Suizidbeihilfe in Italien erstmals erlaubt - Vatikan dagegen

"Widerspruch zu einer zivilisierten Gesellschaft"

In Italien ist erstmals eine offizielle Erlaubnis für medizinisch assistierten Suizid erteilt worden. Die Gesundheitsbehörde der Region Marken fällte laut örtlichen Medienberichten eine entsprechende Entscheidung.

Autor/in:
Alexander Pitz
Symbolbild Sterbehilfe / © NATNN (shutterstock)

Zuvor war die zuständige Ethikkommission zu dem Schluss gekommen, dass die notwendigen Voraussetzungen im Falle eines bettlägerigen 43-Jährigen gegeben sind. Dem Beschluss war ein viel beachteter Rechtsstreit vorausgegangen.

Der Betroffene, ein früherer Lkw-Fahrer aus Pesaro, äußerte sich in einer ersten Reaktion "erleichtert". Sein langer Leidensweg nach einem Verkehrsunfall sei nun fast vorbei. Der seit mehr als zehn Jahren bewegungsunfähige Mann hatte bereits 2020 bei der lokalen Gesundheitsbehörde einen Antrag auf medizinisch assistierten Suizid gestellt, der zunächst ohne Prüfung abgewiesen wurde. Im Juni entschied ein Gericht in Ancona, dass die Prüfung durch die Gesundheitsbehörde doch stattfinden muss.

Gesetzliche Regelung steht noch aus

Hintergrund ist eine Entscheidung des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2019. Damals stellten die Richter fest, dass es unter bestimmen Umständen straffrei sei, die Ausführung eines frei gebildeten Suizidvorsatzes zu erleichtern. Das Parlament wurde aufgefordert eine genauere gesetzliche Regelung zu entwerfen. Eine solche gibt es bislang aber noch nicht. Das italienische Strafrecht sah für Anstiftung und Beihilfe zum Suizid bis zu dem Richterspruch fünf bis zwölf Jahre Freiheitsentzug vor.

Auch die italienische Regierung strebt eine Liberalisierung der Suizidbeihilfe an. Gesundheitsminister Roberto Speranza kündigte vor einigen Monaten eine entsprechende Vereinbarung mit den Regionen an. Ziel sei es, in bestimmten Fällen eine rechtliche "Garantie" zu schaffen. "Ich persönlich bin seit langem von der Notwendigkeit und Dringlichkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme in dieser Angelegenheit überzeugt", so der Politiker.

Ablehnung der katholischen Kirche

Die katholische Kirche steht diesem Vorhaben weiterhin ablehnend gegenüber. Am Dienstag meldete sich dazu erneut die Päpstliche Akademie für das Leben zu Wort. Man wolle die Schwere dessen, was dem Lkw-Fahrer geschehen sei, keinesfalls herunterspielen, heißt es darin. Es stelle sich jedoch die Frage, ob es eine angemessene Reaktion sei, Menschen dazu zu ermutigen, sich das Leben zu nehmen.

Eine grundsätzliche Legitimierung von Suizidbeihilfe stellt aus Sicht des Vatikan einen "Widerspruch zu einer zivilisierten Gesellschaft" dar. Besser wäre es demnach, sich die eigene Ohnmacht einzugestehen und nach "anderen Wegen" zu suchen. Am überzeugendsten scheine "der Ansatz der Begleitung zu sein, der die vielen persönlichen Bedürfnisse in dieser sehr schwierigen Situation aufgreift". Dabei dürfe der Wert eines jeden menschlichen Lebens nicht außer Acht gelassen werden.

Mehr als eine Million Unterschriften gesammelt

Unterdessen setzt sich die Initiative "Liberi fino alla fine" (Frei bis zum Ende) weiter für eine Freigabe der aktiven Sterbehilfe ein, auch "Tötung auf Verlangen" genannt. Artikel 579 des italienischen Strafgesetzbuchs sieht dafür bisher 6 bis 15 Jahre Freiheitsstrafe vor. In den vergangenen Monaten gelang es den Initiatoren, mehr als 1,2 Millionen Unterschriften für eine Streichung des Artikels zu sammeln. Sollten keine verfassungsrechtlichen Bedenken vorliegen, dürften die Italiener Mitte 2022 zur Abstimmung gebeten werden.


Quelle:
KNA