2018 ist für Litauen ein besonderes Jahr: Das kleine Land am Rande der EU, das immer wieder - erst von den Deutschen, dann von den Russen okkupiert wurde - feiert einhundert Jahre Unabhängigkeit.
Die Straßen versinken in einem Fahnenmeer in der litauischen Trikolore; gelb, grün und rot. Nur an den Kirchen hängen die Fahnen nicht - dort lächelt stattdessen der Papst von großen Bannern oder kleinen Faltblättern den Litauern zu.
Zuletzt war Papst Johannes Paul II. in Litauen
Der Papstbesuch an diesem Samstag und Sonntag ist für die Nation wichtig, die in den vergangenen 25 Jahren ein Viertel seiner Bewohner ans Ausland verloren hat. Nicht nur die Emigration von vor allem jungen Menschen stellen ein Problem dar, das die Kirche beschäftigt, sagt Gintaras Grušas, der Erzbischof von Vilnius: "Es gibt auch viele Schwierigkeiten, die auf den Menschenhandel bei uns zurückzuführen sind. Außerdem sind eine Menge Menschen verstrickt in Zwangsarbeit, hängen in der Sex-Industrie fest oder haben mit dem organisierten Verbrechen zu tun und werden ausgetrickst, in andere Länder geschmuggelt und dort versklavt. Die Kirche und der Staat gehen diese Probleme an und das sind alles Themen, die auch den Papst interessieren und über die er oft spricht."
Hohe Erwartungen an die Worte des Papstes
Vom Papstbesuch erwartet der in den USA geborene Bischof deshalb viel. Allein die Worte des Kirchenoberhaupts seien stark genug, um etwas zu bewegen. Litauen habe das vor 25 Jahren schon erleben können, als Johannes Paul II. zu Besuch war.
"Zu sehen, dass er sich für die Menschen hier interessierte, hat der Bevölkerung viel Kraft, Mut und Inspiration gegeben. Es ist gerade diese persönliche Fürsorge des Papstes, die er allen Menschen entgegenbringt - ob katholisch oder nicht."
Menschenhandel, Sex-Arbeit und Sklaverei
Seit der Staatsgründung habe der Vatikan die Nation Litauen und die Kirche dort unterstützt, erinnert Bischof Grušas. Diese Schützenhilfe sei vor allem in Zeiten der Besetzung durch Russland fundamental wichtig für das Überleben der Kirche in Litauen gewesen.
Der Kommunismus habe Spuren hinterlassen, die noch heute das kollektive Gedächtnis prägen und es auch der Kirche schwer machen, der immer wieder ein generelles Misstrauen der sonst sehr offenen und herzlichen Menschen entgegenschlägt: "Nach 50 Jahren Okkupation bauen wir hier wieder eine Kirche auf - physikalisch und was noch viel wichtiger ist - menschlich. Wir bieten wieder Religionsunterricht in den Schulen an, es gibt wieder Ehe-Vorberteitungskurse und wir haben unseren eigenen Nationalen Jugendtag, der die Menschen zusammenbringt. All das war 50 Jahre lang nicht möglich. Glaubensbücher lesen oder den Katechismus - das musste alles heimlich passieren."
Die Wiedergeburt der litauischen Kirche
Die Kirche in Litauen werde gerade wiedergeboren, berichtet der Erzbischof - immerhin: auf dem Papier sind ungefähr 80 Prozent der Litauer katholisch. Den Gottesdienst würden aber nur wenige besuchen - die Gründe sieht er im historischen Erbe des Landes: "Wir können so viele Kirchen aufbauen und öffnen, wie wir wollen, aber wenn die Menschen nicht daran gewöhnt sind, in die Messe zu gehen, sondern sich zu verstecken, dann dauert es, bis sie kommen. Die Menschen stammen aus einer Gesellschaft, in der man den nahen Kontakt zum anderen oder gar einer Gemeinschaft scheute, weil man verraten werden konnte."
Dagegen anzukämpfen sei nicht einfach, gibt Bischof Grušas zu - zumal längst eine Art westlicher Relativismus der Kirche Konkurrenz mache, auch in Litauen.