DOMRADIO.DE: Martin Luther erklärte den Weihnachtsbaum im 15. Jahrhundert zum Symbol der Protestanten. Und tatsächlich stehen noch gar nicht so lange Weihnachtsbäume auf dem Petersplatz. Wann und wie hat denn diese Tradition angefangen?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Autor): Ich würde das gar nicht als protestantisches Mahnmal sehen. Das wird auch von den meisten Leuten gar nicht so begriffen und ist auch wahrscheinlich in der Geschichte gar nicht so akzentuiert worden. Der Weihnachtsbaum auf dem Petersplatz steht seit 1982, also unter Johannes Paul II. ist er dort hingekommen.
DOMRADIO.DE: Wie waren denn damals die Reaktionen bei den Gläubigen und vor allem beim Vatikan-Klerus?
Nersinger: Ich weiß von keinen negativen Äußerungen. Das war kurz vor meiner Studienzeit in Rom, und ich kann mich nicht entsinnen, dass sich irgendjemand negativ über den Weihnachtsbaum geäußert hat.
Man war froh, so etwas zu haben. Man ist mit den Familien dort hingegangen. Ich habe auch viele Kleriker, viele Ordensschwestern gesehen, die staunend vor dem Baum standen.
Also ich denke, das ist keine Ideologie gewesen, die man diesem Baum dann entgegenbrachte. Im Gegenteil, man hat sich gefreut und ich denke, das war ja auch etwas Verbindendes.
DOMRADIO.DE: Aber der Weihnachtsbaum kam vergleichsweise spät: Anfang der 80er Jahre. Warum eigentlich?
Nersinger: Auch in Rom haben sich die Weihnachtsbräuche geändert. Zum Beispiel war früher die Bescherung eher am 6. Januar zur Epiphanie und heute sind die italienischen Kinder glücklich, weil sie nun eigentlich zweimal Bescherung bekommen, zu Weihnachten und am 6. Januar.
DOMRADIO.DE: Der Vatikan bekommt die Bäume jedes Jahr geschenkt. Wie bewirbt man sich denn, um auch mal so einen Baum stiften zu dürfen?
Nersinger: Da gibt es ein bestimmtes Verfahren. Man bietet das an und dann gibt es eine Behörde im Vatikan, die die weltliche Verwaltung des Vatikanstaates betreut, und diese Behörde prüft dann die einzelnen Kriterien, ob die erfüllt sind. Wie die jetzt genau sind, das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Aber das sind sehr strenge Kriterien und ich denke, man ist doch sehr darauf bedacht, vor allem mit Blick auf Umweltverträglichkeit, da keine Fehler zu machen.
DOMRADIO.DE: Wo kommt der Baum dieses Jahr her?
Nersinger: Dieses Jahr kommt der Baum aus Norditalien aus der Provinz Trentino und ist eine Rottanne, die fast 30 Meter hoch ist. Und es gab natürlich wieder Kritik. Aber diese Kritik muss man sich ganz genau anschauen.
DOMRADIO.DE: Was ist das für eine Kritik? Wer hat da irgendwie was auszusetzen?
Nersinger: Ja, es gab eine Umweltorganisation, von der man eigentlich so gut wie nichts wusste und viele vermuten, dass solche Organisationen solche Gelegenheiten nutzen, um sich etwas bekannter zu machen. Man hat gegen das Fällen des Baumes protestiert.
Manche sprachen sogar von einem Massaker an Bäumen. Obwohl ich so etwas schon fast blasphemisch sehe. Wenn wir in die heutige Welt schauen, da sehen wir wirkliche Massaker. Massaker an Menschen in Kriegsgebieten oder auch auf Weihnachtsmärkten, aber nicht an Bäumen. Also mich stößt so etwas schon ab.
Man will natürlich die Aufmerksamkeit haben. Aber man hat anscheinend keinerlei ökologische Ausbildung gehabt oder nicht gesehen, dass Bäume ja auch gefällt werden müssen, dass es Aufforstung gibt uns so weiter. Diese Bedingungen sind, glaube ich, alle erfüllt worden und es gab auch beim Fällen und beim Abtransport keine Demonstrationen. Der Bürgermeister der Schenkungsgemeinde hat gesagt, unsere Gegner sitzen jetzt an den Tastaturen ihrer Computer.
DOMRADIO.DE: Es gibt immer wieder auch Ärger rund um die Weihnachtsbaumgeschenke. Ich erinnere mich im Jahr 2000, da kam der Baum vom damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider, dem mittlerweile verstorbenen Rechtspopulisten aus Kärnten. Wie ist man im Vatikan mit diesen Diskussionen damals umgegangen?
Nersinger: Ich denke, man weiß im Vatikan, dass Weihnachtsbäume kein Parteibuch haben und ich denke auch, dass egal wie man jetzt zu dem Politiker oder zu dem Land steht, wenn das ein legitim gewählter Politiker ist, warum soll man da Einspruch erheben? Ich denke, da ist man im Vatikan politisch weitaus weitsichtiger als manchmal bei der Presse oder in der öffentlichen Meinung.
DOMRADIO.DE: Wie werden die Bäume geschmückt? Hat das eine bestimmte Symbolik?
Nersinger: Das ist nicht genau festgelegt. Einmal haben ihn Kinder eines Heimes geschmückt. Das ist sehr vielfältig, da kann man keine festen Anforderungen ausmachen.
DOMRADIO.DE: Wie hält es denn eigentlich Papst Franziskus mit dem Weihnachtsbaum?
Nersinger: So genau weiß man das nicht. Aber man weiß, dass er jedes Jahr die Leute aus der Gemeinde, aus der dieser Baum kommt, empfängt und sich bei ihnen bedankt. Ich denke, dass er der Sache doch sehr zugeneigt ist.
Das Interview führte Carsten Döpp.