Morde und Entführungen erschüttern Nordnigeria

"Waffen alleine beenden den Konflikt nicht"

Die Nachrichten aus dem Bundesstaat Kaduna sind besorgniserregend. In den vergangenen Wochen wurden Dutzende Menschen entführt und ermordet. Kirchenvertreter werfen der Regierung Untätigkeit vor.

Autor/in:
Katrin Gänsler
Dramatische Sicherheitslage in Nigeria / © Ibrahim Mansur (dpa)
Dramatische Sicherheitslage in Nigeria / © Ibrahim Mansur ( dpa )

Banditen haben Anfang der Woche im Landkreis Chikun im nordnigerianischen Bundesstaat Kaduna erneut 23 Menschen entführt.
Bei den Überfällen auf zwei Dörfer wurde außerdem ein Polizist getötet. Im August hatte es vor allem im Süden des Bundesstaates mehrmals pro Woche Angriffe gegeben, bei denen Dutzende Menschen gestorben sind. Genaue Opferzahlen gibt es nicht. Ein ehemaliger Senator aus Kaduna, Shehu Sani, twittert: "Die Häufigkeit der Terroranschläge und Entführungen lässt keine Zeit zum Trauern."

"Die Situation ist besorgniserregend", sagt der Erzbischof der Diözese Kaduna, Matthew Man-oso Ndagoso, im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Der Konflikt geht weiter." In den Fokus der Angreifer rücken immer wieder auch religiöse Einrichtungen. "Sie haben versucht, ein Kloster anzugreifen." Aus Sicherheitsgründen hatten die Ordensschwestern es aber längst verlassen. Riskant sei auch die Arbeit für Priester, die in den ländlichen Regionen arbeiten, so der katholische Bischof. "Für sie ist es ein großer Stress. Die Menschen haben Angst."

Die Angst geht um 

Viele haben mittlerweile ihre Dörfer verlassen und teilweise bei Angehörigen Unterschlupf gefunden. Mitunter werden Binnenflüchtlinge in Schulen untergebracht. Immer ist die Versorgungslage schwierig.
Gerade ländliche Gebiete, wo Farmer ihre Felder haben, sind nicht gesichert. Die Angst, diese zu bewirtschaften, ist groß. Alternativen gibt es nicht.

"Die Regierung tut nicht genug, um die Menschen zu schützen", kritisiert John Joseph Hayab, Vorsitzender der Christlichen Vereinigung Nigerias (CAN) im Bundesstaat Kaduna. Dörfer versuchten, sich selbst zu verteidigen. Das führe dazu, dass Bewohner zunehmend selbstgemachte Waffen bei sich trügen. "Die Wut ist groß. Wir müssen etwas dagegen unternehmen."

Kaduna besonders anfällig für Krisen

Die Krise in Kaduna ist komplex. Der Bundesstaat gehört zwar offiziell zu Nordnigeria, wo die Scharia für die muslimische Bevölkerung gilt. Doch im Süden leben zahlreiche Christen. In den vergangenen Jahrzehnten hat es immer wieder schwere Konflikte gegeben, etwa als im Jahr 2000 die islamische Gesetzgebung eingeführt wurde. Nach der Präsidentenwahl von 2011 erlebte Kaduna ebenfalls eine Welle der Gewalt. Der Bundesstaat gilt als besonders anfällig für Krisen.

Die aktuelle wird als ein Konflikt zwischen Farmern und Viehhirten bezeichnet. Grund dafür sind knapper werdende Ressourcen wie Weideland und Wasserstellen. Mitunter lautet die Lesart aber auch: Die muslimischen Viehhirten - sie gehören zumeist der Ethnie der Fulani an - überfallen christliche Bauern. Alle Deutungsversuche sorgen für weiteres Misstrauen, und die Gewalt zwischen Dörfern und ethnischen Gruppen wächst. Oft kommt es auch zu Racheakten, selbst wenn nicht sicher ist, von wem die ursprünglichen Angriffe ausgingen.

Erzbischof für Dialog

Hayab hält die Bezeichnung Farmer-Viehhirten-Konflikt jedoch für falsch: "Die Angreifer kommen in die Dörfer und überfallen Kinder und Frauen." Mit Zugang zu Ressourcen habe das nichts zu tun.
Verantwortlich sind seit mehreren Jahren auch bewaffnete Banden, die mit Entführungen hohe Lösegelder erpressen. Die Überfälle könnten aber auch in perfider Weise politisch motiviert sein. "Politiker versprechen der Bevölkerung ihren Schutz gegen Gewalt." So erhofften sie sich Stimmen bei der kommenden Wahl.

Erzbischof Ndagoso fordert von der Regierung, die Menschen besser gegen Angreifer zu schützen. "Das ist ihre Pflicht." Waffen alleine könnten den Konflikt aber nicht beenden. "Wir können zwar nicht mit Terroristen und Entführern verhandeln", macht er deutlich, "trotzdem müssen wir die Menschen, die unmittelbar involviert sind, zusammenbringen und einen Dialog anregen. Das ist möglich", ist sich der Erzbischof sicher.


Quelle:
KNA
Mehr zum Thema