Vorschläge einzelner Bischöfe im Kampf gegen Missbrauch

Konkrete Schritte sollen Glaubwürdigkeit zurückgewinnen

Nach dem Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan werden überall Rufe nach konkreten Schritten laut. Was planen die deutschen Bistümer? Eine veränderte Sexualmoral der Kirche? Strukturelle Reformen? Ein Überblick vor der Bischofsvollversammlung.

Autor/in:
Gottfried Bohl
Deutsche Bischöfe feiern gemeinsam Gottesdienst. / © Arne Dedert (dpa)
Deutsche Bischöfe feiern gemeinsam Gottesdienst. / © Arne Dedert ( dpa )

"Studientag zu übergreifenden Fragen, die sich gegenwärtig stellen". So steht es lapidar auf der Tagesordnung der Bischofsvollversammlung in Lingen. Doch dahinter steckt wohl so etwas wie die Schicksalsfrage für die katholische Kirche: Gelingt es, konkrete Schritte folgen zu lassen auf den Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan? Der war "doch ein bisschen vage" zu Ende gegangen, wie es Bischof Stephan Ackermann formulierte, der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz.

Gegen Willkür-Akte von Pfarrern und Bischöfen

Kardinal Reinhard Marx, gab gleich nach dem Gipfel die Richtung vor: Papst Franziskus habe Pflöcke eingeschlagen, hinter die könne keiner mehr zurück. Nun seien die Bischöfe in der Pflicht. Schon während des Treffens hatte Marx für Aufsehen gesorgt mit seinen Vorstößen, das "Päpstliche Geheimnis" bei Missbrauchsfällen aufzuheben, um Vertuschung zu erschweren, und kirchliche Verwaltungsgerichte zu schaffen, um Laien die Möglichkeit zur Klage zu geben gegen Willkür-Akte von Pfarrern und Bischöfen.

Der Passauer Bischof Stefan Oster und Bambergs Erzbischof Ludwig Schick sprachen sich für eine eigene kirchliche Gerichtsbarkeit in Deutschland aus, "damit die Verfahren für Priester nicht immer langwierig und zum Teil ergebnislos über Rom laufen müssen". Außerdem seien eine "intensive Kooperation mit staatlichen und anderen unabhängigen Stellen" notwendig sowie schärfere kirchenrechtliche Strafen bei Missbrauch. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki forderte, überführte Täter unterschiedslos aus dem Priesteramt zu entlassen.

Maßnahmen zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen

Bischof Gebhard Fürst (Rottenburg-Stuttgart) brachte einen unabhängigen Gerichtshof aller deutschen Bistümer ins Gespräch. Zudem kündigte er an, dass in seiner Bistumskommission zu Missbrauch künftig nur noch die ehrenamtlichen und nicht vom Bischof abhängigen Mitglieder stimmberechtigt sein sollen. Kirchliche Angestellte haben dann nur noch beratende Funktion.

Das Bistum Osnabrück hat unterdessen sein Anti-Missbrauchskonzept verschärft. Auch hier sollen externe Fachleute stärker eingebunden werden, kündigte Bischof Franz-Josef Bode an. Zudem werden Opferschutz und Prävention weiterentwickelt. Darüber hinaus soll überführten Missbrauchstätern das Gehalt massiv gekürzt werden, falls man sie nicht ganz aus dem Klerikerstand entlassen kann.

Konkret wird auch das Bistum Passau mit seinem neuen Verhaltenskodex für alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter. Standards für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen sollen Missbrauch und andere Grenzverletzungen verhindern. Ähnlich strenge Vorschriften zur Prävention gibt es bereits in Köln und einigen anderen Bistümern.

"Systemischen Grundsatzfragen"

Auch wenn die Regelungen hier nicht einheitlich sind, deutet sich doch an, dass sich die Bischöfe in diesen Fragen vermutlich relativ leicht auf ein weitgehend einheitliches Vorgehen einigen könnten. Schwieriger werden dürfte es bei den "systemischen Grundsatzfragen". Hier geht es etwa um den Zölibat und andere Aspekte der priesterlichen Lebensform, um Macht und Partizipation sowie um die katholische Sexualmoral. Arbeitsgruppen dazu hat der Ständige Rat der Diözesanbischöfe Ende Januar einberufen.

Dabei soll außerdem ein "internes Strategiepapier" heftig diskutiert worden sein, wie die Beilage "Christ & Welt" der Wochenzeitung "Die Zeit" berichtete: Es bescheinige der Kirche eine existenzielle Krise, fordere neue theologische Antworten und schlage eine "synodale Veranstaltung" vor, also eine breite Debatte unter Mitwirkung katholischer Laien und mit verbindlichen Beschlüssen. Autoren seien die Bischöfe Peter Kohlgraf (Mainz), Franz-Josef Overbeck (Essen) Karl-Heinz Wiesemann (Speyer) und Stefan Oster (Passau). Die Initiative sei aber ohne Abstimmung in die Schublade gewandert.

Enttäuschung bei Reformern

Kohlgraf sagte der "Christ & Welt" dazu: "Natürlich bin ich enttäuscht. Ich glaube aber, dass das Ende des Weges damit noch nicht erreicht ist." Oster wies unterdessen in der katholischen Wochenzeitung "DieTagespost" die Darstellung der Zeitung zurück, nach der die Bischöfe ein "brisantes Strategiepapier" für eine nationale Synode erarbeitet hätten. Das Papier sei vielmehr "eine Tischvorlage des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz als Diskussionsgrundlage für einen Tagesordnungspunkt" gewesen.

Solche Vorlagen gebe es "für fast jeden Tagesordnungspunkt der Konferenz". Und die vier genannten Bischöfe seien lediglich beauftragt gewesen, diese Punkte zunächst in kleinerem Kreis zu diskutieren. Es gibt also offenbar genug Gesprächsstoff - auch für den größeren Kreis in Lingen. Dass die Geduld vieler Katholiken am Ende ist, zeigt die jüngste Umfrage für die Tageszeitung "Bild": Mehr als vier von fünf Katholiken in Deutschland (82 Prozent) glauben demnach, der Umgang mit Missbrauchsfällen werde ihrer Kirche "langfristig schaden".

Glaubwürdigkeitsverlust und Kirchenaustritte

Zudem haben laut Umfrage 52 Prozent der befragten Katholiken schon einmal überlegt, aus der Kirche auszutreten; 38 Prozent dächten aktuell darüber nach, 22 Prozent hätten sich den Austritt fest vorgenommen. Gerade hinsichtlich der Aufklärung der Missbrauchsfälle hätten viele das Vertrauen in die Kirche verloren.


St. Bonifatius, Lingen (DR)
St. Bonifatius, Lingen / ( DR )
Quelle:
KNA
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