Die lokale Presse jubiliert bereits: Wenn am kommenden Donnerstag und Freitag die Außenminister der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer nach Bonn reisen, ist endlich mal wieder die Spitzendiplomatie zu Gast in der ehemaligen Hauptstadt. Von "dem" politischen Großereignis seit der Afghanistan-Konferenz 2011 ist die Rede. Polizeisperren sind angekündigt, Demonstranten laufen sich warm - fast so wie zu alten Zeiten.
Treffen mit "explorativen Charakter"
Was sich allerdings geändert hat, sind die vielen Krisen rund um die Welt. Und eine neue US-Regierung unter Donald Trump, von der momentan noch niemand so recht weiß, wohin die Reise geht. Nicht nur deswegen hat das Treffen in Bonn einen eher "explorativen Charakter", wie Axel Berger vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) festhält.
Eigentlich, so der G20-Experte des Think Tanks, spielt die Außenpolitik bei den Gesprächen der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern und der EU eine untergeordnete Rolle.
Das Hauptaugenmerk lag lange Zeit auf Finanz- und Wirtschaftsfragen; in den Gründungsjahren seit 1999 trafen sich in dieser Runde deswegen zunächst die Finanzminister und Notenbankchefs. Aber der Wind hat sich gedreht. So bekannten sich die Staats- und Regierungschefs auf dem letzten G20-Gipfel im chinesischen Hangzhou ausdrücklich zu der Agenda 2030 - mit der die internationale Staatengemeinschaft die Lebensbedingungen aller Menschen und in allen Ländern auf umweltverträgliche und gerechte Weise voranbringen will.
Deutschland hat in diesem Jahr die G20-Präsidentschaft inne - und den Faden aufgegriffen. Das Außenministertreffen am Donnerstag und Freitag soll auch den G20-Gipfel am 7. und 8. Juli in Hamburg vorbereiten und trägt das Motto "Gestaltung globaler Ordnung - Außenpolitik jenseits des Krisenmanagements". Was konkret dabei herausspringen wird? Abwarten, meint DIE-Experte Berger. "Wichtig ist, dass die Politiker überhaupt miteinander reden."
Genau hinschauen
Ähnlich äußert sich Ulrich Post, Leiter des Bereichs Politik und Außenbeziehungen bei der Welthungerhilfe. Schließlich sind mit Russland, den USA, China, der Türkei und Brasilien Staaten mit sehr unterschiedlichen Interessen zugegen. Spektakuläre Ergebnisse seien dabei kaum zu erwarten. Trotzdem will Post genau hinschauen. Wo ist der Platz der Entwicklungspolitik zwischen den immer dringlicher vorgetragenen Bedürfnissen der Außen- und Sicherheitspolitik?
"Ich habe die Sorge, dass die Entwicklungszusammenarbeit dem Sicherheitsbestreben der reichen Staaten untergeordnet wird", sagt Post. Sein Kollege von Misereor, Bernd Bornhorst, erläutert es an einem Beispiel: Der "Kampf gegen Fluchtursachen" dürfe nicht zu einem "Kampf gegen Flüchtlinge und deren Zuzug in die reichen Länder des Westens" werden.
Eine Schlüsselrolle spielen die USA, da sind sich Berger, Post und Bornhorst einig. "Alles blickt derzeit nach Washington", sagt Berger.
Aus Bonn soll ein Signal ausgehen
Wird die Regierung Trump bereit sein, sich konstruktiv in internationale Verhandlungen einzubringen - oder fährt sie einen eher isolationistischen Kurs? "Nur gemeinsam sind Krisen wie die in Syrien zu lösen", betont Post. Und nur gemeinsam, ergänzt Bornhorst, geht es beispielsweise beim Kampf gegen den Klimawandel voran.
Da allerdings sei mit Rückschritten zu rechnen, warnt der Misereor-Vertreter, der zugleich Chef des entwicklungspolitischen Dachverbandes Venro ist, schon einmal vor. "Vielleicht könnte man Trump dafür gewinnen, wenn man ihm zeigt, dass alternative Energien lukrative Geschäftsfelder sind. Die Chinesen machen das gerade vor."
Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Einen konkreten Wunsch hätten Post und Bornhorst aber schon. Dass von Bonn "ein Signal zur Stärkung für die Zivilgesellschaft ausginge", wie Bornhorst es formuliert.
"Denn die Freiräume von Helfern, Menschenrechtlern oder anderen Aktivisten werden weltweit dramatisch kleiner. Und in Bonn sitzen einige Staaten mit am Tisch, die für diesen beunruhigenden Trend verantwortlich sind."