Weihbischof Jaschke zum Tode von Rupert Neudeck

Einfach handeln

Hamburgs Weihbischof Hans-Jochen Jaschke sieht in Rupert Neudeck ein großes Vorbild. Er habe gespürt, dass Neudecks Handeln aus einer tiefen christlichen Motivation erfolgt sei. Ein domradio.de-Interview zum Tod des Mitbegründers von "Cap Anamur".

Rupert Neudeck (dpa)
Rupert Neudeck / ( dpa )

domradio.de: Wann haben Sie von Rupert Neudeck das erste Mal gehört?

Hans-Jochen Jaschke (Weihbischof Hamburg): Für mich hat das früh angefangen. Da war ich noch recht jung, es war in den 70ern, da erschütterte uns ja alle das Schicksal der "Boatpeople", also der Menschen, die in der Folge des Vietnamkrieges in Südostasien geflohen sind. 1,6 Millionen Vietnamesen versuchten ja per Boot über das Südchinesische Meer ins Ausland zu gelangen, auf überladenen und baufälligen Booten. Wir haben alle bewundert, wie Neudeck dann gehandelt hat. Er hat gesehen, dass Menschen ertranken oder zu ertrinken drohten und rettete sie mit einem Schiff und brachte sie nach Deutschland. Zudem hat er Politiker gewonnen durch seine direkte und unkomplizierte Art. Das war seine große Stärke.

domradio.de: Sie haben ihn auch persönlich kennengerlernt?

Jaschke: Später habe ich ihn in Hamburg bei einem Treffen mit Vietnamesen, bei Jubiläen und bei Gottesdiensten in Frankfurt persönlich kennengelernt. Wie das so ist, man läuft sich über den Weg. Ich habe da immer gespürt, dass sein Handeln aus einer ganz tiefen christlichen Motivation erfolgt ist, von der er gar nicht so viel Aufhebens gemacht hat.

domradio.de: Mit dem Schiff "Cap Anamur" retteten Neudeck und sein Team 1979 mehr als 11.000 vietnamesische Flüchtlinge aus dem chinesischen Meer und brachten sie nach Deutschland.

Jaschke: Ja, und er hat andere bewegt und mitgezogen, wie zum Beispiel den Ministerpräsidenten Albrecht aus Niedersachsen. Diese Menschen haben dann auf einmal unkompliziert das getan, was nötig war, ohne auf gesetzliche Regelungen zu warten. Menschen waren in Not und sie haben einfach geholfen. So hat er Menschen bewegt. Das ist das eine. Das andere: Er war als Mensch sehr glaubwürdig. Wenn er auf ein Podium gestiegen ist und ein paar Sätze gesagt hat, da merkte man, das ist echt, das ist authentisch - hier wird Menschen geholfen und wir lassen uns von ihm mitreißen.

domradio.de: Diese damalige Situation der vietnamesischen Flüchtlinge erinnert an heutige Bootsunglücke im Mittelmeer. Ist Neudecks Hilfe ein Vorbild?

Jaschke: Wir haben ja auch im Mittelmeer Rettungsaktionen für Menschen, die dort zu ertrinken drohen. Das sind Menschen, die Neudeck auf ihre Weise nachfolgen und so Einsatz üben, wie er uns das vorgemacht hat.

domradio.de: Was können wir denn von Neudeck lernen?

Jaschke: Neudeck kann uns zeigen, dass man nicht groß diskutieren muss und nicht große diplomatische Verrenkungen machen muss, sondern einfach handeln muss. Wenn Menschen zu ertrinken drohen, dann muss ihnen geholfen werden. Das ist damals geschehen und heute die große Herausforderung im Mittelmeer. Vor dieser Herausforderung stehen wir jeden Tag, wenn wir hinnehmen, dass wieder ein paar hundert Menschen ertrunken sind. Das kann doch so nicht weitergehen.

domradio.de: Was müssen wir tun?

Jaschke: Wir müssen die Menschen auf ihren Booten schützen und wir müssen Wege finden, dass sie entweder gar nicht erst die Boote besteigen oder in Afrika Lebensmöglichkeiten finden und behalten. Oder wir müssen dafür sorgen, dass sie sicher zu uns kommen können, ohne große Klauseln und ohne große Verrenkungen.

Das Interview führte Christian Schlegel


Quelle:
DR