Warum es in einer Kölner Krippe einen vierten König gibt

"Christus ist für alle geboren"

In der Milieukrippe in Sankt Maria in Lyskirchen in Köln standen die Krippenfiguren letztes Jahr zur Corona-Impfung an. In diesem Jahr kommt stattdessen ein vierter König zu Besuch. Was hat es mit der neuen Figur auf sich?

Mann aus der Matthiasstraße (DR)
Mann aus der Matthiasstraße / ( DR )

DOMRADIO.DE: Seit Heiligabend ist das Kind in der Krippe angekommen und am Dreikönigstag bekommt es Besuch von den Heiligen Drei Königen. In ihrer Milieu-Krippe wird es aber in diesem Jahr noch einen vierten König geben. Wer ist das?

Benjamin Marx (Krippenbauer von Sankt Maria in Lyskirchen) (DR)
Benjamin Marx (Krippenbauer von Sankt Maria in Lyskirchen) / ( DR )

Benjamin Marx (Krippenbauer von Sankt Maria in Lyskirchen): Das ist ein Mann aus der Matthiasstraße. Die Matthiasstraße ist ja Teil des Pfarrbezirks von Sankt Maria in Lyskirchen. Wer die Matthiasstraße nicht so genau kennt und dann mal googelt, wird feststellen, dass es auf dieser kleinen Straße sehr viele Lokale für homosexuelle Menschen gibt. Das ist die Gay-Szene der Kölner Südstadt.

Welche sexuelle Orientierung dieser Mann hat, da möchten wir uns gar nicht festlegen. Er ist einfach nur der Mann aus der Matthiasstraße. Wir wollen die Menschen nicht über ihre sexuelle Orientierung definieren, sondern als Nachbarn, als Teil unserer Gemeinde sehen.

DOMRADIO.DE: Warum haben Sie sich entschieden, ausgerechnet diesen Mann aus der Matthiasstraße mit an die Krippe zu stellen?

Marx: Christus ist für alle geboren. Wir haben in der Krippe einen Junkie, wir haben einen Flüchtling, wir haben eine Prostituierte aus der Näscheslgasse, dem ehemaligem Rotlichtbezirk in Köln, und wir haben ganz normales Bürgertum an der Krippe. Christus ist für alle geboren und Weihnachten geschieht für jeden neu, in jedem Jahr. Der Mann aus der Matthiasstraße gehört genauso dazu.

Als die Wäscherin verstorben ist, die ihren Salon auf der Matthiasstraße hat, war genau dieses Publikum im Trauergottesdienst und hat sich als Teil der Gemeinde gefühlt.

DOMRADIO.DE: In der katholischen Kirche in Deutschland gab es im vergangenen Jahr eine Art "Massenouting", die Initiative "Out in Church" nämlich, in der sich dann ganz viele kirchliche Mitarbeiter als queer, lesbisch, homosexuell, divers geoutet haben. Tatsächlich hatte das Konsequenzen, denn daraufhin wurde das kirchliche Arbeitsrecht geändert. Sehen Sie da so etwas wie eine neue Offenheit in der katholischen Kirche und Ihre Figur vielleicht auch in diesem Zusammenhang?

Marx: Ich denke schon, dass es da eine gewisse Offenheit oder eine gewisse Ehrlichkeit gibt. Die Figur, die jetzt neu in die Krippe kommt, ist tatsächlich von Mitgliedern von "Out in Church" gestiftet worden. Sie sind auf mich zugekommen und haben gefragt, ob wir eine solche Figur denn in die Milieukrippe stellen können, weil sie im Kontext mit dem Quartier der Pfarrgemeinde Matthiasstraße sehr gut dahin passt und sie letztendlich da hingehört.

Neu im Milieu: Mann aus der Matthiasstraße (DR)
Neu im Milieu: Mann aus der Matthiasstraße / ( DR )

DOMRADIO.DE: Rechnen Sie auch mit negativen Reaktionen?

Marx: Das kann schon passieren. Als im letzten Jahr die Impfpässe in der Krippe abgebildet waren, da war mein Mailfach immer voll mit irgendwelchen Reaktionen. Aber ich kenne die Löschen-Taste auf meinem PC und das ist für mich kein Problem.

DOMRADIO.DE: Sie haben also den Mann aus der Matthiasstraße ganz neu für die Krippe anfertigen lassen. Wie müssen wir uns das denn vorstellen?

Marx: Ziemlich aufwendig. Das ist immer ein etwas längerer Prozess. Ich überlege dann: Was für eine Gestalt kann das sein? Wie könnte die aussehen? Wie kann man eine Botschaft transportieren? Dann entsteht erst einmal eine Zeichnung auf Papier, in etwa in der Größe, in der die Figur entsteht. Dann wird ein Hohlkörper geschnitzt. Dieser Hohlkörper oder diese Teile des Körpers, die der Bildhauer Leif-Erik Voss aus Siegburg gemacht hat, werden dann mit Draht miteinander verbunden.

In dem Fall hat dieser junge Mann auch relativ hohe Stiefel, die momentan noch über die Jeans verdeckt sind. Aber man kann sie hochkrempeln. In Brühl gibt es eine Schneiderin, Annette Christoffel, die ich gefunden habe, die den Mann sehr kreativ angezogen hat. Sie hat dann die Rose genäht und ihm eine Lederjacke verpasst, was ich besonders als i-Tüpfelchen empfinde. Sie hat ihm eine kleine Ledermütze genäht, deren Deckel aus acht Teilen besteht. Ich frage mich bis heute, wie sie das zusammennähen konnte.

DOMRADIO.DE: Wie lange lassen Sie denn die Krippe in Sankt Maria in Lyskirchen stehen? Wie lange haben die Leute Zeit, diesen vierten König selbst zu sehen?

Marx: Die Figur kommt am Freitag in die Krippe und man kann die Figur bis zum 2. Februar einschließlich sehen. Wir beenden die Krippenzeit immer mit Mariä Lichtmess. Da sind wir wieder ganz traditionell.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Krippe

Krippen sind Futtertröge. In der Heiligen Schrift werden sie im Zusammenhang mit der Geburt Jesu erwähnt. Beim Evangelisten Lukas heißt es: Maria "gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war." 

Als Krippe wird auch die ganze figürliche Darstellung der Geburtsszene bezeichnet. Erstmals als Abbildung des Geburtsgeschehens Jesu sind Krippen im 16. Jahrhundert in Italien und Spanien nachweisbar, bald darauf auch in Süddeutschland. 

Krippendarstellung der Heiligen Familie / © Annamaria Zappatore (shutterstock)
Krippendarstellung der Heiligen Familie / © Annamaria Zappatore ( shutterstock )
Quelle:
DR