Vor 75 Jahren starb die Mutter des Muttertags

Am Muttertag verzweifelt

Es heißt, wen Gott bestrafen will, dem erfüllt er alle Wünsche. So muss sich auch die US-Amerikanerin Anna Jarvis gefühlt haben, auf deren Initiative einst der Muttertag eingeführt wurde. Was ist schief gegangen?

Autor/in:
Christiane Laudage und Nina Schmedding
Symbolbild Muttertag / © Evgeny Atamanenko (shutterstock)
Symbolbild Muttertag / © Evgeny Atamanenko ( shutterstock )

Es ist völlig ausgeschlossen, Weihnachten oder den Muttertag zu verpassen. Schon Wochen vorher erinnert die Werbung crossmedial daran, was man alles verschenken könnte. Und wenn es dann so weit ist, dann breiten sich intensive Gefühle über den Geschenken aus. So war das alles nicht gedacht.

Was den Muttertag angeht: Anna Jarvis, auf deren Initiative dieser Gedenktag eingeführt wurde, ist daran verzweifelt. Ihre Familie ehrt ihr Andenken sogar, indem sie über Generationen keinen Muttertag begangen hat.

So sehen die Blumen zur diesjährigen Dreikönigswallfahrt aus; in der Mitte die Nelke Copacabana in einem speziellen Rosaton. / © Beatrice Tomasetti (DR)
So sehen die Blumen zur diesjährigen Dreikönigswallfahrt aus; in der Mitte die Nelke Copacabana in einem speziellen Rosaton. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Gegen die Kommerzialisierung des Muttertags 

Anna Jarvis war zudem tatsächlich die einzige, die nicht von dem Erfolg des Muttertags profitierte. Im Gegenteil, Jarvis starb am 24. November 1948, vor 75 Jahren, völlig verarmt. Denn sie setzte ihr ganzes Geld dafür ein, gegen die Kommerzialisierung des Muttertags anzugehen. Angeblich soll die Blumen- und Grußkartenindustrie für die Kosten ihres Pflegeheims aufgekommen sein – was sie, wenn es stimmen sollte, zum Glück nie erfahren hat.

Flagge zeigen

Anna Marie Jarvis (1864-1948) stammt aus Grafton im US-Bundesstaat West Virginia und wurde in einer kinderreichen methodistischen Familie groß. Sie wollte ihrer Mutter ein Andenken setzen, die sich für eine bessere medizinische Versorgung von Müttern und deren Kindern sowie von Kriegsheimkehrern einsetzte. Gemeinsam sollten Frauen an diesem Tag Flagge zeigen für Solidarität untereinander, für soziale Dienste und gegen Kriegseinsätze.

1908 gab es am zweiten Maisonntag den ersten Gedenkgottesdienst in Grafton zu Ehren von Annas Mutter, die zwei Jahre zuvor – ebenfalls im Mai – gestorben war. Ihre Tochter verteilte an diesem Tag weiße Nelken, die ihre Mutter so sehr geliebt hatte. 1914 wurde der Tag in den USA als Zeichen der Verehrung der Mutter ein nationaler Feiertag.

Verleihung des Mutterkreuzes durch die NSDAP am Muttertag 1942 / © akg-images GmbH (epd)
Verleihung des Mutterkreuzes durch die NSDAP am Muttertag 1942 / © akg-images GmbH ( epd )

Erst Kommerz, dann Ideologie

Zum Ärger von Jarvis kehrte sich allerdings der Ursprungsgedanke schnell um: Der Handel machte sich den Muttertag zunutze. Trotz ihrer Boykottaufrufe, die der Frauenrechtlerin gar einen Gefängnisaufenthalt einbrachten, floriert das Geschäft bis heute – auch in Deutschland. Es ist – neben dem Valentinstag – der Tag, an dem Blumenläden ihr großes Frühjahrsgeschäft machen.

Erst kam der Kommerz, dann die Ideologie. Die Nazis instrumentalisierten den Muttertag für ihre Zwecke: Im Deutschen Reich wurde der Muttertag zu einer Feier der vermeintlich "germanischen Rasse". Die Auszeichnung des Mutterkreuzes in Bronze, Silber oder Gold wurde nach Anzahl sogenannter reinrassigen Kinder am Muttertag verliehen: je mehr Kinder, desto besser. Ein Grund, warum die DDR den Tag abschaffte und stattdessen den Internationalen Frauentag am 8. März feierte, der heute wiederum in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ein Feiertag ist.

Klassische Familie in Gefahr?

In der vereinten Bundesrepublik erfreut sich der Muttertag nach wie vor großer Beliebtheit. Nach verschiedenen Umfragen beschenken durchschnittlich mindestens drei von zehn Deutschen ihre Mutter zum Muttertag – vermutlich auch, weil das Wort "Mutter" für niemanden ein neutraler Begriff, sondern sehr gefühlsbesetzt ist.

Üblicherweise malen Kinder Bilder, kaufen Blumen oder lassen sich sonst etwas Schönes einfallen. Als eine Kita in diesem Jahr darauf verzichten wollte, die Kinder typische Geschenke für den Mutter- oder Vatertag basteln zu lassen, brach ein Sturm der Entrüstung los. Man wähnte die klassische Familie in Gefahr.

Zeitmäßigkeit wird weiter diskutiert 

Ist der Muttertag noch zeitgemäß? In diesem Jahr wurden zugleich auch Stimmen laut, die forderten, den Muttertag abzuschaffen und durch einen Elterntag zu ersetzen. Sicher ist: Im nächsten Jahr wird die Diskussion fortgesetzt.

Im Moment aber heißt es für die Kinder im Kindergarten oder in der Schule, für Weihnachten zu basteln oder sich sonst liebevolle Geschenke zu überlegen. Die Herausforderung ist ungleich größer als beim Muttertag, denn jetzt will die ganze Familie beschenkt werden.

Der Muttertag

Der Muttertag, Feiertag zu Ehren der Mütter, wird immer am 2. Maisonntag in mehr als 40 Ländern begangen. Er geht zurück auf die amerikanische Methodistin Anna Marie Jarvis; ab 1907 kämpfte sie für einen Mütter-Ehrentag. Anlass war der erste Todestag ihrer eigenen Mutter. US-Präsident Thomas Woodrow Wilson erklärte 1914 per Gesetz den Muttertag zum offiziellen Staatsfeiertag. In Deutschland wurde der neue Brauch vor allem durch die Förderung des Verbandes Deutscher Blumenhändler nach dem 1. Weltkrieg übernommen; die weiße Nelke galt damals als Symbol des Muttertags.

Muttertag / © Racamani (shutterstock)
Quelle:
KNA