Weihbischof fordert Regeln für Künstliche Intelligenz

Bedrohung oder Chance auf eine gute Zukunft?

Hunderte Experten sehen in Künstlicher Intelligenz ein Risiko und warnen aktuell eindringlich davor. Der Augsburger Weihbischof Anton Losinger ist Senatsmitglied der Max-Planck-Gesellschaft. Er ordnet Chancen und Risiken der KI ein.

Künstliche Intelligenz weckt die Hoffnungen auf ein neues goldenes Informations-Zeitalter. Viele Menschen befürchten jedoch auch, dass KI der Welt schaden wird / © Axel Heimken (dpa)
Künstliche Intelligenz weckt die Hoffnungen auf ein neues goldenes Informations-Zeitalter. Viele Menschen befürchten jedoch auch, dass KI der Welt schaden wird / © Axel Heimken ( dpa )

DOMRADIO.DE: "Risiko der Auslöschung" – Ist diese Gefahr durch Künstliche Intelligenz real?

Weihbischof Anton Losinger / © Harald Oppitz (KNA)
Weihbischof Anton Losinger / © Harald Oppitz ( KNA )

Anton Losinger (Augsburger Weihbischof, ehemaliges Mitglied des Deutschen Ethikrates und Ethik-Experte): Ich bin keinesfalls ein Anhänger der Weltuntergangs-Prophetie. Es ist mit künstlicher Intelligenz eine völlig neue technologische Entwicklung auf dem Markt, die ganz neue Chancen und Möglichkeiten bietet. Aber die, so wie bei allen technologischen Entwicklungsmöglichkeiten, auch auf ihre Gefahren und Risiken hin geprüft und auch gemanagt werden muss.

Was wir jetzt bereits sagen können, und das trifft sicherlich mit dem "Sorgen-Katalog" dieser 300 Experten zusammen, dass künstliche, intelligente Strukturen inzwischen beinahe sämtliche Lebensbereiche gestalten und bestimmen. Und dass mit künstlich intelligenten Möglichkeiten in der Digitalität auch neue Gefahren zusammenhängen.

Ich fordere ein Moratorium, was diese Gruppe von Big Wheels in der Technologie auch schon gemacht hat, also ein Überlegungszeitraum, nach welchen Regeln solche neuen Technologien gestaltet werden sollen. Aber ich denke nicht, dass Weltuntergang bevorsteht oder dass wir gar nichts mehr tun könnten.

DOMRADIO.DE: Ein Messer kann man dazu benutzen, den Apfel zu schälen. Man kann aber auch jemanden damit umbringen. Ist die Gefahr Künstlicher Intelligenz einfach nur davon abhängig, wie sie genutzt wird? 

Anton Losinger

"GPT-Instrumente lernen täglich dazu, entscheiden täglich neu und deswegen sind Ergebnisse, die sie liefern, kaum berechenbar."

Losinger: Das Spannende an diesem System "Künstliche Intelligenz" besteht darin, dass wir es mit einer ganz neuen Idee und Technologie zu tun haben. Nämlich nicht so wie bisher mit einem evolutionären Konzept, also dass Digitalisierung und Computer immer klüger werden, sondern mit einem System, indem Algorithmen programmiert werden können mit dem Zugriff auf einen riesigen, unübersehbaren Datenpool und einer lernfähigen Entscheidungssituation. Das heißt GPT-Instrumente lernen täglich dazu, entscheiden täglich neu und deswegen sind Ergebnisse, die sie liefern, kaum berechenbar. 

DOMRADIO.DE: Im März gab es eine Forderung von Elon Musk und KI-Spezialisten: In einem offenen Brief haben sie eine sechsmonatige Pause beim Trainieren neuer KI-Systeme verlangt. Ist so ein weltweiter Stopp überhaupt realistisch oder läuft dann die Entwicklung im Darknet oder anderen kriminellen Kanälen weiter? 

Anton Losinger

"Wir brauchen eine klare Regulierung, was menschenrechts- und menschenwürdekonform ist."

Losinger: Das Problem der kriminellen Kanäle ist immer da. Auch die etwas stupide These zu sagen, was immer in der Wissenschaft generiert wird, wird sich irgendwo immer entfalten. Aber wo immer Menschen in einer rationalen, vernünftigen Weise zusammenleben, müssen sie sich bei ständigen lebensgestaltenden Phänomenen der Regeln bewusst werden, die gelten sollen. Wir sehen jetzt bereits, dass die EU ein eigenes Regelsystem für Künstliche Intelligenz anzielt. Und ich denke, so etwas muss weltweit in unseren Blick kommen.

Ich glaube, es sind drei Regeln ganz entscheidend, die bei künstlicher Intelligenz und seiner Anwendungen, aber auch bei allen anderen Phänomenen, gesetzt werden müssen. Erstens: Wir brauchen eine nüchterne, klare Technikfolgenabschätzung. Immer müssen neue Entwicklungen daraufhin abgeklopft und überprüft werden, was am Ende nach aller Voraussicht herauskommen wird. Etwa das berühmte Manhattan Project: Die Entwicklung der Atombombe hätte bei einer nüchternen Technikfolgenabschätzung anders aussehen können.

Zweitens: Wir brauchen eine klare Regulierung, was menschenrechts- und menschenwürdekonform ist. Auch künstliche, intelligente digitale Mechanismen, welche grundlegend Menschenwürde und Menschenrecht verletzen, können vernünftigerweise nicht in Gang gesetzt werden.

Und schließlich ein Drittes: So wie sämtliche technologische Entwicklungen müssen auch künstliche, intelligente Instrumente auf die Frage der sozialen Konformität geprüft werden. Was löst eine menschliche Gesellschaft auf? Was macht sie kaputt? Und was trägt dazu bei, dass eine menschliche Gesellschaft, ein Miteinander, ein Staat sich positiv entwickeln kann?

DOMRADIO.DE: Die KI ist auch für die katholische Kirche was ganz Neues. Wie positioniert sich die Kirche in solchen Fragen? 

Losinger: Die Kirche positioniert sich immer ganz grundlegend von einem Begriff der Menschenwürde und des Menschenrechts her. Der Mensch ist ja ein Geschöpf Gottes, das nicht ohne Weiteres marginalisiert werden kann. Deswegen sind solche Regulierungen und auch Prozesse, die den Menschen in seiner Würde ernst nehmen, erstes Gebot. Das ist nicht nur die Frage der Entwicklung von Texten, die man täuschend ähnlich als Predigt verkaufen kann, sondern es geht insgesamt um die Wahrheitsfrage in wissenschaftlich technologisch neuen Methodiken. 

Das Interview führte Tobias Fricke. 

Experten mahnen Fokus auf Risiken von Künstlicher Intelligenz an 

Eine Reihe führender Experten für Künstliche Intelligenz sieht in der Technologie eine potenzielle Gefahr für die Menschheit und hat dazu aufgerufen, die Risiken ernst zu nehmen. Zu den Unterzeichnern der kurzen Stellungnahme gehört auch der Chef des ChatGPT-Erfinders OpenAI, Sam Altman. Der Chatbot ChatGPT, der Sätze auf dem Niveau eines Menschen formulieren kann, löste in den vergangenen Monaten einen neuen Hype rund um Künstliche Intelligenz aus.

Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser (shutterstock)
Symbolbild Künstliche Intelligenz / © maxuser ( shutterstock )
Quelle:
DR