Wie der Klimawandel vielen Menschen den Schlaf raubt

Belastung durch Helligkeit und Sorge

Tropische Sommernächte, schlechte Luftqualität, beunruhigende Extremwetterlagen: Veränderungen des Klimas sorgen für schlechteren Schlaf. Fachleute fordern mehr Aufmerksamkeit für Umwelteinflüsse auf die Erholung.

Autor/in:
Paula Konersmann
Wie der Klimawandel vielen Menschen den Schlaf raubt / © CGN089 (shutterstock)
Wie der Klimawandel vielen Menschen den Schlaf raubt / © CGN089 ( shutterstock )

Schlafprobleme haben zugenommen – darüber sind sich Fachleute weitgehend einig. Höherer Zeitdruck, Schichtarbeit und digitale Ablenkung sind als soziale Ursachen dieser Entwicklung schon länger im Blick. Nun pochen Mediziner darauf, auch Umweltbedingungen stärker zu beachten: Denn Klimawandel, Lichtverschmutzung, Lärm und Luftfeuchtigkeit beeinflussen laut Ingo Fietze ebenfalls die Schlafqualität.

Bisher kaum beachtet

Fietze leitet das Interdisziplinäre Schlafmedizinische Zentrum an der Berliner Charite – und er ist Ko-Präsident der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, die Anfang Dezember in der Hauptstadt stattfindet. Das Motto lautet "Schlaf in Zeiten des Wandels".

Gesellschaftlich würden die Auswirkungen des Klimawandels auf den Schlaf-Wach-Zyklus, die Erholsamkeit des Schlafs und die Befindlichkeit am folgenden Tag noch kaum beachtet, beklagen die Expertinnen und Experten.

Temperatur und Luftfeuchtigkeit

Dabei zeigen sich diese Einflüsse auf mehreren Ebenen. Steigen etwa die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit, können Menschen schlechter einschlafen. Was viele aus besonders heißen Sommernächten kennen, ist auch in der kühleren Jahreszeit nachweisbar, selbst wenn der Einzelne es vielleicht weniger bemerkt: An wärmeren Tagen sinkt die Körpertemperatur später und langsamer ab.

Dieses Absinken ist jedoch notwendig, damit ein Müdigkeitsgefühl aufkommt. Ein verzögerter oder "freilaufender" Rhythmus zwischen Schlaf- und Wachzeiten kann die Folge sein, erklärt die Göttinger Schlafforscherin Andrea Rodenbeck.

Vor allem Jugendliche 

Sie rechnet mit solchen Störungen und auch mit sogenannter Insomnie vor allem bei Jugendlichen, aber auch bei Menschen, die ohnehin eine Veranlagung für schlechten Schlaf haben. Insomnie bezeichnet eine krankhafte Schlafstörung: Betroffene haben Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen oder beim Aufwachen, und sie leiden unter dauerhaft schlechter Schlafqualität, die auch am Folgetag für Einschränkungen sorgt.

Durch Klimaangst können sich weitere Schlafstörungen entwickeln, ergänzt die Chefärztin der Nürnberger CuraMed-Tagesklinik, Kneginja Richter. Eine Dauerberieselung mit negativen Nachrichten trage vor allem unter jungen Menschen zu belastendem Grübeln bei. "Eine Angststörung entwickelt man, wenn man sich etwas hilflos ausgesetzt fühlt und nichts tun kann", erklärt Richter. So fühlten sich viele Menschen angesichts der Klimakrise – hilfreich gegen diese Ohnmacht sei nur, aktiv etwas zu tun.

Ein Leben "auf Reserve"

Charite-Mediziner Dieter Kunz weist zudem auf die saisonalen Bedürfnisse des Menschen hin. Manche Tiere halten Winterschlaf – der Mensch lebe dagegen im Winter genauso wie im Sommer. Dabei hingen auch die menschlichen Tiefschlafphasen unter anderem von den Lichtverhältnissen ab; auch seien die Tiefschlafphasen intensiver, wenn es draußen unter null Grad kalt sei.

Diese Faktoren zu missachten, führe zu einem Leben "auf Reserve", mahnt der Experte. "Wenn die aufgebraucht ist, fühlen wir uns nicht nur erschöpft und ausgelaugt, wir funktionieren auch nicht mehr." Eine sogenannte Winterdepression erlebten die meisten Menschen daher im Februar. Dies wirft laut Kunz die Frage auf, ob eine Anpassung des täglichen Lebens an den natürlichen Rhythmus nicht sinnvoll sei.

Mehr Ruhephasen am Tag 

Dieser Rhythmus sieht nach Worten von Schlafcoach Nick Littlehales vor, "dass man aktiv wird, wenn die Sonne aufgeht. Zur Mittagszeit erholt man sich ein wenig, isst, trinkt und ruht sich aus. Anschließend nutzt man die Helligkeit, bis es dämmert und man müde wird." Früher hätten die Menschen auch tagsüber längere Pausen gemacht, mehrere Nickerchen gehalten und dafür nachts weniger geschlafen, sagte Littlehales kürzlich dem Magazin "Flow".

Der Autor riet zu mehr Ruhepausen am Tag, sei es eine halbe Stunde oder auch eine "Mikropause", in der man eine Tätigkeit kurzunterbreche. Vielen Menschen sei nicht klar, dass diese Form der Erholung genauso wichtig sei wie ein guter Schlaf in der Nacht.Hilfreich könne es auch sein, sich klarzumachen, dass Schlaf in Zyklen verlaufe: Daher sei es auch "nicht abwegig, mitten in der Nacht aufzuwachen und eine Zeitlang nicht wieder einschlafen zu können".

Quelle:
KNA