DOMRADIO.DE: Wie sind Sie zu der Stelle als Implementierungsbeauftragter des Bistums Limburg gekommen?
Dr. Dr. Caspar Söling (Bischöflicher Beauftragter für die Implementierung der MHG-Projektergebnisse): Das war letzten Endes ein Anruf des Bischofs von Limburg, Georg Bätzing. Er hatte mitbekommen, dass ich die Aufarbeitung bei uns im Sankt Vinzent Stift, eine Einrichtung der Josefs-Gesellschaft, betrieben habe und eine wissenschaftliche Studie habe machen lassen. Außerdem haben wir die betroffenen Heimkinder damals aus den 50er, 60er und 70er Jahren individuell begleitet und betreut. Und deswegen hat mich Bischof Bätzing erst in eine Projektgruppe berufen. Und als es dann um die Umsetzung der Projektergebnisse ging, hat er mich zu dem sogenannten Implementierungsbeauftragten berufen.
DOMRADIO.DE: Sie wissen also, wie es geht. Wie kann denn Missbrauch Ihrer Meinung nach verhindert werden?
Söling: Im Grunde gibt es unterschiedliche Dimensionen. Das eine ist die Dimension des Täters, da geht es um Verhaltensrisiken. Ein wichtiger Faktor ist dabei, wie das Personal überhaupt ausgesucht wird. Eine andere Dimension sind die sogenannten Business-Risiken. Wissen Haupt- und Ehrenamtliche, welche Begleitumstände Missbrauch befördern und welche begrenzen können? Es gibt verschiedene Felder bis hin zu organisatorischen Risiken. Die Abläufe müssen klar sein, wenn etwas passiert. Und es muss völlig klar sein, wie Prävention erfolgt.
DOMRADIO.DE: In vielen Bistümern gibt es ja schon Präventionsmaßnahmen gegen Missbrauch. Warum reicht dieser nicht aus?
Söling: Die Deutsche Bischofskonferenz hat da einige Standards gesetzt mit der Präventionsordnung, der Interventionsordnung und jetzt auch im letzten Jahr mit der Personalaktenführung. Aber das sind nur einzelne Gebiete und ich glaube, man muss da wesentlich umfassender ansetzen. Ich habe von den Verhaltensrisiken, den persönlichen Risiken gesprochen. Wir haben zum Beispiel im Bistum Limburg deswegen die gesamte Ausbildungsordnung überarbeitet. So können wir sicherstellen, dass wir pastorale Mitarbeiter, Priester und Laien, nur dann einstellen, wenn sie eine entsprechende Entwicklung und Auseinandersetzung mit dem Thema der Sexualität betrieben haben.
DOMRADIO.DE: Was sind denn Punkte, die neu sind?
Söling: Angehende Priester sollen nicht isoliert ausgebildet werden, sondern möglichst umfassend zusammen mit Laien in Ausbildung. Die thematischen Auseinandersetzungen haben wir besprochen, aber es gibt auch weitere Themen. Zum Beispiel haben wir im Bistum Limburg uns sehr stark dafür eingesetzt, dass die ganze Kommunikation des Bistums über Missbrauch sensibel den Betroffenen gegenüber ist. Es geht nicht darum, die Institution zu verteidigen, sondern darum, den Betroffenen zu helfen und gerecht zu werden. Und das ist ein aufwendiger Prozess.
DOMRADIO.DE: Sie haben ja auch schon von der Begleitung von Tätern gesprochen. Wie muss ich mir das vorstellen?
Söling: Das ist ein heikler Punkt. Im Bistum Limburg wie auch in anderen Bistümern sind nach wie vor Diakone und Priester beschäftigt, die strafrechtlich verurteilt wurden oder wo es erhärtete Verdachtsmomente gab und gibt. Da kann man nicht einfach sagen, das Thema ist damit erledigt. Wir haben dazu bewusst die Ordnung "Begleitung von Tätern" erstellt, mit der wir sicherstellen, dass sie weiter mit Supervision begleitet werden. Oder wenn sie rechtlich verurteilt wurden, lassen wir kriminal-prognostische Gutachten anfertigen, um eine Prognose zu bekommen. Und zwar nicht nur für das Bistum, sondern auch für die Täter selbst, damit sie stärker einschätzen können, wie ihre Situation ist und entsprechend präventiv an sich arbeiten.
DOMRADIO.DE: Einen bischöflichen Implementierungsbeauftragten gibt es nur im Bistum Limburg und in keinem anderen deutschen Bistum. Hängen Sie die anderen Bistümer nicht ein bisschen ab?
Söling: Ich weiß nicht, ob man von Abhängen sprechen kann, aber Bischof Bätzing hat seinen Worten Taten folgen lassen. Er hatte damals, als die Ergebnisse der MHG-Studie vorgestellt wurden wurden, versprochen, sie auch umzusetzen. Für diese Poistion wollte er jemanden haben, der das Bistum einerseits von außen betrachtet, andererseits das Bistum aber auch kennt. Und vor allen Dingen hat Bischof Bätzing ganz klar alle Maßnahmen, die umzusetzen sind, für das Bistum auf die höchste Priorität gesetzt. Und ohne diese Prioritätensetzung hätte ich den Job auch nicht angefangen. Ein Bistum und genrell große Organisationen unterliegt einer gewissen Systemträgheit. Da braucht man eine besondere Positionierung, um da Bewegung reinzubringen.
Das Interview führte Tim Helssen.