Stimmen zum 80. Jahrestag des Überfalls der Sowjetunion

"Welt nicht mehr in Ost und West teilen"

Anlässlich des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion vor 80 Jahren hat das katholische Osteuropahilfswerk Stimmen aus Russland und anderen Gebieten gesammelt, die damals unter sowjetischer Herrschaft standen.

Ostfeldzug der Wehrmacht / © Buss (dpa)
Ostfeldzug der Wehrmacht / © Buss ( dpa )

Am Jahrestag (Montag) werden auf der Internetseite www.renovabis.de acht Kurzinterviews mit Angehörigen unterschiedlicher Konfessionen und Altersgruppen aus Russland, der Ukraine, Georgien und dem Baltikum veröffentlicht. Zu Wort kommt außerdem eine junge Deutsche, die in Sankt Petersburg einen Freiwilligendienst geleistet hat.

Erinnerung sehr unterschiedlich

Die Interviews verdeutlichen, dass die Erinnerung an den Überfall und den Zweiten Weltkrieg in diesen Ländern sehr unterschiedlich und zum Teil gegensätzlich ausfällt. Auf beiden Seiten gab es Soldaten aus Lettland. In der Ukraine wurde die Rote Armee je nach Region nicht als Befreier, sondern als Besatzer wahrgenommen. Nach der Erlangung nationalstaatlicher Souveränität infolge der Wende von 1989 entwickelten sich in mehreren, aber nicht allen Ländern Ansätze zur kritischen Auseinandersetzung mit der bisherigen Erinnerungskultur und der Vergangenheit.

Der Minsker Pfarrer Aleh Shenda vermisst in der Gesellschaft von Belarus eine Befassung "mit den Verbrechen unserer Vorfahren". Bisher sehe er "nicht den geringsten Versuch die eigene Verantwortung für das Böse dieses Krieges anzuerkennen, und Reue dafür zu zeigen", sagt der Pater.

Ein noch nicht abgeschlossener Prozess

Inara Uzolina, Präsidentin des Lettischen Katholischen Frauenbundes, sagt, für ihre Landsleute sei es ein langer, noch nicht abgeschlossener Prozess, "die aus Russland stammenden Mitmenschen nicht als Okkupanten anzusehen". Nur für Versöhnung offene Herzen und menschliches Miteinander im Alltag könnten diese Vorurteile auflösen. Hoffnung machten ihr junge Menschen. "Sie teilen die Welt nicht mehr in Ost und West, sie fühlen sich überall zuhause, sie sind echte Europäer."

Der Ukrainer Kostiantyn Mykhanchuk sagt, im Westen seines Landes würden heute keine Denkmäler für Rotarmisten geduldet, anders als im Süden und Osten. Der Seminarist hat am Eichstätter Collegium Orientale, einer Ausbildungsstätte für Angehörige unterschiedlicher Ostkirchen, positive Erfahrungen mit Menschen aus verschiedenen Konfessionen und Kulturen gesammelt. In ihrer jeweiligen Heimat würden sie sich womöglich nicht an einen Tisch setzen, sagt er und nennt Griechisch-Katholische und dem Moskauer Patriarchat zugehörige Orthodoxe aus der Ukraine.

Versöhnung hat bereits stattgefunden

Jennifer Coburg hat als junge Freiwillige in Sankt Petersburg erlebt, dass Versöhnung bereits stattgefunden hat: "Zu keinem Zeitpunkt haben die Menschen, die ich in Russland getroffen habe, schlecht auf mich reagiert, weil ich Deutsche bin, eher im Gegenteil. Die meisten waren sehr offen und interessiert und haben versucht, mit mir etwas deutsch zu sprechen, das sie zum Beispiel in der Schule gelernt hatten. Ein älterer russischer Mann hat einer Freundin und mir sogar einmal ein altes deutsches Lied vorgesungen, das er noch von früher gekannt hat, als er gemerkt hat, dass wir miteinander deutsch gesprochen haben."

 

Die neue russische Militärkirche in der Nähe von Moskau / © Ulf Mauder (dpa)
Die neue russische Militärkirche in der Nähe von Moskau / © Ulf Mauder ( dpa )
Quelle:
KNA