Es ist ein Tag des Gedenkens mit schönem Wetter: angenehm warm, bewölkt, aber mit nur harmlosen Wolken am Himmel über dem Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz. Ganz anders als vor sieben Wochen, als unvermittelt gigantische Regenmassen auf die Ortschaften hier niederprasselten und zu einer bislang nicht da gewesenen Flutkatastrophe führten.
In jener "so furchtbares Unheil bringenden Nacht" vom 14. auf den 15. Juli habe "das schlimmste Hochwasser seit Menschengedenken hier in der Region" beschauliche Bäche und kleine Flüsse zu reißenden Strömen werden lassen, sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Mittwochnachmittag.
Bundespräsident beschönigt nichts
Der Bundespräsident spricht nur etwa 30 Kilometer vom Katastrophengebiet entfernt bei einem Staatsakt des Landes Rheinland-Pfalz zum Gedenken an die Opfer der Flutkatastrophe. Das Staatsoberhaupt steht auf einer Bühne in der "Ring-Arena" des Nürburgrings - einer an der berühmten Motorsport-Rennstrecke gelegenen Veranstaltungshalle, die bis zu 5.000 Menschen fassen kann.
Zu dem Staatsakt hat die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) die Angehörigen der Toten und Vermissten sowie Verletzte, Geschädigte, Hilfskräfte und die Bürgermeister der mehr als 250 betroffenen Gemeinden eingeladen. Etwa 1.000 Menschen sind in die Arena gekommen, die in tiefblaues Licht getaucht ist.
Steinmeier schönt nichts, als er auf die hauptsächlich betroffenen Gemeinden zu sprechen kommt: "Schuld, Insul, Dümpelfeld, Altenahr, Mayschoß, Ahrbrück, Dernau, Bad Neuenahr-Ahrweiler, Sinzig - so viele Orte versanken in den Fluten."
Noch drastischer formuliert es dann Cornelia Weigand, Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr: "Die Ahr, früher unsere launige Weggefährtin, ist mit all ihren Zuläufen zu einem Monster, einem brutalen Ungeheuer geworden. Aufgetürmt auf unvorstellbare Höhen von über zehn Metern hat sie alles, alles (sic) unterspült, überrollt, zerstört." Viele Menschen habe der Fluss in einen gewalttätigen, qualvollen Tod gerissen.
Ministerpräsidentin Dreyer spricht in ihrer Rede von einer Katastrophe nationalen Ausmaßes. Es sei "unbegreiflich", was für immer verloren sei. In Rheinland-Pfalz hätten 134 Bürger durch die reißenden Wassermassen ihr Leben verloren. 766 Menschen seien verletzt worden, noch heute würden drei Personen vermisst. Und Dreyer fügt hinzu: "Drei Menschen haben sich im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe im Ahrtal das Leben genommen." Die Ministerpräsidentin betont: "Mit uns trauert ganz Deutschland."
Opfernamen werden verlesen
Bei dem Staatsakt werden dann die Namen zahlreicher Opfer der Flutkatastrophe in alphabetischer Reihenfolge vorgelesen, wobei jeweils der Vorname und nur der erste Buchstabe des Nachnamens genannt werden. Das Vorlesen der Opfernamen umfasst eine quälend lange und kaum erträgliche Zeitspanne von etwa zehn Minuten. Dem schließt sich eine Schweigeminute an.
"Wir wissen, dass in Ihrem Leben nichts mehr ist, wie es war", sagt Steinmeier mit Blick auf die Angehörigen von Opfern. "Aber Sie sollen wissen: Auf Ihrem Weg zurück ins Leben lässt Ihr Land Sie nicht allein." Und er wiederholt dies: "In der Stunde der Not sind wir ein starkes, solidarisches Land. Wir stehen zusammen." Steinmeier dankt Bürgern und Hilfskräften für eine "überwältigende Hilfsbereitschaft".
Der Nürburgring etwa war kurzerhand zur "Helferstadt" umfunktioniert worden. Von hier starteten Einsatzkräfte von Polizei, Bundeswehr, Rettungsdienst sowie Brand- und Katastrophenschutz in das verwüstete Ahrtal. In der "Ring-Arena" stapelten sich laut Dreyer noch bis vor kurzem Spenden für die Flutopfer meterhoch.
Steinmeier betont, solidarische Hilfe sei noch lange Zeit notwendig.
"Das Unheil, das über Sie hereingebrochen ist, es geht uns alle an", sagt er. "Wir alle müssen uns die Frage stellen, was wir tun können, um auf solche Katastrophen, auf solche Extremwetterlagen besser vorbereitet zu sein."
Auch Bürgermeisterin Weigand blickt in die Zukunft: "Unser aller Ziel muss es jetzt sein, dass Strategien entwickelt werden, wie wir zukünftig unter dem Einfluss des Klimawandels weiterhin sicher in Flussregionen leben können." Weigand: "Leben an Flüssen muss neu gedacht werden!" Damit ein Fluss nicht erneut zum Monster wird.