Es war eine auf den ersten Blick bestechende Idee: Altenpflegekräfte in Deutschland sollten wegen ihres großen Einsatzes in der Corona-Krise nicht nur öffentlichen Applaus, sondern auch einen finanziellen Bonus erhalten.
Mitte Mai beschlossen auch Bundestag und Bundesrat die Anerkennung für einen Berufsstand, der lange im Schatten stand und mittlerweile als systemrelevant gewürdigt wird. Doch die Umsetzung erweist sich als ausgesprochen mühsam.
Vorgesehen ist ein Betrag von 1.000 Euro, der zunächst von den Gesetzlichen Pflegekassen finanziert werden soll. In der zweiten Jahreshälfte wollen das Gesundheits- und Finanzministerium festlegen, in welchem Umfang der Bund zur Finanzierung beiträgt. Darüber hinaus sollen Bundesländer und Arbeitgeber diese Zahlung um 500 Euro aufstocken können.
Viele Fragen noch offen
Wie die "Süddeutsche Zeitung" am Dienstag berichtete, haben bislang erst 10 der 16 Bundesländer beschlossen, das auch zu tun. Aus dem Saarland und Niedersachsen gibt es laut Zeitung nur Absichtserklärungen.
Zusätzlich stimmte am Dienstag die NRW-Landesregierung für eine Aufstockung. In Thüringen und Sachsen-Anhalt ist noch keine Entscheidung gefallen. Offen ist auch, inwieweit sich die Arbeitgeber beteiligen. Unklar ist darüber hinaus, wann das Geld fließen soll.
Unterschiedliche Konzepte der Bundesländer
Zudem verfolgen die Bundesländer unterschiedliche Konzepte: Bayern hat schon früher eine eigene Prämie für Pflegende entwickelt und mit der Auszahlung bereits begonnen. Gezahlt werden die 500 Euro aus dem eigenen Haushalt - und zwar auch an Beschäftigte in Kliniken, dem Rettungswesen und stationären Behinderteneinrichtungen.
Berlin will mit einer Prämienzahlung bis 1.000 Euro auch Polizisten im Außendienst, Erzieherinnen im Kita-Notbetrieb, Rettungskräfte der Feuerwehr sowie Beschäftigte in Gesundheits- und Ordnungsämtern, Schulhorten und Jobcentern belohnen.
"Peinlich und unwürdig"
Zu beobachten ist dabei ein Gezerre um die Finanzierung, das die gute Absicht zunichte zu machen droht. Von einem Trauerspiel sprach der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Die Linken-Abgeordnete Pia Zimmermann bezeichnete die Auseinandersetzung als "peinlich und unwürdig".
Beide forderten, dass die 1.000 Euro vom Steuerzahler gezahlt werden sollten - und nicht allein von den gesetzlich Versicherten. Auch der Deutsche Pflegerat erklärte, es gehe um eine "gesamtgesellschaftliche Anerkennung".
"Solche Töpfe existieren schlicht nicht"
Was die zusätzlichen 500 Euro angeht, so zeigten sich die Arbeitgeber ziemlich zurückhaltend: Die Wohlfahrtsverbände - Diakonie, Caritas oder Rotes Kreuz - argumentierten, dass sie wegen ihrer Gemeinnützigkeit keine substanziellen Rücklagen bilden dürften, die sie jetzt zur Finanzierung der Prämie verwenden könnten. "Solche Töpfe existieren schlicht nicht", sagte etwa Diakonie-Sozialvorstand Maria Loheide.
Auch die Berufsverbände der Pflegenden äußerten neben Lob für die Einmalzahlung auch Kritik. Der Deutsche Pflegerat kritisierte, dass professionell Pflegende in den Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen außen vor blieben.
Kritik an "unterdurchschnittlicher Bezahlung"
"Die nach längerem und streckenweise unwürdigem Geschacher um ihre Finanzierung bewilligte Prämie ist leider ein Dankeschön mit fadem Beigeschmack", erklärte auch die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), Christel Bienstein. Noch gravierender als das Gezerre um die Finanzierung sei, dass die Krankenpflege leer ausgehe. "Dabei haben gerade sie die besonders schwer Erkrankten versorgt und mussten dabei oft weit über ihre Belastungsgrenze gehen - mit hohem Risiko, sich anzustecken."
Aus Biensteins Sicht benötigt die Pflege aber mehr als halbherzige Bonus-Zahlungen und lobende Worte. Der Berufsstand sei "unverändert gekennzeichnet durch unterdurchschnittliche Bezahlung, geringes soziales Prestige, prekäre Arbeitsbedingungen, fehlende Autonomie und mangelnde Beteiligung an maßgeblichen Entscheidungen im System".
Forderung nach Tarifvertrag
Eine zentrale Forderung Biensteins ist ein Tarifvertrag für die gesamte Pflegebranche. Dabei aber sind angesichts der Zersplitterung der Pflegebranche und der geringen gewerkschaftlichen Anbindung noch viele dicke Bretter zu bohren.