Fünf Fragen und Antworten zum Fall Pell

Was das Berufungsurteil bedeutet

Die Hoffnung auf einen Freispruch hat sich für Kardinal George Pell vorerst zerschlagen. Das Oberste Gericht des Bundesstaats Victoria wies die Berufung des früheren vatikanischen Finanzchefs zurück. Fragen und Antworten zu dem Fall.

Autor/in:
Michael Lenz und Roland Juchem
Kardinal George Pell vor dem Gericht in Melbourne (Archiv) / © Daniel Pockett/AAP (dpa)
Kardinal George Pell vor dem Gericht in Melbourne (Archiv) / © Daniel Pockett/AAP ( dpa )

Welche Gründe hatte Pell gegen das Urteil der Vorinstanz vorgebracht?

Pells Anwälte hatten die Glaubwürdigkeit des einzigen Belastungszeugen bezweifelt. Die Verurteilung, die allein auf der Aussage eines Betroffenen basiere, sei "nicht zweifelsfrei" möglich gewesen, so ihre Argumentation. Das Urteil sei daher "unangemessen".

In zwei weiteren Punkten führten die Anwälte Form- und Verfahrensfehler an. So sei Pell nicht in Anwesenheit der Geschworenen gefragt worden, ob er sich schuldig bekenne. Zudem habe die Verteidigung ein Video nicht vorführen dürfen, um zu beweisen, dass der zur Last gelegte Akt des sexuellen Missbrauchs faktisch unmöglich gewesen sei.

Wie hat das Gericht diese Argumente zurückgewiesen?

Den wichtigsten Berufungspunkt wiesen die drei Richter mit zwei zu eins Stimmen zurück. Die Vorsitzende Richterin Anne Ferguson und ihr Kollege Chris Maxwell sahen keinen stichhaltigen Grund, an den Aussagen des mutmaßlichen Missbrauchsopfers zu zweifeln. Der Schuldspruch gegen Pell sei daher - in Anbetracht der Beweislage - nicht rechtswidrig. Die übrigen Berufungsgründe wegen angeblicher Verfahrensfehler verwarfen die Richter einstimmig.

Wie lautet das Minderheitsvotum des Richters Mark Weinberg?

Richter Weinberg sprach sich in seinem Minderheitsvotum für eine Freilassung Pells aus. Er sei von der Aussage des Belastungszeugen nicht überzeugt und könne nicht ausschließen, dass der ehemalige Chorknabe sich Teile seiner Ausführungen "ausgedacht" habe.

Hat Pell noch weitere Berufungsmöglichkeiten?

Gegen die Bestätigung des Urteils ist innerhalb von vier Wochen eine letzte Berufung vor dem Obersten Gericht Australiens möglich.

Muss der Vatikan Pell aus dem Priesterstand entfernen?

Eine Entlassung aus dem Priesterstand als Strafe kann nur Folge eines eigenen kirchlichen Verfahrens sein. Wenn diese Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, dass Pell des Missbrauchs oder einer Vertuschung schuldig ist, kann der Papst ihn aus dem Priesterstand entlassen - oder auch nur aus dem Kardinalsstand.

Die Entlassung aus dem Klerikerstand ist die höchste Strafe, die die Kirche gegen Geistliche verhängen kann. Zuletzt hatte der Vatikan im Februar eine solche Strafe gegen den ehemaligen Washingtoner Erzbischof Theodore McCarrick verhängt, der aber von keinem weltlichen Gericht verurteilt worden war.

Quelle:
KNA