Schneebedeckte heimelige Dorfstraßen, Kinder in Wintermänteln spielen, werfen mit Schneebällen. Doch die Wurfgeschosse zweier Mädchen zerschellen an einer Glasscheibe zwischen ihnen. Trotz dieser Trennung bauen sie eine Freundschaft auf - und reißen die Barriere schließlich ein. Mit dieser Botschaft von Verständnis, Miteinander, Einheit und Nächstenliebe wirbt die Deutsche Telekom zu diesem Jahresende für sich. Viele Firmen setzen auf Weihnachtsspots.
Die Weihnachtszeit sei emotional tief mit Familie, Geborgenheit und Liebe verbunden, sagt Wissenschaftler Peter Fischer von der Triagon Academy in Hamburg. Hierzu erzählen Werber Geschichten und treten so in eine emotionale Beziehung zum Publikum. Das Produkt taucht nur am Rand auf. So auch beim Discounter Aldi: In Alltagssituationen beißen Menschen in eine Süßigkeit und fangen daraufhin an ungewöhnlichen Orten an, Weihnachtslieder zu singen. "Fühlst du das Fest?" - so der Aldi-Slogan. Am Ende werden die Produkte samt Preis gezeigt.
Wenn die Werbespots keine direkte Verbindung zu dem Produkt haben, sondern vordergründig auf starke Emotionen setzten, sei das "im Endeffekt Konditionierung", kritisiert Fischer. Die Marken fördern laut dem Werbepsychologen die emotionale Bindung zum Zuschauer.
Dadurch entwickle sich Werbung zu einem Mini-Spielfilm, der ein intensives, emotionales Erlebnis biete. Da die Botschaft der positiven Werte häufig erst am Schluss deutlich werde, entstehe an dieser Stelle ein emotionaler Kaufimpuls.
Durch Nähe zu Lebensrealität authentisch
Beispielsweise setzt das britische Kaufhaus John Lewis bereits seit vielen Jahren auf filmartige Weihnachtsspots, bei denen kein Werbeslogan erscheint und die Marke kaum erkennbar ist. Die Werte Familie, Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe sind grundlegend. Zudem können sich Zuschauer nach der Meinung des Werbepsychologen sehr gut in ihrer Lebensrealität wiedererkennen.
Dadurch werde die Werbung authentisch, ein "echtes berührendes Erlebnis": Ein Mädchen nimmt per Fernglas Kontakt zu einem einsamen alten Mann auf, ein Pflegevater lernt für seine Teenie-Tochter Skateboardfahren oder ein Sohn kocht für seinen trauernden Vater ein Weihnachtsmenü.
Edeka, bekannt für seine Weihnachtsspots, hat für seinen diesjährigen Clip sogar einen Video-Teaser produziert - der eigentliche Werbefilm soll am Montag erscheinen. Stark diskutiert wurde Edekas emotionaler Werbespot vor ein paar Jahren: Darin ging es um einen Großvater, der seinen eigenen Tod inszenierte, damit an Weihnachten endlich wieder die ganze Familie zusammenkommt. "Die einen fanden, das sei eine nette Idee, da dies ja wirklich so sei", erinnert Experte Fischer.
Andere empfanden die Werbung seiner Aussage nach als geschmacklos.
Auch dies sei gewollt - insofern nicht die eigene Zielgruppe verprellt werde. Durch provokante Aussagen lehne ein Teil der Konsumenten die entsprechenden Spots zwar ab, aber die Reichweite der Werbung erhöhe sich. Außerdem würden Menschen "wachgerüttelt" und konsumierten so die Werbung "besser und tiefer", erklärt er.
Kindheits-Erinnerungen
Besonders tief verankert sind Werte, Erinnerungen und Gefühle aus der Kindheit. Wenn kindliche Begeisterung und ein bisschen Magie im Spiel sind, dann sei häufig Disney nicht weit, ordnet Fischer ein. Kinder schmücken voller Euphorie den Weihnachtsbaum oder packen Geschenke aus. Ab der Mitte der 1990er Jahre fuhren zu stimmungsvoller Musik mit Lichtern geschmückte Coca-Cola-Trucks durch Schneelandschaften.
Kinder und Erwachsene rannten in den Werbespots zum Fenster oder auf die Straße, um sie zu beobachten. Die Marke nutzt laut dem Experten hierfür die Werte Dankbarkeit, Wertschätzung und Nostalgie.
Ein tief verschneiter Wald soll eine emotionale Bindung aus der Kindheit wachrufen, genauso der legendäre Weihnachtsmann. Gerade in Zeiten von Krisen und Kriegen soll er laut Fischer Hoffnung und Optimismus vermitteln. "Selbst in den dunkelsten Momenten gibt es immer noch ein kleines Lichtlein und Hoffnung", sagt er. So versuchten Werbespots Gemeinschaft zu erzeugen.
Ursprung bei lustiger Familienidylle
Den Coca-Cola-Weihnachtsmann, mit seinem "Hohoho", gibt es bereits seit den 1920ern. Damals war ein Fernsehgerät im eigenen Haushalt allerdings noch ein großer Luxus, weshalb Bewegtbild-Werbung für die meisten nur im Kino zu sehen war. In den 1950ern wurden Fernseher in Privathaushalten üblich, was den Werbemarkt entsprechend veränderte.
Die damaligen Werbespots seien sehr einfach gewesen, erzählt Fischer. Das Produkt wurde in den Mittelpunkt gestellt. Drumherum sei meist eine lustige Familienidylle zu sehen gewesen.
In den 1980ern gingen Werbende laut Fischer dazu über mehr Nostalgie und auch traditionelle Familienwerte einzufangen. In dieser Zeit entstand beispielsweise ein Nescafe-Weihnachtsspot, in dem der Sohn nach Hause kommt und bei einer Tasse Kaffee seine Familie umarmt.
"Das war alles noch recht banal, inzwischen ist Werbung vielschichtiger geworden", so Fischer. Konzerne bauen um ihre weihnachtlichen Werbespots sogar Kampagnen.
Die Telekom will demnach mit ihrem etwas anderen, emotionalen Weihnachtsmärchen und der Aussage "Verbindungen beginnen, wenn Barrieren durchbrochen werden" Hürden in Köpfen abbauen, erklärt darin Markenchef Ulrich Klenke. Das Unternehmen setze sich für den sozialen Zusammenhalt und mehr Toleranz ein.
Wie die Telekom verwenden nach Fischers Aussage viele Marken narrative Ansätze. Sie erzählen also Geschichten, die nicht direkt für ein Produkt werben, sondern auf starke Emotionen setzen. Doch gehe es weiterhin nicht darum, weihnachtliche Stimmung zu schaffen um Weihnachten zu würdigen, sondern um Verkaufsstrategien - und sehr viel Geld.