Vom kleinen Glück in Zeiten von Corona

Weit weg von Friede-Freude-Eierkuchen

Ende März 2020 war nicht gerade eine Hochphase der Glücksgefühle. Mittendrin im ersten Lockdown ging ein Termin unter: der Tag des Glücks. Ein Grund mehr, ihn in diesem Jahr bewusst zu begehen.

Autor/in:
Paula Konersmann
Vierblättriges Kleeblatt / © Benny-K (shutterstock)

Glück - ein großes Wort. Die Vereinten Nationen, die den 20. März zum Weltglückstag ernannt haben, verbinden damit das politische Ziel, mehr als materiellen Wohlstand zu erreichen. Wohlergehen brauche es ebenso auf sozialer und ökologischer Ebene. Die Dichter und Denker, die sich mit dem Streben dem Glück befasst haben, könnten wohl eine ganze Bibliothek füllen.

Zufallsglück und Lebenszufriedenheit

Wenn Gina Schöler nach ihrer Definition von Glück gefragt wird, holt sie tief Luft. Sie unterscheide zwischen "Zufallsglück", etwa einem Lottogewinn, erklärt die selbsternannte "Glücksministerin", und der Lebenszufriedenheit. Dazu gehörten kleine, bewusst erlebte Glücksmomente, aber auch eine positive Haltung zum Leben.

Hinter Schölers "Ministerium für Glück und Wohlbefinden" verbirgt sich eine Kampagne, die vor acht Jahren als Studenten-Projekt begonnen hat. Als Glücksbotschafterin bietet sie etwa Impulsvorträge, kreative Workshops und Coaching an. "Glück bedeutet nicht, dass alles Friede-Freude-Eierkuchen ist", betont Schöler. Im Gegenteil; Psychologen warnen inzwischen vor einer "toxischen Positivität", die Gefühle wie Trauer oder berechtigte Unzufriedenheit einfach übertünche. Das Ziel sei vielmehr, das Leben zu gestalten und das Beste aus allen Situationen zu machen, erklärt Schöler.

Verbundenheit mit anderen Menschen fehlt

Als entscheidenden Faktor für Glück und Zufriedenheit wird in Umfragen immer wieder die Verbundenheit mit anderen Menschen genannt. Die fehlt momentan vielen. Zugleich erklärten 83 Prozent der Befragten im "Glücksatlas" vom November, sie hätten in Corona-Zeiten entdeckt oder wiederentdeckt, wie wichtig Freunde und Familie seien. 80 Prozent gaben zudem an, sie seien froh, während der Krise in einem Land wie Deutschland zu leben. Dazu tragen laut den Forschern eine hohe politische und wirtschaftliche Stabilität sowie die soziale und gesundheitliche Absicherung bei, aber auch Faktoren wie Kreativität.

Ein bequemer Stuhl, die Sonne, die hinter der Jalousie aufblitzt, ein echter Mensch am anderen Ende einer Telefon-Hotline: Dies sind nur ein paar Alltagsbeispiele, die Barbara Ann Kipfer gesammelt hat. Vor 31 Jahren erschien ihr Buch "14.000 Gründe, um glücklich zu sein". Tatsächlich, betont Schöler, liegt der Schlüssel zur Zufriedenheit oft in den kleinen Dingen - beziehungsweise darin, sie bewusst wahrzunehmen.

In dieser Situation darf jeder mal jammern

Andere Ratschläge überraschen zunächst: Momentan habe jeder auch "mal das Recht zu jammern, denn es ist für alle eine schwierige Situation", sagt die Volkskundlerin Katrin Bauer. Die Menschen vermissten unterschiedliche Dinge, manche den Ski-Urlaub, andere einen Besuch im Kino. "Das verbindende Element, das uns allen fehlt, ist das Erleben von Gemeinschaft."

"Glücksministerin" Schöler bietet in manchen Workshops eigens Raum dafür: fünf Minuten für jeden Teilnehmer, in denen geschimpft werden darf. "Es kann sehr befreiend sein, Dinge auszusprechen", erklärt sie. Wichtig sei, nicht in einer Dauer-Mecker-Schleife zu kommen. "Wir brauchen ein Übergewicht an positiven Dingen, damit wir ausgeglichen sind."

Glück ist von Situation abhängig

Unterdessen gilt es, genau hinzusehen. Wen etwa die Angst um den Job quält, wer in beengten Verhältnissen lebt oder seit Monaten einsam ist, dem kann ein wohlmeinender Tipp auch zynisch erscheinen. Wenn es an den Grundlagen fehlt, sei die Suche nach dem Glück de facto schwieriger, bestätigt Schöler. Auch seien Tagebuchschreiben und Komplimente-Verteilen keineswegs "Allheilmittel" etwa bei psychischen Erkrankungen.

Abgesehen von diesen existenziellen Sorgen liegt jedoch nach Einschätzung von Fachleuten ein großer Teil des Glücks darin, auch Kleinigkeiten des Alltags bewusst zu tun. Dadurch komme man wieder mehr in Kontakt mit sich selbst und mit der Welt, sagt die Achtsamkeitstrainerin Tanja Büchel-Bogut. Das A und O sei Langsamkeit bei scheinbar banalen Tätigkeiten - etwa, bewusster nach einem Wasserglas zu greifen. Dazu können sich wohltuende kleine Angewohnheiten gesellen, laut singen zum Beispiel - oder, so Büchel-Bogut: "Ich lasse mich zudem von unserem Hund inspirieren: Wenn er Stress hat, schüttelt er sich kräftig aus - danach geht es ihm direkt viel besser."


Quelle:
KNA