Von seinen Anhängern lässt sich Brasiliens rechtspopulistischer Präsident Jair Messias Bolsonaro gerne als "Mito" feiern, als "Mythos". Die "Auszeichnung" hat er sich in den Augen seiner Anhänger mit seinen Ausfällen gegen das "politisch Korrekte" und der Missachtung jeglicher Etikette verdient. Doch in der in Brasilien beginnenden Corona-Panik ziehen seine Verschwörungstheorien und flotten Sprüche nicht mehr. Mittlerweile 34 Tote und rund 2.000 Infizierte lassen sich nicht so einfach ignorieren.
Viel mehr als eine "leichte Grippe" sei das Virus nicht, kein Grund für "Panik und Hysterie", so Bolsonaros Mantra der vergangenen Wochen. Dahinter steckten wirtschaftliche Interessen, gerichtet sowohl gegen ihn wie auch gegen US-Präsident Donald Trump. In den Gängen des Präsidentenpalastes spreche man über eine Attacke Chinas, schreiben Medien. Bereits hinter dem Klimawandel vermutete Bolsonaro chinesische Interessen, um das christliche Abendland zu schwächen.
Test auf das Coronavirus
Um seine Nähe zu Trump zu beweisen, reiste Bolsonaro in der zweiten Märzwoche zu ihm in die USA. Nach der Rückkehr wurden immer mehr seiner Mitreisenden positiv auf das Coronavirus getestet. Um Bolsonaros eigenen Test ranken sich bis heute Gerüchte. So soll sein Sohn Eduardo dem US-Sender Fox News bestätigt haben, dass ein erster Test seines Vaters positiv sei. Stunden später stritt Eduardo alles ab und sprach von Lügen der Presse. Am selben Tag gab Bolsonaro selbst an, negativ getestet worden zu sein.
Noch während er unter ärztlicher Beobachtung stand, nahm der Ex-Militär dann am 15. März an einer Demonstration in Brasilia teil. Dabei ließ er sich von seinen Anhängern feiern und machte reichlich Selfies. Zu 272 Personen soll er dabei Körperkontakt gehabt haben. Eine Leichtsinnigkeit, zumal Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta wegen der Ansteckungsgefahr von Demos abgeraten hatte. Überhaupt war die Teilnahme des Präsidenten ein echtes Politikum, forderten die Demonstranten doch die Schließung des Kongresses und des Obersten Gerichts, manche gar einen Militärputsch. Selbst engen Verbündeten missfiel Bolsonaros Bad in der verfassungsfeindlichen Menge.
Kritik an Ausgangsbeschränkungen
Als Präsident müsse er mitten unter seinem Volk sein, lautete dessen Rechtfertigung. Viele der Demonstranten würden sich sowieso infizieren. "Und wenn ich mich dabei angesteckt habe, so ist das mein Problem." Wenige Tage später versuchte er, den schlechten Eindruck vor der Presse geradezurücken. Doch während Gesundheitsminister Mandetta Bolsonaro als "Kapitän in der Krise" pries, kämpfte dieser mit seiner Atemschutzmaske. Irgendwann saß sie ihm dann auf den Augen; die Bilder des "blinden Kapitäns" stehen seitdem symbolisch für Bolsonaros Corona-Desaster.
Stattdessen reißen nun Bürgermeister und Gouverneure das Heft des Handels an sich. Der Präsident beschränkt sich darauf, die von ihnen ausgerufenen Ausgangsbeschränkungen wegen der negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft zu kritisieren. "Die Gouverneure sind richtige Job-Killer, und sie verursachen eine Krise, die viel schlimmer ist als das Virus", so Bolsonaro am Sonntag. Brasilien könne sich nicht leisten, in die Rezession zu rutschen, das Leben müsse normal weiterlaufen - selbst wenn dabei Menschen stürben wie bei jeder anderen Influenza-Welle auch.
Schlechte Wirtschaftslage gefährdet Präsidentschaft
Bolsonaro weiß, dass eine einbrechende Wirtschaft seine Präsidentschaft gefährdet. "Die Presse und die Gouverneure wollen mich vom Stuhl stoßen", klagt er. Dabei sind die Pannen hausgemacht. Am Montag musste er nach heftiger Kritik ein Dekret zurücknehmen, das Unternehmern zugestand, Angestellte ohne Lohnfortzahlung für vier Monate zu entlassen. Man habe sich schlicht vertippt, musste das Wirtschaftsministerium rasch verkünden.
Laut einer aktuellen Umfrage halten nur noch 35 Prozent der Befragten Bolsonaros Krisenmanagement für gut. Als er von Journalisten auf den niedrigen Wert angesprochen wurde, verweigerte er eine Antwort. Die Frage sei "unpatriotisch".