Volker Beck kritisiert Veranstalter von "Arsch huh"

"Das ist leider kein Beitrag zum Frieden"

Eigentlich sollte es bei der "Arsch huh - Give peace a chance" Kundgebung in Köln an diesem Wochenende um Frieden gehen. Aber dieses Konzert hat schon im Vorfeld zu einem Eklat geführt. Auch Volker Beck übt Kritik am Veranstalter.

Volker Beck, Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft / © Annette Riedl (dpa)
Volker Beck, Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft / © Annette Riedl ( dpa )

DOMRADIO.DE: Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vorstand der Synagogengemeinde Köln, hat seine Teilnahme an der Veranstaltung sogar abgesagt. In der Begründung heißt es, die Veranstalter setzen den Terror der Hamas mit der Reaktion Israels gleich. Das ist ein Vorwurf, der der Kunstszene in Deutschland allgemein gemacht wird. Es sei zu wenig Differenzierung und zu wenig Solidarität für Israel erkennbar. Mal grundlegend gefragt, was ist denn falsch daran, für Frieden zu demonstrieren? 

Volker Beck

"Wer derartig verschwurbelt argumentiert, leistet leider keinen Beitrag zum Frieden."

Volker Beck (Publizist und Lehrbeauftragter für Religionspolitik am Zentrum für Religionswissenschaftliche Studien an der Ruhr Universität Bochum und Geschäftsführer des Tickwa Instituts in Berlin sowie Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft): Daran ist gar nichts falsch. Es stellt sich aber die Frage, wie man die Lage und die Situation beschreibt. Dabei stellt der Aufruf von "Arsch huh" Israel und die Hamas auf eine Stufe, indem beide Seiten daran erinnert werden sollen, sich ans Völkerrecht zu halten. 

Wer so etwas sagt, hat nicht verstanden, was am 7. Oktober tatsächlich passiert ist. Die Hamas ist hingegangen, um Zivilisten abzuschlachten. Das ist per se völkerrechtswidrig. 

Dabei gab es keine Zivilisten als "Kollateralschaden". Das Abschlachten der Israelis war vielmehr das Ziel der Aktion der Hamas. Das ist eine Terrororganisation, die so arbeitet. 

Wie kann man dann sagen, dass man beide Seiten gleichermaßen auffordert, die Waffen schweigen zu lassen? Israel versucht seine Bevölkerung zu schützen, indem es die Hamas militärisch kampfunfähig macht. Das ist in keiner Weise mit den Terroraktionen der Hamas vergleichbar. Wer derartig verschwurbelt argumentiert, leistet leider keinen Beitrag zum Frieden. 

DOMRADIO.DE: Die Initiative erinnert an die zivilen Opfer auf beiden Seiten. In Ihrer Pressemitteilung heißt es, die Demonstration sei eine Parteinahme für die Interessen der Hamas. Woraus lesen Sie das genau? Werfen Sie der Initiative vor, dass sie nicht eindeutig pro-israelisch Position bezieht? 

Aiman Mazyek / © Jannis Chavakis (KNA)
Aiman Mazyek / © Jannis Chavakis ( KNA )

Beck: Es geht nicht um eine pro-israelische oder pro-palästinensische Position. Es geht darum, dass man eine Terrororganisation nicht mit einem angegriffenen Land, einer Demokratie auf eine Stufe stellen kann, die sich im Rahmen des Völkerrechts verteidigt. Das tut aber dieser Aufruf auf der Appell-Ebene.

Hinzu kommt, dass man Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime eingeladen hat, der für eine Organisation steht, die Muslimbrüdergemeinden als Mitglieder hat. Die Hamas selber gehört zur Muslimbrüderbewegung. Dem Zentralrat der Muslime ist ebenso das Islamische Zentrum Hamburg zuzuordnen, wo kürzlich Durchsuchungen durch das Bundesinnenministerium stattfanden, weil dort die Vernichtung Israels zur Programmatik der Vereinigung gehört. (Die Mitgliedschaft des IZH ruht laut Zentralrat der Muslime seit dem 16.11.2023, Anm.d.R.) Auch die "Graue Wölfe Gemeinden" gehören zum Zentralrat der Muslime. 

Wie kann man sich mit so jemanden gemeinsam hinstellen und gemeinsam für Frieden singen und demonstrieren? Das ist ein Fehlgriff.

Ich bin sehr dafür, dass man versucht, zwischen Muslimen, Juden, Christen und Atheisten durch gemeinsame Aktionen Frieden herzustellen. Aber es gibt genügend andere Muslime, die für diese Rolle infrage kommen, als ausgerechnet jemand, der solche Gemeinden in seinen Reihen hat. 

Unter anderem zählt dazu auch eine Gemeinde, in der der Imam am 7. Oktober gefeiert hat. Von Herrn Mazyek habe ich nichts dazu gehört, dass man sich davon distanziert und klar macht, dass so eine Gemeinde keinen Platz in seiner Vereinigung hat. 

DOMRADIO.DE: Die Diskussion, ob man für die eine oder andere Seite ist, wird seit dem 7. Oktober geführt. Aber es gibt auch viele Opfer unter der palästinensischen Bevölkerung. Ist es möglich, Position für Menschen in Not zu beziehen, ohne politisch Stellung zu nehmen? 

Beck: Nein, man kann in dieser Situation nicht einfach keine Stellung einnehmen. Aber man kann trotzdem Empathie zeigen und auch für die zivilen Opfer im Gazastreifen trauern und an diese erinnern.

Man muss aber verstehen, wessen Opfer die sind. Die sind auch Opfer der Kriegsführung der Hamas. Sie sind keine Opfer einer israelischen Aktion, die darauf abzielt, dass sie ihr Leben verlieren. Denn das ist gerade nicht Ziel der israelischen Militäroperationen. 

Aber die Hamas versucht alles, um Israels Anstrengungen, die zivilen Opferzahlen gering zu halten und sie möglichst zu vermeiden, zu konterkarieren. Denn die Opferzahlen bei Zivilisten im Gazastreifen sind eine propagandistische Waffe der Hamas zur Delegitimierung von Israels Selbstverteidigung. 

DOMRADIO.DE: Ist die zu geringe Differenzierung in diesem Konflikt, die Abraham Lehrer beklagt, tatsächlich ein Merkmal, das für die ganze Kunstszene steht?

Beck: Das hat er, glaube ich, so nicht gesagt und das würde ich auch so nicht sagen. Wie überall gibt es solche und solche. Man muss sich damit auseinandersetzen. 

Ich bin ein bisschen erstaunt. Ich habe "Arsch huh" vor zwei Tagen wegen dem Aufruf und auch wegen der Zusammensetzung der Demonstration angeschrieben. Ich hatte eigentlich gehofft, dass es darauf eine Reaktion gibt und dass man sich damit auseinandersetzt. Bislang habe ich keine Reaktion erhalten. 

DOMRADIO.DE: Müsste es vielleicht auf Demonstrationen den Ausruf "Free Gaza from Hamas" geben? 

Volker Beck

"Man muss alles tun, damit diese Herrschaft der Hamas beendet wird."

Beck: Das wäre zumindest eine gute Parole. Das muss das Ziel sein. Es geht natürlich auch um die Befreiung der Palästinenser vom Terror der Hamas. 

In der letzten Woche wurden zwei Palästinenser im Gazastreifen von der Hamas wegen angeblicher Kollaboration mit Israel erhängt. Und die Menge hat gejohlt. Solche schrecklichen Zustände sind der palästinensische Alltag im Gazastreifen. Man muss alles tun, damit diese Herrschaft der Hamas beendet wird. 

Das Interview führte Heike Sicconi.

"Arsch huh" bedauert Absage von Zentralrats-Vize Lehrer

Die Veranstalter einer für Sonntag geplanten Friedenskundgebung in Köln haben mit Bedauern auf die Absage des Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, reagiert. Lehrer, der auch Vorstandsmitglied der Synagogengemeinde Köln ist, hatte am Donnerstag seine Teilnahme an der Veranstaltung der Künstlerinitiative "Arsch huh" abgesagt, weil er den Aufruf dazu für "problematisch" halte. Die Terrororganisation Hamas und die israelische Armee würden in dem Text auf eine Ebene gestellt. Das werde er nicht mittragen.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki beim Multireligiösen Friedensgebet im Kölner Garten der Religionen mit Abraham Lehrer, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Aiman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Maryam Balke, Vorsitzende der Sufi-Schule Maktab Tarighat Oveyssi Shahmaghsoudi und Erzpriester Beza Mengistu von der Äthiopisch-Orthodoxen Gemeinde Düsseldorf  / © Johannes Schröer (DR)
Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki beim Multireligiösen Friedensgebet im Kölner Garten der Religionen mit Abraham Lehrer, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Aiman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Maryam Balke, Vorsitzende der Sufi-Schule Maktab Tarighat Oveyssi Shahmaghsoudi und Erzpriester Beza Mengistu von der Äthiopisch-Orthodoxen Gemeinde Düsseldorf / © Johannes Schröer ( DR )
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