California dreaming - in den 1960er Jahren war der sonnige US-Bundesstaat an der Westküste ein Ort, wo spirituelle Selbsterfahrung ein ganz großes Ding war. In Rom, dem Mittelpunkt der katholischen Welt, fand zu dieser Zeit das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) statt. Als eine Gruppe von Ordensfrauen die Impulse der spirituellen Selbsterfahrung mit denen des Konzils verbanden, kam es zu einem Showdown, der Kreise bis nach Rom zog und selbst die überregionale Presse in Atem hielt.
Auf der einen Seite des Geschlechter- und Generationenkonflikts standen die Schwestern vom Immaculate Heart of Mary (IHM; Unbeflecktes Herz Mariens), ein ursprünglich spanischer Schulorden, der in der Erzdiözese Los Angeles mehrere Schulen von erstklassigem Ruf unterhielt. Das IHM-College in Los Angeles war das Juwel in der Krone; dort unterrichtete Schwester Mary Corita Kent als Kunstlehrerin. Sie war in der Pop-Art-Bewegung weit über die Westküste berühmt. Kunst und Kloster: kein Gegensatz für Mary Corita, deren Unterricht eher einem Happening ähnelte.
Ruf als autoritär und äußerst konservativ
Auf der anderen Seite stand Kardinal James Francis McIntyre (1886-1979), ein begnadeter Organisator, der für die Erzdiözese unzählige Schulen und Kirchen in den Jahren des Babybooms nach dem Zweiten Weltkrieg errichten ließ. 75 Jahre alt, als in Rom das Konzil begann, betrachtete er dessen Beschlüsse als Angriff auf die ewigen Wahrheiten der katholischen Kirche. McIntyres Ohnmacht während der Diskussion des Ökumene-Dekrets entschuldigte sein Weihbischof mit den Anstrengungen des Langstreckenflugs; seine Bischofskollegen legten sie jedoch anders aus - hatte er doch einen Ruf als autoritär und äußerst konservativ zu verteidigen.
Unter dem Einfluss des Konzils und dessen Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens begannen die IHM-Schwestern nachzudenken, was das für ihre Lebensweise bedeutete. Sie wollten Selbstbestimmung in kleinen Dingen, etwa selbst über ihre Lektüre, Bettzeiten oder Gebetszeiten zu entscheiden. Doch sie verlangten auch für ihre Tätigkeiten als Lehrerin eine bessere Ausbildung und vor allem den Freiraum dafür. Und wer nicht als Lehrerin arbeiten wollte, sollte die Freiheit haben, eine andere Karriere einzuschlagen.
Problem Habit
Kardinal McIntyre konnte Ordensfrauen, die mit ihrem Lebensstil experimentierten, keinesfalls tolerieren. Der Knackpunkt, über den es zum Bruch kam, war der Habit. Die Schwestern wollten selbst entscheiden, ob sie einen kurzen, langen oder gar keinen Habit trugen. Im Oktober 1967, zwei Tage, nachdem die Schwestern über ihre neue Lebensweise abgestimmt hatten, ließ der Kardinal sie vorladen und fragte sie, ob sie künftig in Alltagskleidung zu unterrichten gedächten. Als die Nonnen "vielleicht" antworteten, war das Gespräch beendet. Er forderte sie auf, sich zum Ende des Schuljahres, im Juni 1968, aus allen Schulen der Diözese zurückzuziehen.
Beide Seiten wandten sich nach Rom. Die Schwestern erfuhren viel Unterstützung - doch letztlich war alles vergebens. Rom schlug sich auf die Seite des Kardinals. Im Februar 1970 brach der Orden auseinander. Die sogenannten No-nos, also eine kleine konservative, aber lautstarke Gruppe, blieb im Orden. Sie führten auch das College in Los Angeles weiter - an dem übrigens Prince Harrys Verlobte Meghan Markle ihren Abschluss machte und das nun Popstar Katy Perry gern kaufen möchte.
"Teil des Kampfes der Frauen für Gleichberechtigung"
Von den "Go-gos", also dem progressiven Flügel, verließen 150 Frauen das Ordensleben. Rund 300 Schwestern gründeten eine Laiengemeinschaft, die Immaculate Heart Community. Damals, im Januar 1970, trat auch Kardinal McIntyre mit 83 Jahren in den Ruhestand.
Schwester Maria Humiliata, die Oberin des Ordens, die später wieder ihren Namen Anita Caspary (1915-2011) führte, sprach von "einem historischen Moment des Glaubens und der Freiheit". Die Gemeinschaft sah sich als ein "Teil des Kampfes der Frauen für Gleichberechtigung".
Der US-amerikanische Jesuit Mark Massa bemerkt zu diesen dramatischen Ereignissen in seinem Buch über die "Amerkanische Katholische Revolution. Wie die 60er Jahre die Kirche für immer verändert haben".
Er bemerkt, dass die Vertreter der Kirche nach Reformen riefen und sie einleiteten, jedoch erwarteten, dass diese ohne Ausschläge umgesetzt wurden. Doch stattdessen kam es zu unvorhergesehenen Konflikten wie diesen.