In England gibt es gerade nur das eine Thema: Krönung. Auch für das geistliche Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche gibt es bis dahin noch ordentlich Regelungsbedarf. Schließlich ist er es, Erzbischof Justin Welby von Canterbury, der den neuen König Charles III. am 6. Mai mit Öl aus Jerusalem salben soll. Die Krönung seiner eigenen Laufbahn sozusagen.
Auch ist, so ist zu hören, zwischen Lambeth Palace und Buckingham Palace immer noch final zu klären, welche Rolle den anderen Religionen und Konfessionen des Landes im Krönungsgottesdienst zukommen soll.
Das "Schwert der Spaltung" fällt in die Feierlichkeiten
Doch mitten hinein in diese geschäftige Feierlichkeit fällt ein Damokles-Schwert, das schon seit Jahrzehnten über der anglikanischen Weltgemeinschaft hing: das Schwert der Spaltung. Das theologisch konservative anglikanische Netzwerk GAFCON (Global Anglican Future Conference) hat sich von der Kirche von England und ihrem Oberhaupt losgesagt, Justin Welby. Der Erzbischof von Canterbury ist auch das Ehrenoberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft.
Grund für diese schwerwiegende Entscheidung ist der Beschluss der Kirche von England vom Februar, Segnungen von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu ermöglichen; vor allem für anglikanische Kirchenführer im globalen Süden, etwa in Afrika und Asien, nicht hinnehmbar. Damit habe die Führung der Kirche von England beschlossen, «die Sünde zu segnen», heißt es in einer GAFCON-Erklärung vom Wochenende. In der ruandischen Hauptstadt Kigali hatte zuvor eine Konferenz mit gut 1.300 Delegierten aus 52 Ländern getagt, darunter mehr als 300 Bischöfe.
Welby habe Weihegelübde verraten
Die Unterzeichner beklagen, Welby habe durch seine Unterstützung für die Segnung von Homosexuellen seine Weihegelübde verraten. Seine Forderung, die Vertreter der beiden Lager müssten in der anglikanischen Gemeinschaft mit dieser Meinungsverschiedenheit zusammenleben, sei für sie nicht hinnehmbar.
Wörtlich heißt es: "Wir weisen die Behauptung zurück, dass zwei gegensätzliche Standpunkte in einer Heilsfrage beide richtig sein können." Die Bibel sehe Sexualität ausschließlich in einer dauerhaften Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau vor. Und: Solange nicht jene Bistümer und Bischöfe Buße täten, weil sie sich von der Lehre der Bibel entfernt hätten, könne mit ihnen keine Kirchengemeinschaft fortbestehen.
Strukturen für weltweite Kirchengemeinschaft aufbauen
Dieses Verdikt wird noch durch eine Ankündigung verstärkt: In Kigali habe sich die GAFCON-Führung mit der ebenfalls konservativen Gemeinschaft der Anglikanischen Kirchen des Globalen Südens (GSFA, Global South Fellowship of Anglican Churches) verständigt. Gemeinsam repräsentierten diese beiden Gruppierungen rund 85 Prozent der Anglikaner weltweit. Und gemeinsam wolle man eigene Strukturen für eine weltweite Kirchengemeinschaft aufbauen, unabhängig von der Kirche von England.
Schon seit Jahrzehnten ist die anglikanische Weltgemeinschaft den Alb einer Kirchenspaltung nicht los geworden. Die Steine des Anstoßes waren immer dieselben: Frauenpriestertum, Segnung von Homosexuellen, Bischöfinnen. Erfordernisse des 21. Jahrhunderts seien das, sagen die Westler. Eine Abkehr vom christlichen Comment zweier Jahrtausende, sagen die Nationalkirchen des globalen Südens - für die sich das Karussell des Zeitgeistes derzeit noch etwas weniger schnell dreht.
Konservative drücken anglikanisches Rückgrat durch
2017 schon schloss die Mehrheit der anglikanischen Nationalkirchen weltweit hat die allzu liberale US-Episkopalkirche für drei Jahre von ihren gemeinschaftlichen Entscheidungen aus. Nun drücken die Konservativen das anglikanische Rückgrat noch fester durch.
Ihre so ultimative Zurückweisung trifft naturgemäß mehr als die Amtsperson, den Primas. Sie wird auch den nachdenklichen Menschen, den Hirten Justin Welby treffen, der stets als Werbender auftritt und nicht als Dekretierer. Dass er noch vor der Krönungszeremonie auf die Ruck-Rede aus Ruanda reagiert, ist eher unwahrscheinlich. Denn das könnte leicht und zur Unzeit in eine öffentliche Doppeldiskussion über die Zukunft der Monarchie und die Zukunft der Staatskirche münden.
Welby: "Keine Katastrophe, aber ein Versagen"
2017, vor dem Krisentreffen in Canterbury, hatte Welby jedenfalls noch einmal vor einer Kirchenspaltung in der Homosexuellen-Frage gewarnt. Ein Schisma wäre "keine Katastrophe, aber ein Versagen". Es wäre schlecht, sagte der lebenserprobte Familienvater, wenn die Kirche nicht vorleben könnte, dass man einander lieben und dennoch "zutiefst unterschiedlicher Meinung" sein könne. Und, so Welby: "Ich kann nichts tun, wenn sich jemand entschließt, den Raum zu verlassen." Die Kirche bleibe aber eine Familie - "auch wenn man getrennte Wege geht".