Seit mehr als einer Woche erlebt Venezuela nach Bekanntgabe des höchst fragwürdigen Wahlsieges von Präsident Nicolas Maduro eine weitere schwere Staatskrise. Zehntausende Menschen demonstrierten am Wochenende erneut gegen das offizielle Ergebnis und forderten von der Regierung Beweise. Die EU fordert derweil eine unabhängige Überprüfung, die USA und einige lateinamerikanische Länder erkennen gar den bürgerlichen Oppositionskandidaten Edmundo Gonzalez als Wahlsieger an.
Inmitten dieser Krise blicken besonders viele Menschen auf die katholische Kirche des Landes, die sich immer wieder öffentlich zu Wort meldet. Große Aufmerksamkeit erhielt in den lateinamerikanischen Medien ein Brief mit Unterschriften der Kardinäle Baltazar Porras und Diego Padron. Ob das Schreiben echt ist, dafür gibt es allerdings weder eine offizielle Bestätigung noch ein Dementi. In dem Brief heißt es, das venezolanische Volk habe sich mit überwältigender Mehrheit gegen den amtierenden Präsidenten und für eine Änderung des Regierungskurses ausgesprochen. Es sei absurd, Amtsinhaber Maduro trotzdem zum Wahlsieger zu erklären.
Dialog zum Wohle der venezolanischen Bevölkerung
Zuvor hatte sich bereits die Venezolanische Bischofskonferenz zu Wort gemeldet: "Wir schließen uns all jenen innerhalb und außerhalb Venezuelas an, die eine Überprüfung der Stimmzettel unter aktiver und vollständiger Beteiligung aller relevanten politischen Akteure fordern", hieß es in einer Erklärung.
Auch Papst Franziskus äußerte sich. In seiner Ansprache zum Angelus-Gebet auf dem Petersplatz am Sonntag sprach sich der Argentinier gegen jede Form von Gewalt aus und forderte einen Dialog zum Wohle der venezolanischen Bevölkerung. Die Zurückhaltung des Papstes nicht nur zu diesem Thema löst in den Sozialen Netzwerken als auch bei Teilen der Opposition in Venezuela Kritik aus.
"Wir erwarten mehr von Papst Franziskus"
Schon vor dem umstrittenen Wahlsieg forderte Venezuelas ehemaliger Interimspräsident Juan Guaido im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Bei allem Respekt, ich muss sagen, wir erwarten mehr von Papst Franziskus." Der Vatikan müsse sich öffentlich mehr hinter Geistliche stellen, die sich im direkten Spannungsfeld mit Diktatoren befänden, so Guaido, der phasenweise Maduros bekanntester Gegenspieler war.
Tatsächlich leiste die Ortskirche wertvolle soziale und humanitäre Arbeit, um das Leid der Menschen zu lindern. "Aber ich bin sicher, dass auf politischer Ebene der Vatikan viel mehr für die unterdrückten Völker tun kann", sagte der im Exil lebende Oppositionspolitiker.
Der laut Zahlen der Opposition und unabhängiger Wahlbeobachter tatsächlich zum Präsidenten Venezuelas gewählte Kandidat Gonzalez dankte hingegen dem Papst. In einer Erklärung schrieb er: "Wir danken dem Heiligen Vater Franziskus für seine Gebete für Frieden und Wahrheit in unserem Venezuela. Wir alle wollen das Wohlergehen der Venezolaner und den Weg zu einem Land der Würde, des Verständnisses und des Friedens. Die Wahrheit ist der Weg zum Frieden."