Mucksmäuschenstill seien die rund 600 Schülerinnen und Schüler gewesen, sagt Andreas Schulze. Im vergangenen Jahr sahen die Jugendlichen auf Einladung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Nordrhein-Westfalen den Film "Schindlers Liste" anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar. Und auch in diesem Jahr führte die Stiftung den Film rund um den Gedenktag erneut unter anderem für Jugendliche auf - die Reaktionen seien dieses Mal ähnlich gewesen, so Schulze, Leiter des KAS-Regionalbüros Westfalen.
Auch anderswo in Deutschland wird der Film von Steven Spielberg regelmäßig zu diesem Datum in Erinnerung an die sechs Millionen Juden, die die Nazis ermordeten, gezeigt, zum Teil auch in kommerziellen Lichtspielhäusern. Regulär startete "Schindlers Liste" vor 30 Jahren, am 3. März 1994, in den deutschen Kinos. Zuvor war der Aufsehen erregende Film am 15. Dezember 1993 in US-Kinos angelaufen. Spielberg selbst gründete später die USC Shoah Foundation, um Zeugnisse von Zeitzeugen festzuhalten.
Rettende Arbeit für über 1.000 Juden
Die Hauptfigur, der Deutsche Oskar Schindler, ist kein Jude, was Gegenstand der Kontroverse war, die der Film seinerzeit auslöste. Und auch die Tatsache, dass die große Mehrheit der Deutschen eben keine Jüdinnen und Juden gerettet hatte.
Schindler war NSDAP-Mitglied und Lebemann und ließ im Zweiten Weltkrieg rund 1.200 Jüdinnen und Juden in seiner Emaille- und Munitionsfabrik für sich arbeiten. Er bewahrte sie so vor dem Tod, denn ihre Namen standen auf einer Liste, damit sie nicht nach Auschwitz gebracht wurden. Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem erkannte Schindler und seine Ehefrau Emilie als "Gerechte unter den Völkern" an.
Künstlerischer Umgang mit dem Holocaust
Der Film, der zum Teil im alten jüdischen Krakauer Viertel Kazimierz gedreht worden war, gewann sieben Oscars. Liam Neeson spielte Oskar Schindler, Ralph Fiennes Amon Göth, den sadistischen Kommandanten des Lagers Plaszow bei Krakau, und Ben Kingsley Itzhak Stern, der sich an der Rettung der Jüdinnen und Juden beteiligte. Der Film rührte Menschen zu Tränen, wurde gefeiert, aber auch heftig kritisiert. Der Holocaust in dramatischer Form, vom Regisseur von "E.T." und "Jurassic Park"? Was künstlerisch nach Auschwitz möglich war oder möglich sein durfte, bewegte da schon jahrzehntelang die Gemüter.
Da war die US-Fernsehserie "Holocaust". Sie wurde im April 1978 zunächst in den USA, im Januar 1979 in Deutschland und vielen anderen Staaten ausgestrahlt. Die Serie erwies sich als Meilenstein der deutschen Fernsehgeschichte und als Start der Aufarbeitung der Judenvernichtung im Nationalsozialismus. Diese galt nun als filmerzählerisch vermittelbar. Auf dieser Basis konnten Werke wie eben "Schindlers Liste" und später Roberto Benignis "Das Leben ist schön" aufbauen.
Ergreifender Film
Auch "Schindlers Liste" war ein Ereignis. In Deutschland sahen ihn sechs Millionen Menschen im Kino. Ähnlich wie Andreas Schulze es heute beschreibt, fielen auch die Reaktionen vor 30 Jahren aus. In dem damals noch nicht lange wiedervereinigten Deutschland sahen viele Schülerinnen und Schüler den Film im Rahmen ihres Unterrichts. Der "Spiegel" berichtete seinerzeit von ergriffenen und schweigenden Jugendlichen in Berliner Kinos, die ihre Gefühle erst einmal nicht in Worte hätten fassen können.
Das Magazin lieferte auch Eindrücke aus anderen Städten und zitierte eine 17-Jährige mit den Worten, sie hoffe, "dass das alle Leute, die unsere stramme rechte Szene hier für modern halten, endlich aufrüttelt". Denn der Beginn der 1990er Jahre war auch die Zeit, als Neonazis aufmarschierten und Jagd auf Menschen machten, die sie für fremd hielten.
Weiterhin aktuell
Und heute? "Ist es umso wichtiger, den Film zu zeigen", betont KAS-Regionalbüroleiter Schulze. Er blickt auf die Debatten der jüngsten Zeit, zunehmenden Antisemitismus und spricht von "Deportationsfantasien", die nach dem Treffen von Rechtsextremen in Potsdam jetzt auch in die breite Öffentlichkeit gelangt seien.
Theresa Michels ist Wissenschaftliche Referentin bei dem Verein "Zweitzeugen", der Menschen ermutigen möchte, die Geschichte der Zeitzeugen, von denen es immer weniger gibt, weiterzutragen. Viele Zeitzeugen hätten durch den Film erst die Möglichkeit gehabt, ihre Erlebnisse zu erzählen, sagt sie. "Schindlers Liste" zeige zudem eine ambivalente Hauptfigur. "Man hat immer die Wahl, sich neu zu entscheiden", betont Michels.