Volker Beck zum Moscheeverband Ditib

"Verführerisch für autoritärdenkende Menschen"

Der Moscheeverband Ditib plant eine Jugendreise in die Türkei und bezeichnet Staatspräsident Erdogan als "obersten Heerführer". Das ist zwar Staatspropaganda, aber nicht verwunderlich, meint der Lehrbeauftragter für Religionspolitik, Volker Beck.

Eine Frau in einer Ditib-Moschee / © Boris Roessler (dpa)
Eine Frau in einer Ditib-Moschee / © Boris Roessler ( dpa )

DOMRADIO.DE: Eigentlich könnte man sagen, eine Jugendreise in die Türkei in den Osterferien klingt nach ein normalen Angebot. Was macht diese Reise für Sie denn zur nationalistischen Staatspropaganda? 

Volker Beck (Früherer Grünen-Abgeordneter und Lehrbeauftragter am "Centrum für Religionswissenschaftliche Studien" in Bochum): Wenn da von "unserem obersten Heerführer" die Rede ist, dann reibt man sich schon ein bisschen die Augen. Erstens über die sprachliche Wahl und zweitens über die Perspektive. Denn es handelt sich ja eigentlich um unsere Jugendlichen muslimischen Glaubens aus Deutschland, die da hingefahren werden. Aber das Ganze reiht sich natürlich in eine Kette von nationalistischen Aufputschungen im Bereich der Diyanet und der Ditib in Deutschland ein.

Anfang des Jahres hatten wir die Aufforderung des Religionsattachés aus Berlin, die Siegessure in den Moscheen noch intensiver zu beten - das Ganze dekoriert mit Panzerabbildungen. Es gab auf vielen Ditib-Seiten Filme über den Vormarsch auf Afrin. Da gibt es eine ganze Menge Stellungnahmen, die diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Türken hier in deutschen Moscheen glorifizieren. Und man sieht dabei die Problematik der Ditib-Struktur insgesamt. Überwiegend in den letzten Jahren und Jahrzehnten hatte man mit der Ditib keine größeren Probleme, aber die Struktur war immer so angelegt: Wenn der türkische Staat will, wenn er es braucht, kann er einfach seinen Einfluss da an- oder ausknipsen. Seit dem Krieg gegen die Kurden sieht man eben, dass der Einfluss genommen wird, man hat es auch schon im Zusammenhang mit der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages gesehen, dass die Ditib am Ende immer für die Propaganda der türkischen Regierung herhalten muss. 

DOMRADIO.DE: Aber mit irgendjemandem muss man ja auch reden. Und die Ditib ist und bleibt der mächtigste Moscheeverband in Deutschland. Da gibt es doch eigentlich keine Alternative oder?

Beck: Zum Reden gibt es in der Demokratie sowieso selten eine Alternative. Ich bin auch nicht dafür alle Gesprächsfäden abreißen zu lassen, sondern aus einer klaren Position heraus zu reden und zu sagen, wenn ihr im deutschen kooperativen Religionsverfassungsrecht Kooperationspartner des Staates sein wollt – was einer muslimischen Glaubensgemeinschaft grundsätzlich offen stünde – dann sagen wir euch, solange ihre eigentlich eine Tochterorganisation einer ausländischen Behörde seid, wird das nicht gehen. Da müssen wir uns mit Provisorien behelfen, aber wir werden euch nicht als Religionsgemeinschaft anerkennen, obwohl ihr tatsächlich eine politische Veranstaltung mit religiösem Charakter seid.

DOMRADIO.DE: Aber das ist doch kein Problem, dass es erst jetzt in den letzten Jahren gibt. Diese Zusammenhänge waren doch von Anfang an so und nie hat sich jemand darum geschert.

Beck: Es haben sich einige wenige schon darum geschert – ich gehöre dazu. Andere reiben sich jetzt die Augen und tun so, als ob sie die Ditib hinters Licht geführt hat. Diesen Vorwurf kann man der Ditib nicht machen. Sie heißt schon im Namen "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion", Anstalt für Religion ist die Diyanet in Ankara. Trotzdem war es Innenpolitikern von Union und SPD lange Jahre sehr recht, dass es eine so autoritär geführte Organisation gibt, wo man einfach mal in Ankara anruft und wenn man mit denen eine Vereinbarung getroffen hat, dann wurde die in die 900 Moscheen in Deutschland entsprechend durchgestellt. Das war verführerisch für autoritärdenkende Menschen, weil man dachte, man kann da in Zukunft Probleme einfacher handhaben.

Das machte auch keine Probleme, solange es eben keine islamistische Orientierung der Regierung in der Türkei gab. Mit Erdogan und seiner Entwicklung in den letzten Jahren hat sich da Entsprechendes verändert. Aber ich fand immer schon, dass da die Gefahr entsprechend angelegt war und jetzt zeigt sie sich eben. In Ordnung war das auch schon vorher nicht, weil unser Religionsverfassungsrecht von einem weltanschaulichen neutralen Staat ausgeht, der den Religionen Entfaltungsmöglichkeiten mit staatlicher Hilfe anbietet, aber eben unter Voraussetzung, dass die Kooperationspartner eben auch Religionsgemeinschaften und nicht Tochtergesellschaften von Behörden oder Parteien im Ausland sind.

Das Interview führte Christoph Hartmann.


Quelle:
DR