Was über Benedikt von Nursia überhaupt bekannt ist, wissen wir nur aus zweiter Hand: Papst Gregor der Große ist es, der gut 100 Jahre nach der Geburt Benedikts die einzigen biographischen Notizen zu ihm verfasst.
Vom Studienabbrecher zum Eremiten
Ein Studienabbrecher ist Benedikt, der gegen Ende des fünften Jahrhunderts n. Chr. in Nursia, dem heutigen Norcia in Umbrien geboren wird und von seinen Eltern zur Ausbildung nach Rom geschickt wird, in gewisser Hinsicht. Denn das Leben in Rom erscheint ihm sittenlos. Deswegen zieht er sich lieber in die Berge zurück und gründet eine Einsiedelei: Bei Subiaco, etwa 70 Kilometer von Rom entfernt, lebt er einsam in einer Höhle, fastet und betet. Drei Jahre verbringt er dort.
Und seine Lebensweise bleibt den Leuten in der Umgebung nicht verborgen, vor allem nicht den Mönchen im benachbarten Kloster Vicovaro, die ihn in seiner Höhle mit Brot versorgen: Eines Tages bitten sie ihn, ihr Abt zu werden. Und Benedikt sagt zu.
Konflikte in Konventen
Klöster wie jenes in Vicovaro haben zu dieser Zeit weder eine feste Gemeinschaft noch eine Art Ordensregel. Deswegen versucht Benedikt, aus dem Kloster eine wirkliche Gemeinschaft mit eigener Regel zu machen. Die Mönche sind damit aber nicht einverstanden, und schließlich wendet Benedikt sich von der Gemeinschaft ab und zieht zurück nach Subiaco.
Hier gründet er mehrere Klöster – mit Schülern, die sich ihm anschließen. Gemeinschaften, in denen je zwölf Mönche leben: einfache und gebildete Leute, Römer sind ebenso unter ihnen wie Goten.
Wie fast überall, wo Menschen zusammenleben, kommt es aber auch hier zu Konflikten. Deswegen siedelt Benedikt um das Jahr 529 mit einer kleinen Gruppe von Mönchen zu einer heidnischen Kultstätte über: Auf den Monte Cassino zwischen Neapel und Rom, auf dem die Römer einst einen Tempel errichtet hatten.
Die Gründung von Montecassino
Hier errichten sie gemeinsam ein Kloster – den Konvent Montecassino. Nach seinem Scheitern in Vicovaro und Subiaco gelingt Benedikt hier im dritten Anlauf die Einführung einer verbindlichen Klosterregel: der Regula Benedicti. Viele ihrer Ideen gehen wahrscheinlich gar nicht auf Benedikt selbst zurück.
Vielmehr hat der sich an einer alten, lateinischen Klosterregel, der sogenannten "Regel des Magister" orientiert, sie systematisiert, gekürzt und ergänzt. Die zweite wichtige Quelle und Begründung für die Benediktsregel ist die Bibel, die er an vielen Stellen als Beleg heranzieht.
Der Abt zwischen Vollmacht und Beratung
Mit seiner Regel systematisiert Benedikt das Klosterleben: Gegenüber dem Abt wird Gehorsam verlangt, allerdings solle der Abt auch immer daran denken, dass er sich eines Tages vor dem jüngsten Gericht verantworten müsse. Er soll auf jeden Einzelnen eingehen, niemanden bevorzugen, ist innerhalb des Klosters für Maßregelungen und Strafen zuständig und soll durch sein Leben ein Vorbild sein. Absolute Vollmacht über die Gemeinschaft hat er allerdings nicht: Er ist stets der Regel unterworfen und soll bei wichtigen Angelegenheiten den Rat seiner Mitbrüder anhören.
"Müßiggang ist der Seele Feind"
Die Benediktsregel prägt außerdem ein grundlegend neues Verständnis der Arbeit. Noch in der Antike galt der Müßiggang als Ideal, Arbeit war eben ein notwendiges Übel. Die Benediktsregel dreht dieses Verständnis um: Nun gilt die Arbeit als Ideal, Gebet und Arbeit ergänzen sich. Diese Vorstellung steckt auch hinter der berühmten Formulierung "Ora et labora" – obwohl die erst viel später entsteht und in der Benediktsregel an keiner Stelle so zu lesen ist.
Müßiggang soll hingegen nicht entstehen, Benedikt formuliert explizit: "Müßiggang ist der Seele Feind." Besitz darf das Kloster als Ganzes zwar haben, der einzelne Mönch allerdings nicht. Er darf nicht einmal Geschenke ohne die Zustimmung des Abtes annehmen, selbst wenn sie von seiner Familie kommen.
Hast du dir das auch gut überlegt?
Das gemeinsame Gebet normiert Benedikt in seiner Regel neu: dort finden sich etwa detaillierte Anweisungen, wann welche Psalmen zu singen sind. Wer ins Kloster eintreten will, muss sich auf eine lange Probezeit gefasst machen. Mehrmals wird ihm die Klosterregel vorgelesen.
Möchte er dann immer noch eintreten, gibt es danach kein Zurück mehr. Benedikt schreibt: "Doch muss er wissen, dass er, auch nach dem Gesetz der Regel, von diesem Tag an weder das Kloster verlassen noch das Joch der Regel von seinem Nacken abschütteln darf; er hatte ja lange genug Zeit zu überlegen, ob er es von sich weisen oder auf sich nehmen wolle."
Priester sind nichts Besonderes
Eine besondere – oder vielmehr: keine besondere Stellung innerhalb der Benediktsregel haben Priester. Benedikt weist darauf hin, dass man ihnen nicht aus Ehrfurcht einen besonderen Platz zuweisen sollte. Sie sind Brüder wie alle anderen auch, ihnen wird es nicht leichter gemacht und sie haben sich wie alle anderen an die Regel in ihrer ganzen Strenge zu halten.
Versorgung der Kranken
Auch die Versorgung der Kranken nimmt einen zentralen Platz ein. Benedikt schreibt: "Die Sorge für die Kranken muss vor und über allem stehen: Man soll ihnen so dienen, als wären sie wirklich Christus". Und er fügt hinzu, dass man auch Kranke, die übertriebene Ansprüche stellen, in Geduld ertragen soll.
Verbreitung der Benediktsregel
Benedikt von Nursia stirbt Mitte des sechsten Jahrhunderts. Das Kloster Montecassino wird schon 577 durch die Langobarden, einen westgermanischen Volksstamm, geplündert. Durch die Flucht der Mönche nach Rom gelangt auch die Benediktsregel dorthin und wird zur sogenannten "römischen Regel." Durch viele bedeutende Persönlichkeiten wie Papst Gregor den Großen, Kaiser Karl den Großen oder König Ludwig I., genannt "der Fromme", wird sie in den nächsten Jahrhunderten weiterverbreitet.
Der 11. Juli wird schließlich zum Fest des Heiligen Benedikt, weil an diesem Tag seine Gebeine aus der zerstörten Abtei Montecassino in die Benediktinerabtei Fleury in der Nähe von Orléans gebracht worden sein sollen. In Benediktinerklöstern wird aber auch sein Todestag am 21. März als Hochfest gefeiert. 1964 wird Benedikt von Papst Paul VI. zum Patron Europas ernannt; er ist überdies unter anderem Patron der Schulkinder und Lehrer, der Bergleute, Höhlenforscher und Kupferschmiede sowie der Sterbenden.