Warum die Tattoos des neuen US-Verteidigungsministers polarisieren

Tinte, Macht und Glaube

Trump will nicht nur Amerika groß machen, sondern auch das Militär – mit dem TV-Moderator Pete Hegseth an der Pentagon-Spitze. Dessen Tätowierungen sorgen für Schlagzeilen. Was bedeuten Jerusalemkreuz, Schwert und "Deus Vult"?

Autor/in:
Elena Hong
Pete Hegseth bei ein Treffen mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump. / © Evan Vucci/AP (dpa)
Pete Hegseth bei ein Treffen mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump. / © Evan Vucci/AP ( dpa )

Der designierte US-Verteidigungsminister macht keinen Hehl aus seiner Vorliebe für Körperschmuck in Form von symbolträchtigen Tattoos. Sie schimmern am hochgekrempelten Ärmel hervor oder sind auf oberkörperfreien Fotos in den sozialen Medien zu sehen. Viele der Motive sind religiös aufgeladen. 

Sein erstes Tattoo ließ Pete Hegseth sich vor circa sechs Jahren stechen. Es ist ein Kreuz auf dem Unterarm mit einem Schwert in der Mitte – eine Anspielung auf den Bibelvers aus Matthäus 10, Vers 34: "Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert." 

Screenshot aus einem Instagram-Video von Pete Hegseth mit Jerusalemkreuz
 / © instagram.com / petehegseth
Screenshot aus einem Instagram-Video von Pete Hegseth mit Jerusalemkreuz / © instagram.com / petehegseth

Der deutsch-amerikanische Theologe und Schriftsteller Paul-Henri Campbell, der das Buch "Tattoo & Religion" verfasst hat, sieht in diesem Jesus-Zitat weniger eine Steilvorlage für biblische Exegese als vielmehr eine Kampfansage sowie ein Zeichen der Selbstbehauptung: "Pete Hegseth ist eine Figur, die sagt: 'Ich bin einer von euch, ich kämpfe für euch.' Das spricht Menschen an, die das Gefühl haben, es gibt ein Defizit im Westen, für eigene Werte einzustehen", so Campbell weiter. 

Neben patriotischen Symbolen wie dem prominent platzierten Schriftzug "We the People" auf seinem Unterarm – die ersten Worte der amerikanischen Verfassung – und einer amerikanischen Flagge mit AR-15-Gewehr, das Hegseth bei seinem Einsatz im Irak trug, fällt der Schriftzug "Jahwe" ins Auge. Ein Tattoo, das den Namen Gottes in der hebräischen Bibel abbildet und das sich der TV-Moderator in Bethlehem während Dreharbeiten stechen ließ. 

Jerusalemkreuz: Kreuzritter der Neuzeit?

Die wohl auffälligste und größte Tätowierung ist das Jerusalemkreuz auf der Brust. Es besteht aus einem großen griechischen Kreuz in der Mitte, das von vier kleineren Kreuzen umrahmt ist. Aber handelt es sich dabei tatsächlich, wie in vielen Medienberichten behauptet, um eine Anspielung auf die Kreuzritter, deren Ziel es war im Mittelalter, Muslime aus dem Heiligen Land – insbesondere Jerusalem – zu vertreiben und die heiligen Stätten des Christentums zu sichern? 

Davon ist auszugehen, denn das Jerusalemkreuz war das Emblem des "Königreichs Jerusalem", das während der Kreuzzüge gegründet wurde und in den Jahren 1099 bis 1291 bestand. Noch heute ist das Symbol in der Stadt Jerusalem sehr präsent. Außerdem nennt sich Pete Hegseth in seinem Buch "American Crusade" selbst einen Kreuzritter. "Es geht ihm also eindeutig um die Zugehörigkeit zum Ethos der Kreuzritter", bestätigt der Theologe Paul-Henri Campbell. 

"Deus Vult" - göttliche Legitimation von oben / © instagram.com/petehegseth
"Deus Vult" - göttliche Legitimation von oben / © instagram.com/petehegseth

Dazu passt das lateinische "Deus Vult" auf Hengseths Bizeps, zu deutsch "Gott will (es)" – ebenfalls ein Motto der Kreuzritter. Der Ausruf wird Papst Urban II. als Aufruf zum Kreuzzug im Jahr 1095 zugeschrieben. Aus Sicht des Marburger Historikers Georg Strack handelt es sich dabei jedoch um eine Legende. "Urban II. hat dieses Zitat niemals in Texten verwendet, die er selbst oder seine Kanzlei verfasst haben", sagte Strack der Katholischen Nachrichten-Agentur am Wochenende

Pro-israelischer Kurs

Vieles deutet darauf hin, dass sich aus dieser Kreuzritter-Symbolik eine pro-israelische, islamophobische Einstellung ableiten lässt. Dem Magazin "Times of Israel" sagte Hegseth 2018 beispielsweise, es gebe keinen Grund, warum die Wiederherstellung des Tempels in Jerusalem nicht möglich sein könnte. Eine Zwei-Staaten-Lösung lehnt er ab. 

Blick auf den Tempelberg mit Felsendom / © Erika Rebmann (KNA)
Blick auf den Tempelberg mit Felsendom / © Erika Rebmann ( KNA )

"Dies ist kein mystisches Land, das man abtun kann. Es ist die Geschichte von Gottes auserwähltem Volk. Diese Geschichte endete nicht 1776 oder 1948 oder mit der Gründung der UNO. All diese Dinge finden auch heute noch Resonanz und sind von Bedeutung", sagte Hegseth 2016 in einem Interview gegenüber der Jewish Press. Zum Einreiseverbot der Trump-Administration gegen mehrheitlich muslimische Länder äußerte er sich in der Vergangenheit vielfach positiv. 

Ambige Symbolik: Keine voreiligen Schlüsse ziehen

In der Tat gehörten viele der Tätowierungen zum extremistischen, christlichen Nationalismus, der in den USA evangelikal aufgeladen ist. Nicht zuletzt beim Sturm aufs Kapitol waren Kreuzrittersymbole und "Deus vult"-Flaggen zu sehen. Selbst der Massenmörder Anders Breivik, der sich zum Templerorden zählte, sah sich als "Kreuzritter". 

Andererseits ist das Jerusalemkreuz auch in vielen anderen Kontexten zu finden: von der Flagge Georgiens über das Logo des Deutschen Evangelischen Kirchentags bis zu dem Zeichen des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem und des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande – ja selbst bis hin in die franziskanische Spiritualität. In der ursprünglichen Bedeutung stehen die fünf Kreuze nämlich für die Wunden Christi und seine Leiden. 

Päpstlicher Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem

Weltweit gehören dem Ritterorden in 59 Statthaltereien 30.000 Mitglieder an; in Deutschland sind es 1.500. An der Spitze dieses vom Papst anerkannten Ordens steht ein Laie als Statthalter. Geistlicher Leiter der Deutschen Statthalterei ist der Großprior, Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

Archivbild: Umhänge des Ritterordens vom Heiligen Grab / © Benedikt Plesker (KNA)
Archivbild: Umhänge des Ritterordens vom Heiligen Grab / © Benedikt Plesker ( KNA )

Anhand der Tätowierungen eine klare politische Agenda des neuen Leiters des Verteidigungsministeriums abzulesen, hält Theologe Paul-Henri Campbell deshalb für zu kurzsichtig. "In diesem Fall kann man sehen, dass politische Kommunikation gelingt, wenn sie diffus ist. Diese nur auf einen extremen Kern hin zu interpretieren, ist eine Unterschätzung". 

In der politischen Kommunikation gehe es nicht darum Recht zu haben, sondern eine sympathische Plausibilität herzustellen, so Campbell weiter. "Dazu gehören diese Tätowierungen, die auf der einen Seite als rechtsextrem interpretiert werden können, die aber gleichzeitig eine sehr offene Bedeutung haben." 

Der designierte Präsident Donald Trump und einige seiner bislang ernannten Mitstreiter in wichtigen Positionen und Ämtern / © Brandon, Vucci, Rourke (dpa)
Der designierte Präsident Donald Trump und einige seiner bislang ernannten Mitstreiter in wichtigen Positionen und Ämtern / © Brandon, Vucci, Rourke ( dpa )

Widersprüchlichkeit als Erfolgsrezept

Das ist eben das Erfolgsgeheimnis der "Trump-Figuren". Sie polarisieren. Sie schockieren. Sie rufen Empörung hervor – bei allen demokratisch gesinnten Parteien. Und dennoch finden sie Zustimmung in der breiten Bevölkerung. Es sei gerade diese Widersprüchlichkeit, die bei Trump-Wählern verfängt und besonders eine große Toleranz erfährt: "Pete Hengseth ist jetzt auch schon bei seiner dritten Ehe und doch ein braver, strammer, christlicher Nationalist", gibt Campbell zu Bedenken. Gewissermaßen sei Hengseth "ein Extremist im Frühstücksfernsehen. Er zieht Anzug und Schlips an und man sieht nichts mehr von seinen Tattoos. Früher sagte man dazu ‚Nazis in Nadelstreifen‘. Auch das ist intendiert".

Der deutsch-amerikanische Schriftsteller glaubt allerdings nicht, dass der US-Staat mit der neuen Regierung am Ende ist: "Das Pentagon ist ein riesiger Bürokratie-Apparat. Viele, die ihn reformieren wollten, sind gescheitert. Er kann es versuchen. Man kann darauf vertrauen, dass Institutionen robust und träge sind. Denken Sie allein an die Kirche".

Das Jerusalemkreuz auf Flaggen / © Lerner Vadim (shutterstock)
Das Jerusalemkreuz auf Flaggen / © Lerner Vadim ( shutterstock )

Wahltaktik: Evangelikalen Rückhalt stärken

Dass Trump im Wahlkampf mit religiöser Rhetorik gezielt christliche Wählerschaften mobilisiert hat, ist kein Geheimnis. Laut einer Nachwahlumfrage von Edison Research stimmten 82 Prozent der weißen evangelikalen Wähler für den Republikaner. Insofern ist Tätowierer Silas Becks vom Studio „MOMMY I'M SORRY“ in Stuttgart und Vorsitzender des katholischen Verbands für Tätowierer nicht verwundert darüber, dass der neue Präsident ausgerechnet Pete Hengseth ins US-Kabinett berufen hat. 

Dennoch warnt er vor Pauschalurteilen: „Jeder Mensch hat das Recht dazu, sich nach freier Wahl tätowieren zu lassen. Was wir manchmal vergessen ist, dass hinter diesem Amt ein Privatmensch steckt“. In Europa würden religiöse Tattoos in der Politik vielleicht fanatisch wirken. In den USA sähe das anders aus. „Ob der tätowiert ist oder nicht, das müsste so wenig interessieren, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt“, so Becks. Er hofft, dass Hengseth als bekennender Christ die Würde des Menschen respektiert und sich in seinem Amt von Gott leiten lässt.

Glaubensbekenntnis führte 2021 zu Entlassung 

Dass Hengseth die Motive im Erwachsenenalter hat machen lassen, spricht jedenfalls für eine bewusste Entscheidung. Sie sind weit mehr als ein modisches Accessoire, spiegeln seine Überzeugungen wider. Der 44-Jährige selbst bleibt in der Begründung für die Auswahl seiner Tattoo-Motive dagegen schwammig: „Israel, das Christentum und mein Glaube sind Dinge, die mir sehr am Herzen liegen“, verrät er im Interview mit The Big Lead

Sein Arbeitgeber sah das anders. 2021 wurde Hegseth vor Bidens Amtseinführung aus dem Wachdienst entlassen. Es gab die Befürchtung, der Ex-Veteran sei ein "Extremist" und eine "potenzielle Bedrohung". Hegseth wertete den Rauswurf als Akt der Diskriminierung.

Seinen Einsatz für einen christlich-konservativen Nationalismus mag diese Erfahrung lediglich verstärkt haben. In seinem neuen Amt wird er alles tun, um traditionelle Werte hochzuhalten. Nicht zuletzt deshalb hat Trump ihn nominiert. In einem Social-Media-Post bezeichnete der künftige US-Präsident ihn als "einen wahren Gläubigen an America First". Auch dieses Zitat wäre doch eine schöne Vorlage für ein nächstes Tattoo...

Quelle:
DR