domradio.de: Was ist es genau, das den emeritierten Erfurter Oberhirten auszeichnet?
Hauke: Er hat das Ohr an der Basis. Er versucht, die Menschen im Thüringer Land und im Eichsfeld zu verstehen und ihre Gedanken auch mit der Heiligen Schrift in Verbindung zu bringen. Sein großes Anliegen ist es, Antworten für gegenwärtige Fragen aus der Heiligen Schrift heraus zu finden. Wie kann der Glaube verständlich gemacht werden? Wie kann er "mitteldeutsch" - eine Wortschöpfung von Bischof Wanke - buchstabiert werden, damit die Menschen wirklich an das Evangelium herangeführt werden? Solche Gedanken spielen dabei eine Rolle. Eine wichtige Aufgabe in einer Gegend, in der 70 Prozent der Menschen keine Christen sind. Viele sind aufgrund ihrer Biographie noch gar nicht mit der Heiligen Schrift in Verbindung gekommen. Nicht nur mit dem Text, sondern auch mit Menschen, die aus dem Evangelium heraus leben.
domradio.de: Ist das auch ein Grund dafür, weshalb die Mission für Bischof Wanke ein Herzensanliegen ist?
Hauke: Die Situation ist so, wie sie ist. Bei uns schon über viele Jahre. Ich kenne die Diasporasituation von Kindesbeinen an. Nur können wir seit der Wende noch wesentlich mehr und bewusster auftreten mit unserem Auftrag, unserer Sendung, die wir als Christen haben. Wir können nicht sagen: Wir verstecken uns nicht hinter der Kirchenmauer. Wir stellen uns unserem Auftrag, und Bischof Joachim hat das in hervorragender Weise getan.
domradio.de: Einer der Höhepunkte während Joachim Wankes Zeit als Bischof von Erfurt war sicherlich der Besuch von Papst Benedikt vor einem Jahr. Was klingt von diesen Tagen im September 2011 noch nach?
Hauke: Besonders wichtig war, dass der Papst auch gewürdigt hat, was in der Zeit vor und nach der Wende bei uns an christlichem Zeugnis gestaltet wurde, sowohl im Eichsfeld als auch in der Diaspora. Es ist sicherlich eine sehr unterschiedlich akzentuierte Seelsorge hier, in seinen Predigten und Ansprachen hat er das auch immer wieder zum Ausdruck gebracht: die Würdigung dessen, was vor der Wende möglich gewesen ist und die Suche nach einem eigenen Weg in der Diaspora vor und nach der Wende.
domradio.de: Der Erfurter Bischofsstuhl ist nun nach dem Rücktritt von Joachim Wanke vakant. Welche besonderen Herausforderungen kommen auf seinen Nachfolger zu?
Hauke: Wir hoffen und beten dafür, dass es ein guter Bischof wird, der unsere Situation in ähnlicher Weise aufnimmt, sicherlich mit anderen Akzenten. Er muss das Ohr an der Basis haben, mit den Menschen fühlen und das Interesse zeigen, das Evangelium über die Kirchenmauern hinaus zu verkünden.
Das Gespräch führte Aurelia Plieschke.
Weihbischof Hauke zur Situation im Bistum Erfurt
"Evangelium über Kirchenmauern hinaus verkünden"
Nach dem Rücktritt von Bischof Joachim Wanke übernimmt vorerst Weihbischof Reinhard Hauke die Amtsgeschäfte in der Diözese. Im Interview spricht der 58-Jährige über die Herausforderungen an den künftigen Oberhirten in der Diaspora.
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