Warum im Bistum Essen jetzt auch Frauen taufen

Ein Zeichen der Vielfalt

17 nicht geweihte Seelsorgerinnen und ein Seelsorger sind beauftragt im Bistum Essen das Sakrament der Taufe zu spenden. Doch die neuen Taufspenderinnen und der Taufspender mussten auf ihre neue Aufgabe vorbereitet werden.

Eine Mutter hält ihr Kind über das Taufbecken und ein Diakon träufelt Weihwasser über den Kopf des Täuflings.  / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Mutter hält ihr Kind über das Taufbecken und ein Diakon träufelt Weihwasser über den Kopf des Täuflings. / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ursprünglich durften ja nur Bischöfe taufen, dann geweihte Priester und Diakone und im Bistum Essen jetzt eben auch Frauen. Mit dieser Pionierentscheidung reagiert Bischof Overbeck auf den akuten Priester- und Diakonenmangel. Was ist das für ein Signal?

Theresa Kohlmeyer (Leiterin Abteilung Glaube, Liturgie und Kultur im Bistum Essen): Worauf er natürlich reagiert, ist, dass unsere Taufen konstant bleiben, was wunderbar ist. Gleichzeitig geht aber die Zahl derer zurück, die ordentlich taufen dürfen. Das heißt, so wie es schon in der Kirchengeschichte immer wieder einmal passiert ist, müssen wir hier aus der Not eine Tugend machen.

Die Theologin Therese Kohlmeyer hat die Ungeweihten auf ihre neue Aufgabe der Taufspende vorbereitet. / © Nicole Cronaug (Bistum Essen)
Die Theologin Therese Kohlmeyer hat die Ungeweihten auf ihre neue Aufgabe der Taufspende vorbereitet. / © Nicole Cronaug ( Bistum Essen )

Wir haben die Notsituation und dürfen da die wunderbare Tugend draus machen, Männer und Frauen, die ohnehin schon im pastoralen Dienst stehen, noch einmal ihren Begabungen, ihren Charismen entsprechend in diesen Dienst zu nehmen. Das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass wir diese Vielfalt unserer pastoralen Mitarbeitenden wahrnehmen und ernst nehmen.

DOMRADIO.DE: Die neuen Taufspenderinnen übernehmen dieses Amt mit einer kirchenrechtlichen Ausnahmegenehmigung. Was genau bedeutet das?

Theresa Kohlmeyer: Das bedeutet vor allem, dass das Kirchenrecht erst einmal einen ordentlichen Spender vorsieht – wie es in der Sprache des Kirchenrechts heißt. Und das sind eben die Priester und Diakone. Daneben gibt es aber auch die außerordentlichen Spender. Und da sind wir bei der Ausnahmesituation. Sobald ich nämlich für eine Pfarrei oder einen anderen Bereich die pastorale Notwendigkeit definieren kann, dass außerordentliche Spenderinnen und Spender eingesetzt werden sollen, hat der jeweilige Diözesanbischof das Recht, genau das zu tun.

Taufe

Die Taufe ist das erste und grundlegende Sakrament. Durch die Taufe wird der Mensch in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen. Die Taufe begründet die besondere, unauflösbare Gemeinschaft des Getauften mit Christus.

Symbolbild: Taufe / © Ruslan Lytvyn (shutterstock)

Eine solche Ausnahmesituation ist bei uns eingetreten. Die Pfarreien, in denen wir jetzt die ersten Spenderinnen und Spender beauftragt haben, haben diese pastorale Notwendigkeit nachgewiesen, haben den Antrag auf außerordentliche Spender gestellt und den Zuschlag bekommen. Damit bekommen sie jetzt die ersten Damen und Herren, die da taufen dürfen.

DOMRADIO.DE: Trotzdem ist dieser Dienst zunächst auf drei Jahre befristet. Warum?

Theresa Kohlmeyer: Die Einführung an sich ist gar nicht befristet. Die Damen und Herren selbst, die sind tatsächlich befristet beauftragt, um später noch einmal die Möglichkeit zu haben und sagen zu können: ‚Bei mir haben sich die Aufgaben verschoben‘ oder ‚Ich habe ein anderes Profil in der Stelle, ich muss meine anderen Aufgaben anders kalkulieren‘. Es geht darum, dass sie also noch einmal einen Exitmoment bekommen. Denn gleichzeitig sind sie auch nur für ihre Pfarrei beauftragt; wenn sie die Pfarrei wechseln, nehmen sie diese Beauftragung nicht mit.

DOMRADIO.DE: Sie haben ja die neuen Taufspender mit einer viertägigen Fortbildung auf diese neue Aufgabe vorbereitet. Was stand da im Mittelpunkt?

Theresa Kohlmeyer: Im Mittelpunkt standen vor allem drei Dinge: Zum einen ging es darum, sich der Taufe noch einmal theologisch zu nähern, also wirklich noch einmal auf Ursprung zu schauen und zu fragen: ‚Was ist eigentlich in der Situation passiert, die uns biblisch überliefert ist. Was war bei der Taufe Jesu und was war da die Haltung des Täufers, die sich da erkennen lässt? Welche Haltung ist für mich als Taufende wichtig?

Natürlich war auch das praktische Üben wichtig, weil wir die Damen und Herren nicht einfach ins kalte Wasser werfen wollten. Wir wollten, dass sie souverän sind, wenn sie ihre erste Taufe vollziehen. Ein weiterer wichtiger Punkt war der der Reflexion: Was bedeutet es, wenn ich jetzt taufe? In welche Rolle komme ich da? Welche Verantwortung habe ich, wenn ich Kinder in die Kirche aufnehmen darf, wenn ich ihnen zusprechen darf? ‚Du bist Gottes geliebtes Kind, du bist Gottes geliebter kleiner König.‘ Was bedeutet das auch für mich, in Bezug auf meine eigene Taufe, aber auch meine Taufberufung?

DOMRADIO.DE: Tauffamilien wünschen sich heute eine immer individuellere Begleitung und Gestaltung der Tauffeier. Welche Rolle können da die neuen Taufspenderinnen spielen?

Theresa Kohlmeyer: Eine ganz große Rolle, einfach weil sie viel Kapazität bei sich mitbringen und auch freimachen. Damit möchte natürlich nicht sagen, dass sie nichts zu tun haben. Aber wenn ich natürlich an den ursprünglichen Kreis der ordentlichen Taufspender denke, ist es denen natürlich irgendwann nicht mehr möglich, jeden Wunsch zu erfüllen und auf jede individuelle Anregung zu reagieren.

Wenn ich Sakramente und Sakramentalien etwas böse gesagt runterfeiern muss, weil ich zeittechnisch einfach keine andere Möglichkeit habe. Wenn wir jetzt aber die Taufen auf mehrere Schultern verteilen, bringt das auch die Chance, auf den einen oder den anderen Wunsch individuell einzugehen, sich mehr Zeit nehmen zu können für das Gespräch vorher, aber auch für die Vorbereitung der Taufe und der Feier an sich.

Das Gespräch führte Julia Reck.

Quelle:
DR