DOMRADIO.DE: Müssen Sie auch häufiger Interessenten für einen Hospizplatz vertrösten?
Lukas Wester (Pflegedienstleiter St. Hedwig Hospiz in Köln-Rondorf): Ja, das ist tatsächlich leider so. Wir erleben das ganz häufig, dass Menschen anrufen und natürlich in großer Not sind, weil Angehörige von Ihnen oder sie selber auf der Suche nach einem Hospizplatz sind. Und wir haben ein begrenztes Kontingent. Und dieses begrenzte Kontingent ist natürlich auch immer nur frei, wenn jemand verstirbt. Das heißt, wir können einen Platz vergeben, wenn eine Person, die hier zu Gast war, verstorben ist. Das bringt natürlich Probleme mit sich, weil wir insgesamt zu wenig Plätze für Köln haben. Das führt nicht selten dazu, dass wir die Menschen dann am Telefon beraten können oder dass sie auch zu einem Beratungsgespräch zu uns ins Haus kommen, wir ihnen letzten Endes aber gar keinen Platz bei uns in der Einrichtung anbieten können.
DOMRADIO.DE: Wie lange muss man denn, wenn man bei Ihnen anruft oder eine Beratung wahrnimmt, auf einen Platz warten?
Wester: Das ist ganz unterschiedlich. Das ist ja ein Prozess, der einer großen Fluktuation unterliegt. Wir haben manchmal Gäste, die insgesamt sehr stabil sind. Und das heißt, wir können dann auch über Wochen gar keinen neuen Gast aufnehmen. Es kann aber auch sein, dass wir einige Gäste haben und in kürzester Zeit versterben viele Menschen auf einmal. Und dadurch werden dann Kapazitäten frei. Es kann also auch durchaus sein, dass eine Aufnahme sehr kurzfristig möglich ist. Meistens ist das aber nicht der Fall. Aus diesem Grund beraten wir auch immer in die Richtung oder geben das an verschiedenen Schaltstellen weiter, dass wir es begrüßen, eine möglichst frühe Anmeldung vorzunehmen.
DOMRADIO.DE: Stellen Sie denn auch fest, dass der Bedarf insgesamt steigt? Und wenn ja, was sind die Gründe dafür?
Wester: Das ist mannigfaltig, würde ich sagen. Wir haben einmal den demografischen Wandel, der natürlich ganz klar die Überalterung der Gesellschaft mit sich bringt, was ja auch auf der einen Seite eine sehr schöne Sache ist, dass wir immer älter werden. Aber wir haben natürlich auch einen viel größeren Bedarf in pflegerischer oder auch medizinischer Unterstützung. Alleine dadurch entsteht natürlich ein höherer Bedarf. Es ist aber auch so, dass durch den demografischen Wandel gegebenenfalls die Kinder oder Enkel nicht mehr an der gleichen Stelle wohnen wie man selbst. Und wenn man dann einen Palliativbedarf hat, kann es durchaus auch sein, dass man gar nicht in der Stadt, in der man wohnt, in ein Hospiz ziehen möchte, sondern vielleicht dort, wo die Kinder gerade wohnen. Das heißt, wir bekommen zusätzlich auch aus anderen Städten Anmeldungen.
DOMRADIO.DE: Das heißt, der Mangel an Hospizplätzen wird noch größer werden?
Wester: Das mit Sicherheit. Und da kommen wir eigentlich wieder zur Ursprungsfrage der Hospizbewegung: Dass man die Hospizarbeit und insgesamt auch die Palliativversorgung nicht an Orten oder Einrichtungen festmacht, sondern dass man diese Angebote in die Breite tragen muss. Und das ist tatsächlich ein gesamtgesellschaftliches Szenario, weil wir uns dann fragen müssen: Wie wollen wir eigentlich unser Lebensende gestalten und was ist in dem Punkt wichtig und welche Akteure aus dem Sozialraum kann man da mit einbinden? Die Stadt Köln macht das mit der "Caring Community Köln".
DOMRADIO.DE: Es gibt ja auch Palliativstationen in Krankenhäusern. Was ist denn der Unterschied zu einem Hospiz?
Wester: Grundsätzlich kann man sagen, dass wir im Hospiz versuchen, sehr nah an der Häuslichkeit orientiert zu arbeiten. Schon vom Wording her ist das ein Unterschied. Im Hospiz haben wir keine Patienten sondern Gäste. Das heißt, wir sind eine gastorientierte Einrichtung. Das bringt für uns mit, dass wir die Häuslichkeit, wie sie jemand bei sich in der Wohnung oder im Haus hatte, nicht ersetzen können. Aber dass wir versuchen, möglichst nah dran zu sein. Das zeigt sich durch so ein paar kleine Feinheiten im Alltag. Zum Beispiel ein weich gekochtes Ei. Die Menschen, die zu uns kommen, haben in der Regel einen Behandlungsmarathon hinter sich, sind durch viele Kliniken gegangen, in denen relativ strikte Hygienekonzepte gelten, was ja auch sehr sinnvoll ist. Wir haben hier ein bisschen freiere Hand und alleine ein weich gekochtes Ei am Morgen bedeutet für viele Menschen Lebensqualität. Das können diese kleinen Dinge sein.
Bei Zugängen, um Medikamente zu verabreichen, legen wir in der Regel subkutane Zugänge, also kleine Nadeln, die unter die Haut gelegt werden. Das ist nicht so invasiv wie zum Beispiel ein intravenöser Zugang. Auch das ist tatsächlich für diese Menschen häufig einfach noch mal ein klarer Cut, dass sie diese Behandlungszeit, die sie im Krankenhaus hinter sich hatten oder jetzt hinter sich bringen, dann abschließen können und dass wir hier möglichst wenig invasiv vorgehen. Das ist gar nicht zu unterschätzen, weil das eine hohe Symbolwirkung mit sich bringt.
DOMRADIO.DE: Das Sankt Hedwig Hospiz ist ja ein Hospiz in katholischer Trägerschaft. Macht sich dieser christliche Background auch bemerkbar in der Praxis?
Wester: Ja, auf jeden Fall. Unser Seelsorger ist ein frommer Laie und Voll-Theologe. Wir beziehen die spirituelle oder auch die christliche Komponente ganz klar mit ein. Das ist ein Angebot, das unterschiedlich wahrgenommen wird. Es kann zum Beispiel sein, dass jemand mit uns die Kapelle besuchen möchte. Wir haben eine Kapelle im Haus. Es kann aber auch sein, dass im ganz alltäglichen pflegerischen Kontext die Frage gestellt wird: Wie geht es eigentlich weiter, wenn ich verstorben bin? Wir merken, dass diese Fragen und diese Bedürfnisse am Lebensende noch mal eine wichtige Rolle spielen und dass wir natürlich dann gerade auch aus diesem christlichen Kontext zumindest irgendwie eine Begleitung bieten können. Ob die jetzt stimmig ist und passend für jeden einzelnen, das sei dahingestellt. Aber das Angebot ist auf jeden Fall gegeben.
Das Interview führte Elena Hong.