DOMRADIO.DE: So ein Kurs umfasst sieben Sitzungen, dauert jeweils drei Stunden. Sollen da die Paare gemeinsam hinkommen, die gerade in der Trennungsphase sind?
Nora Klar (Katholische Ehe-, Familien und Lebensberatung in Wuppertal): Nein, der Kurs ist so aufgebaut, dass es parallele Nachmittage/Abende gibt für jeweils einen Elternteil, das heißt, das Elternpaar ist nicht im gleichen Raum, sondern für den einen findet es zum Beispiel dienstagabends statt und für den anderen am Donnerstagabend.

Das läuft nicht zusammen in einer Gruppe, beide lernen aber die gleichen Inhalte kennen. Vor allen Dingen ist es noch mal wichtig zu sagen: Es ist natürlich wünschenswert, dass beide Elternteile teilnehmen. Es ist aber auch machbar, dass nur ein Elternteil an dieser Gruppe teilnimmt.
DOMRADIO.DE: Was ist denn das erste, das sie lernen?
Klar: An den sieben Abenden geht es darum, die Kinder in den Fokus zu nehmen. Das heißt zu überlegen: Wie können wir als Eltern gut miteinander kommunizieren, dass es dem Kind in dieser Trennungssituation gut geht? Worauf müssen wir achten, dass das Kind nicht das Gefühl bekommt, zwischen den Stühlen zu stehen?
Oder wie rede ich über den anderen Elternteil, wenn das Kind dabei ist? Wie rede ich über den anderen Elternteil, damit das Kind nicht das Gefühl bekommt, in einen Loyalitätskonflikt zu geraten? Solche Themen sind sehr wichtig.
Wie bespreche ich Dinge, die das Kind angehen, auf einer wenig emotionalen Ebene? Denn man war vorher ein Liebespaar oder ein Paar. Und da spielt ganz viel Emotionalität und Verletzung eine Rolle. Und wie kann ich kommunizieren, dass dieses ganze Emotionale vielleicht auch rausfällt...
DOMRADIO.DE: Man hört immer wieder den Satz: Wir bleiben als Eltern für die Kinder da. Das ist aber nicht immer machbar. Was braucht ein Kind denn in der Trennungsphase?
Klar: Es ist erst mal wichtig, dass man sagt: Wir trennen uns, Mama und Papa leben und wohnen nicht mehr zusammen, aber wir sind beide für dich da. Mama ist für dich da und Papa ist für dich da. Das wird sich für dich nicht ändern. Und dass das Kind das dann auch erlebt.

Dass man das nicht nur sagt, sondern dass das Kind auch erlebt: Auch wenn Mama und Papa nicht mehr zusammen leben, sind sowohl Mama als auch Papa für mich da. Das heißt, beide übernehmen elterliche Pflichten, auch so etwas wie vom Kindergarten abholen und hinbringen, zum Elternsprechtag gehen, etc. Dass beide Elternteile jeweils präsent sind.
Das ist natürlich die optimale Version. Wie Sie gerade schon gesagt haben, ist das nicht immer möglich - aus zeitlichen Kapazitäten oder was auch immer. Aber wichtig ist erst mal, dass das Kind vermittelt bekommt: Beide sind für dich da, beide haben dich lieb und wir haben uns nicht getrennt wegen dir. Du hast damit überhaupt nichts zu tun. Das passiert auf Eltern- oder auf Erwachsenenebene.
DOMRADIO.DE: Andererseits sind Väter und Mütter auch nur Menschen. Die können Wut, Trauer, Verlustängste nicht vermeiden und das Kind nicht immer von allem fernhalten. Wie viel Konflikt kann man einem Kind zumuten, ohne dass man gleich ein schlechtes Gewissen hat?
Klar: Das ist gar nicht das Ziel, dass man keine Traurigkeit oder Wut zeigt. Das Kind darf auch mal mitbekommen, dass vielleicht irgendetwas schlecht in der Kommunikation zwischen den Eltern gelaufen ist. Das darf sein.
Kinder dürfen Gefühle miterleben und die bekommen Kinder auch mit. Das ist etwas, das für die Kinder auch stärkend sein kann. Das zeigt dem Kind: Wenn ich mal traurig bin, darf ich meine Traurigkeit zeigen.
Es geht aber darum sicherzustellen, dass das Kind nicht derjenige Teil ist, der das quasi trägt. Also zu sagen: Okay, Mama ist traurig, der geht es gerade nicht gut. Man darf auch vor dem Kind weinen, aber Mama kümmert sich um sich. Ich kümmere mich um mich und suche mir Unterstützung. Ich habe jemanden, der mir hilft. Ich gehe in die Beratungsstelle.
Es geht darum, die Verantwortung nicht beim Kind zu lassen und zu zeigen: Ich trage Verantwortung für mich. Das ist auch nochmal ganz wichtig.
DOMRADIO.DE: Sie leiten solche Kurse. Das sind sieben Sitzungen à drei Stunden. Was nehmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach 21 Stunden mit? Was haben Sie da schon erlebt?
Klar: Erst mal ist es total schön, dass da Leute sitzen, die alle in der gleichen Situation sind und sich auch austauschen können. Das ist etwas sehr Wertvolles. Und gleichzeitig kann man in diesen Sitzungen auch ein Gefühl für sein Gegenüber bekommen, also für den Ex-Partner, die Ex-Partnerin, dass man so ein bisschen lernt, sich auch in die Lage des Anderen hineinzuversetzen.
Denn in den Kursen sitzen nicht nur Mamas, sondern auch Papas. Das heißt, man lernt, aus den Augen des anderen zu gucken. Und so einen Perspektivwechsel einzunehmen, das ist häufig sehr hilfreich.
Das Interview führte Heike Sicconi.