

Feuer / © 4028mdk09
Feuer / © 4028mdk09

Auch die Münsteraner Althistorikerin Eva Baumkamp meint, dass die frühen Christen gute Netzwerker und intensive Briefschreiber waren. "Im dritten Jahrhundert korrespondierten verfolgte Bischöfe von Karthago bis Kleinasien über ihre Religion und machtpolitische Fragen", analysiert sie. Viele Christen und Gemeinden konnten daran teilhaben.

Gute Infrastruktur

Positiv wirkte sich auch die vergleichsweise gute Infrastruktur des Reiches aus: Das Straßennetz ermöglichte das Reisen und Versenden von Post. Die neutestamentlichen Texte waren in Griechisch verfasst, das im östlichen Mittelmeerraum Verwaltungssprache war. Und spätestens durch die Übersetzungen ins Lateinische, die Handelssprache des Westens, konnten die Texte überall verstanden werden.

"Unter dem Druck der Verfolgung durch die römischen Kaiser Decius (250-251) und Valerian (257-260) versuchten die Christen früh, ihre theologischen Probleme zu lösen", sagt Baumkamp. Das habe wie ein Motor gewirkt. Viele ins Exil geflohene Bischöfe hätten ihren Gemeinden weiter Handlungsanweisungen gegeben. Zugleich handelten die Kleriker per Brief Hierarchien aus. "Vor allem Bischöfe größerer Städte wie Rom, Karthago, Alexandria oder Lyon waren bald nicht mehr bloß Sprachrohr ihrer Einzelgemeinde, sondern beanspruchten, die gesamte Provinz zu vertreten."

Verbreitung in sozialen Schichten

Manche Hollywood-Streifen begründen die dynamische Ausbreitung damit, dass die ersten Christen Angehörige der Unterschicht waren, die sich gegen Unterdrückung auflehnten. Im dritten Jahrhundert hatte der platonische Philosoph Celsus geurteilt, das Christentum sei die Religion der Dummen und der Sklaven, eine einfache Lehre für naive Leute.

Symbolbild Filmrolle / © Fer Gregory (shutterstock)

Der Münchner evangelische Theologe Friedrich Wilhelm Graf weist das allerdings zurück: Das Christentum sei nicht nur ein Unterschichten-, sondern zugleich auch ein Oberschichten-Phänomen gewesen. "Es hat viele Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen angesprochen. Diese Vielseitigkeit ist eines der Erfolgsgeheimnisse."

Graf bietet ein ganzes Bündel von Erklärungen: das Überwinden sozialer Schranken, Mitleid und die Hoffnung auf Auferstehung. Darüber hinaus bot das Christentum gegenüber den Vielgötter-Religionen im Römischen Reich einen Mehrwert: Man konnte sich auf einen Gott konzentrieren und zugleich sozial handeln. Die Christen sorgten für Alte und Kranke - und überzeugten damit.

Weitere Deutungen

Der Althistoriker Werner Dahlheim verweist auf zwei Weichenstellungen: Die frühen Christen seien bewusst in die großen Städte gegangen - und nicht in die Dörfer oder die Wüste. Ebenso wichtig war die Entscheidung, auch bei den Heiden zu missionieren. Der Glaube an die persönliche Auferstehung habe zudem zu einer Neubewertung des individuellen Lebens geführt: "Im Gegensatz zu der Überzeugung, die Welt und nicht der einzelne habe Bestand, verhieß die frohe Botschaft, die Welt sei dem Untergang geweiht und das Individuum sei unsterblich."

Der Althistoriker Manfred Clauss begründet den Erfolg des Christentums dagegen mit negativen Eigenschaften. Das Wesen der neuen Religion sei der Fundamentalismus gewesen, schreibt er. Sich im Besitz der Wahrheit fühlend, hätten die Christen sich innerlich über die feindliche Welt erheben können. Manche seien bereit gewesen, das Martyrium auf sich zu nehmen.

Pfingsten

Pfingsten ist für Christen das Fest des Heiligen Geistes und gilt als Geburtsfest der Kirche. Damit endet die 50-tägige Osterzeit. Das Wort Pfingsten leitet sich ab von "Pentekoste", dem griechischen Begriff für "fünfzig". Die Bibel versteht den Heiligen Geist als schöpferische Macht allen Lebens. Er ist nach kirchlicher Lehre in die Welt gesandt, um Person, Wort und Werk Jesu Christi lebendig zu erhalten.

Flammenzungen über Männern und Frauen in der Kuppel der Kirche Sankt Katharina, Saint Catherine, in Spring Lake (USA). / © Octavio Duran/OSV News (KNA)
Flammenzungen über Männern und Frauen in der Kuppel der Kirche Sankt Katharina, Saint Catherine, in Spring Lake (USA). / © Octavio Duran/OSV News ( KNA )
Quelle:
KNA