Weihbischof Schwaderlapp hilft Kenia mit Spendenprojekt

"Die Menschen in Changamwe haben mein Leben verändert"

Es sollte nur eine vorübergehende Auszeit in Afrika werden. Als einfacher Priester wollte Weihbischof Schwaderlapp das Caritas-Team in einem Vorort von Mombasa verstärken. Nun ist daraus eine Freundschaft fürs Leben geworden.

Weihbischof Schwaderlapp hält bei den Jugendlichen ein Seminar (privat)
Weihbischof Schwaderlapp hält bei den Jugendlichen ein Seminar / ( privat )
Weihbischof Schwaderlapp im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Weihbischof Schwaderlapp im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Herr Weihbischof, seit Mitte August sind Sie aus Kenia zurück, wo Sie in der St. Mary’s-Gemeinde in Changamwe, einem Vorort von Mombasa, für zehn Monate als Kaplan gearbeitet haben. Nach Ihrer Rückkehr aus Afrika haben Sie das Projekt "One Church One Family" ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?

Dr. Dominikus Schwaderlapp (Weihbischof von Köln): Je länger ich in dieser Gemeinde, die in 35 kleine christliche Gemeinschaften eingeteilt ist, gelebt habe, desto mehr hat sich mir die große Not aufgedrängt, die das Leben der Menschen dort prägt. Coronabedingt ist die ohnehin schon große Arbeitslosigkeit nochmals erheblich gestiegen, trotzdem versuchen manche, ihre Familie mit einem kleinen "Business", etwa einem Büdchen mit Gemüseverkauf, über die Runden zu bringen. Doch die Löhne sind niedrig, Gewinnspannen gibt es kaum, und oft reicht es nur für eine Mahlzeit am Tag – wenn überhaupt. Von daher ist Hunger dort ein großes Thema, selbst wenn niemand verhungern muss. Auch die Wohnverhältnisse sind bedrückend: Es kommt vor, dass eine sechsköpfige Familie in nur einem Raum zusammen wohnt, fließend Wasser gibt es nicht, eine sanitäre Anlage teilen sich etwa acht Familien, wie auch die Feuerstelle im Flur. Diese Menschen kämpfen um das Nötigste zum Leben, denn sie sind bitterarm. Das mit anzusehen ist mir zu Herzen gegangen. Mir ist klar, dass ich mit diesem Projekt die grundsätzliche Not nicht abwenden kann, aber ich kann versuchen, die Folgen des Ressourcenmangels zu lindern.

Kinder im Gemeindezentrum St. Mary's in Chamgamwe (privat)
Kinder im Gemeindezentrum St. Mary's in Chamgamwe / ( privat )

DOMRADIO.DE: Was tun Sie konkret?

Schwaderlapp: Immer wieder wurde ich persönlich wegen Schulgebühren angefragt, die die Eltern für ihre Kinder nicht aufbringen können. Denn für afrikanische Verhältnisse komme ich aus einem reichen Land. Besuchen die Kinder keine Schule, gibt es ohne Bildung kaum eine Chance auf ein besseres Leben. Lebensmittelpunkt ist für die meisten Gläubigen das Gemeindezentrum von St. Mary’s, in das die Kinder geschickt werden, weil es hier zumindest – wenn auch wenige – Spielsachen wie zum Beispiel ein paar Fahrräder, Bälle oder Springseile gibt. Da mich Freunde immer wieder gefragt haben, wie sie die Menschen dort unterstützen können, kam mir die Idee zu "One Church One Family". So konnte ich diese Hilfe auf offizielle Füße stellen.

Weihbischof Dr. Dominikus Schwaderlapp

"Gott ist in ihrem Alltag ganz selbstverständlich gegenwärtig. Daraus habe ich dann den Namen für meine Initiative abgeleitet, weil wir weltweit eben eine Kirche und eine einzige große Menschheitsfamilie sind."

Im Dezember 2021 erreichten mich dann erste Spenden aus der Heimat, mit denen ich die eine oder andere Familie bei den Schulgebühren unterstützen konnte. Wie gesagt, die Not ist groß, und so habe ich mit Pfarrer David Kaluah abgesprochen, dass Spendengelder gerecht verteilt werden. "Good family, good church" ist im Übrigen so etwas wie ein Schlachtruf der Einheimischen – wie auch "God is good" mehrmals am Tag unvermittelt ausgerufen wird. Mit diesem Bekenntnis des Gottvertrauens sprechen sich die Menschen auch gegenseitig Mut zu. Außerdem ist Gott in ihrem Alltag ganz selbstverständlich gegenwärtig. Daraus habe ich dann den Namen für meine Initiative abgeleitet, weil wir weltweit eben eine Kirche und eine einzige große Menschheitsfamilie sind.

DOMRADIO.DE: Die Armut ist groß und der Name Programm, sagen Sie. An welchen Stellen wollen und können Sie nachhaltig helfen?

Schwaderlapp: Wie gesagt, das Thema "School fees"Schulgebühren – die für jede weiterführende Schule aufgebracht werden müssen, sind enorm wichtig und ein Dauerbrenner, eben weil sich die Menschen über eine gute Ausbildung eine Perspektive für ihre Kinder erhoffen. 70 Kinder können dank der Unterstützung aus Deutschland bereits auf eine "Secundary school" gehen. Oder: Für rund 300 Euro zum Beispiel kann man einem Kind ein komplettes Jahr in einer "Boarding School", einem Internat in Mombasa, finanzieren. Auch in Zukunft werden Schulgebühren sicherlich ein Schwerpunkt von "One Church One Family" sein. Das ist für mich zu einem Herzensthema geworden. Wie segensreich wäre es, wir könnten auch Gebühren für College und Universität aufbringen! Also: Spenden sind gerade hier in beliebiger Höhe immer willkommen.

Weihbischof Dr. Dominikus Schwaderlapp

"Die wenigsten Menschen in Changamwe können sich und ihre Familien von nur einem Job ernähren; die meisten haben mehrere, um überhaupt zu überleben."

Dann benötigen viele einen Mikrokredit, um sich mit einem kleinen Geschäft, oft einem mobilen Shop mit einem Handwagen, auf dem sie Obst, Gemüse oder andere Dinge des täglichen Bedarfs anbieten, selbständig machen zu können. Dieses Projekt, das ebenfalls eine Investition in die Zukunft ist, steht noch am Anfang. 12 Mikrokredite in Höhe von jeweils 10.000 kenianischen Schillingen – umgerechnet sind das etwa 80 Euro – konnten jedoch inzwischen schon vergeben werden. Weitere sollen folgen. Die wenigsten Menschen in Changamwe können sich und ihre Familien von nur einem Job ernähren; die meisten haben mehrere, um überhaupt zu überleben.

DOMRADIO.DE: Wie sieht es gezielt mit der Förderung von Mädchen aus, die oft ja in afrikanischen Gesellschaftssystemen hinten über kippen?

Schwaderlapp: In der Tat zeigte sich mir als eine besonders traurige Seite der Armut, dass viele Mädchen zum Beispiel nicht das Geld für die nötigen Hygieneartikel haben. Eines erzählte mir, dass es in ihrer Nachbarschaft einen Mann gibt, der nach solchen Mädchen Ausschau halte, ihnen "großzügig" das Nötige finanziere, aber dafür die Telefonnummer der Jugendlichen haben wolle. Es beginnt mit nächtlichen Anrufen und geht dann oft weiter. Daher haben wir das Projekt "Sanitary Support Girls" gestartet. Anfangs konnten bereits 50 Mädchen unterstützt werden, doch auch hier soll die Zahl wachsen. Denn damit wird nicht nur in einer sehr speziellen Notsituation Abhilfe, sondern auch eine Maßnahme der Prävention gegen Missbrauch Minderjähriger geschaffen, was mich besonders froh macht.

Überhaupt gibt es in St. Mary’s viele Kinder, etwa 300, die sich gerne auf dem Platz rund um die Kirche aufhalten, gerade wenn sie Ferien haben. Und die Eltern sind froh, wenn die Kinder zur Kirche gehen, zumal diese ein geschützter Ort ist. Oft spielen die Kinder hier den ganzen Tag. Aber sie erhalten auch Glaubensunterricht oder beten, und sie haben die Gelegenheit, mit Gleichaltrigen zusammen zu sein und Freundschaften zu schließen. Inzwischen konnten mit den Spenden an "One Church One Family" auch eine Schaukel, weitere Fahrräder und anderes Spielgerät angeschafft werden. Aber es geht auch um die Unterstützung von kleinen Projekten, wie eine Theater-AG oder Ausflüge, für die sonst kein Geld da ist. Schon mit kleinen Summen kann Kindern eine große Freude gemacht und gleichzeitig deren Bindung an die Kirche intensiviert werden.

Weihbischof Schwaderlapp und der Erzbischof von Mombasa, Martin Kivuva Musonde / © Beatrice Tomasetti (DR)
Weihbischof Schwaderlapp und der Erzbischof von Mombasa, Martin Kivuva Musonde / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn bei der medizinischen Versorgung aus?

Schwaderlapp: Natürlich fehlt es auch bei der Patientenversorgung oder für notwendige Operationen an finanziellen Mitteln. Deshalb investieren wir auch in die Notfallhilfe. Oder aber es treten völlig unerwartete Nöte ganz anderer Art auf. So drohte einer Familie mit einem Mal die Kündigung der Wohnung, da sie wegen Arbeitslosigkeit mit Mietzahlungen in Rückstand geraten war. Es gibt unzählige Fälle, in denen schnelle unbürokratische Hilfe not tut.

DOMRADIO.DE: Wie kann die Hilfe überhaupt in das ostafrikanische Bistum Mombasa gelangen? Und ist gewährleistet, dass Spenden den richtigen Adressaten erreichen?

Schwaderlapp: Ich kann versichern, dass jede Spende ohne Verwaltungsaufwand direkt da ankommt, wo sie benötigt wird. Über das Erzbistum Köln ist ein Spendenkonto eingerichtet worden, auf das die Spenden eingezahlt werden können. Die Diözesanstelle Weltkirche ist mit im Boot und leitet das Geld entsprechend weiter nach Changamwe, wo der dortige Pfarrer die Überweisungen bestätigt und mir über deren Verwendung auch regelmäßig einen Bericht zukommen lässt. So ist größtmögliche Transparenz gewährleistet und auch, dass wirklich die Menschen unterstützt werden, die es am nötigsten haben. Absehbar ist auch die Gründung eines Komitees geplant, das in Absprache mit Pfarrer Kaluah über die Vergabe der Spenden innerhalb dieser 35 kleinen christlichen Gemeinschaften – bestehend aus jeweils zehn Familien – entscheidet. Schließlich kennt er die Bedürftigsten seiner Gemeinde am besten.

DOMRADIO.DE: Ist das angesichts der vielen, vielen Menschen in Not, von denen Sie berichten, nicht ein Fass ohne Boden?

Weihbischof Dr. Dominikus Schwaderlapp

"'One Church One Family' ist nicht mehr als eine konkrete Hilfe für eine Not, die mir sehr nahe gegangen ist und bei der ich nicht wegschauen wollte."

Schwaderlapp: Das höre ich immer wieder. Aber wenn auch nur ein Kind aus einer solchen Familie zur Schule gehen kann, dort einen Abschluss erwirbt und damit einen Beruf erlernen kann, dann hat das Fass einen Boden. Als Christus die 5000 gespeist hat, konnte er auch nicht alle aus den umliegenden Dörfern satt machen und das Grundproblem Hunger lösen. Mein Projekt soll nicht die ganze Welt retten und ist auch nicht als Begabtenförderung zu verstehen. Vielleicht ist es nur ein Tropfen im großen Ozean, der ganz elementar bei den Basics ansetzt. Und trotzdem besteht auch ein Ozean aus vielen kleinen Tropfen dieser Art, die irgendwo auf der Welt das Leben ein kleines bisschen besser und erträglicher machen. "One Church One Family" ist nicht mehr als eine konkrete Hilfe für eine Not, die mir sehr nahe gegangen ist und bei der ich nicht wegschauen wollte.

DOMRADIO.DE: Die Kirche in Afrika hat ganz andere Probleme als die Kirche in Deutschland. Was haben Sie dort gelernt? Und was können wir uns von den Afrikanern abschauen?

Schwaderlapp: Das ist eine Kirche mit wenig materiellen Mitteln, und die Institution als solche hat kaum Bedeutung. Dafür ist die afrikanische Kirche reich an Gebet, Freude und Initiativen, sich in der Not beizustehen. Sie hat eine frohe und positive Ausstrahlung in die Gesellschaft hinein. Der Glaube wird als Stütze des Lebens betrachtet. "Unser tägliches Brot gib uns heute" – diese Bitte ist dort von existenzieller Bedeutung. Und die Menschen wissen: Jeder Tag hat seine Plage. Es hat mich fasziniert zu erleben, wie Menschen in Not nicht mit Gott hadern oder resignieren. Ganz im Gegenteil: Sie vertrauen unerschütterlich auf Gott, feiern das Leben, ihren Glauben und haben doch sehr viel weniger als wir.

DOMRADIO.DE: Ein Hilfsprojekt lebt immer auch von den Menschen, die einer Initiative ihr Gesicht geben. Wie bleiben Sie mit der Gemeinde St. Mary’s in Kontakt?

Schwaderlapp: Noch im Januar war ich wieder in Changamwe, habe Besuche bei einigen christlichen Gemeinschaften gemacht, Messe gefeiert und ein Seminar zu dem Thema "Liebe, Leib und Sexualität" für Jugendliche gehalten. Es war eine Freude, einander wieder begegnen zu können. Auch einen Teil meines Jahresurlaubs werde ich in Kenia verbringen. Denn die Menschen dort sind mir richtig ans Herz gewachsen. Über WhatsApp bin ich mit vielen verbunden geblieben: Wir beten miteinander oder tauschen Grüße und Segenswünsche aus. Außerdem erreichen mich immer auch Gebetsanliegen oder seelsorgliche Fragen. Wir bleiben also in Kontakt. Auf nimmer Wiedersehen nach zehn Monaten verschwinden – das kann ich nicht. Changamwe und die Menschen von St. Mary’s haben mein Leben verändert und werden auch in Zukunft immer ein Teil von mir sein.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti. Wer das Projekt "One Church One Family" unterstützen möchte, kann hier Kontakt aufnehmen.

Quelle:
DR