Volkskongress von Vietnam berät neues Religionsgesetz

Neue Einschränkungen der Religionsfreiheit?

Religionen sind im sozialistischen Vietnam an der Kandare des offiziell atheistischen Staates. Jetzt berät in Hanoi der Volkskongress eine weitere Verschärfung des Religionsgesetzes.

Autor/in:
Michael Lenz
Hanoi, Vietnam, 29 September 2016 / © Minh Hoang;  (dpa)
Hanoi, Vietnam, 29 September 2016 / © Minh Hoang; ( dpa )

Ein Bauer im triefnassen grünen Regenponcho hat auf den Stufen vor dem Hauptportal der Kirche in Hoa Ninh seine Wasserbüffelherde vor dem Hochwasser in Sicherheit gebracht. In der Provinz Quang Binh sind nach sintflutartigen Regenfällen Flüsse über die Ufer getreten und ganze Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten. Kirchen wie die in Hoa Ninh bieten Opfern der Flutkatastrophe Schutz. Die Caritas verteilt Hilfsgüter, unterstützt die Behörden bei der Fluthilfe.

Solche Harmonie zwischen Christen, Buddhisten und Kommunisten in Vietnam ist eine Seite der Medaille. Die andere sieht um einiges hässlicher aus. Die Verfassung garantiert zwar Religionsfreiheit. In der Realität wird diese jedoch oft "im Interesse der nationalen Sicherheit und der gesellschaftlichen Einigkeit eingeschränkt", wie es im Religionsbericht 2015 des US-Außenministeriums heißt.

53 Unterzeichner für offenen Brief

In einem Offenen Brief an den Präsidenten der Nationalversammlung Nguyen Kim Ngan warnen Kritiker des Entwurfs für das neue Religionsgesetz vor "inakzeptablen Einschränkungen der Religionsfreiheit ... und anderen Menschenrechten". Zu den 53 Unterzeichnern gehören auch internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, die Organisation für Religionsfreiheit Christian Solidarity Worldwide, buddhistische Organisationen aus Vietnam, Verbände der mehrheitlich protestantischen unterdrückten Minderheit der Montagnards wie auch das Netzwerk ASEAN Parlamentarier für Menschenrechte.

Besonders sind ihnen die "bürokratischen Anforderungen für eine Registrierung" und "exzessive Möglichkeiten für staatliche Interventionen in die inneren Angelegenheiten der religiösen Organisationen" ein Dorn im Auge. Im Detail heißt das etwa: Als religiöse Organisationen gelten nur solche, die "vom Staat anerkannt sind". Religiöse Aktivitäten und Betriebe bedürfen der Genehmigung. Behörden können willkürlich auf Entscheidungen, Ernennungen und Programme religiöser Einrichtungen Einfluss nehmen. Vage Begriffe wie "gute traditionelle Werte" oder "Zwietracht säen" öffnen möglicher Diskriminierung und Willkür Tür und Tor.

Kirche als juristische Person

Der katholische Bischof Pierre Nguyen Van Kham, Vize-Generalsekretär der Vietnamesischen Bischofskonferenz, begrüßte in einer ausführlichen Stellungnahme an die Nationalversammlung, dass in dem Gesetzentwurf die katholische Kirche und ihre Einrichtungen als juristische Person anerkannt werden. Jedoch kritisierte auch er, dass der Entwurf dem Staat weiten Raum zur Intervention in kirchliche und religiöse Angelegenheiten biete. Zudem fehlten Regelungen zum Neubau von Kirchen.

Die verschiedenen Religionen und Konfessionen sind unterschiedlich stark von staatlicher Kontrolle betroffen. Generell sei staatliche Intervention bei registrierten Gemeinschaften wie der katholischen Kirche geringer, heißt es im Religionsbericht des US-Außenministeriums. Nicht registrierte wie die United Buddhist Church of Vietnam oder christliche Hauskirchen seien hingegen besonders starken Repressionen ausgesetzt.

Im Visier der Sicherheitsbehörden

Obwohl offiziell anerkannt, sind auch die unabhängige buddhistische Sekte Hoa Hao und die Anhänger des Caodaismus im Süden des Landes im Visier der Sicherheitsbehörden. Der Caodaismus, nach den Buddhisten und den Katholiken die drittgrößte Religionsgemeinschaft, ist als bunter Mix asiatischen und christlichen Glaubensguts eine Art Universalreligion.

Auch mit anderen Menschenrechten nimmt es Vietnam nicht immer ganz genau. Mit nebulösen Begriffen im Strafrecht wie "Unterminierung der Politik der nationalen Einheit" oder "staatsfeindliche Propaganda" werden Kritiker festgenommen und eingesperrt. Jüngster Fall: die Verhaftung der prominenten, regierungskritischen Bloggerin Nguyen Ngoc Nhu, besser bekannt als "Mother Mushroom".

Die Volksversammlung berät auch zusätzliche Verschärfungen des Instrumentariums bei der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Religionen und Andersdenkenden dürfte künftig ein noch schärferer Wind ins Gesicht wehen.


Quelle:
KNA