DOMRADIO.DE: Was macht Europa für Sie aus?
Prälat Felix Bernard (Leiter des Katholischen Büros Niedersachsen): Europa ist eine wunderbare Idee der Verständigung, der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens aller Völker - zumindest auch der Völker auf unserem Kontinent.
DOMRADIO.DE: Der Brexit sorgt für Ängste, sowohl auf der Insel als auch in vielen europäischen Ländern. Müssen wir uns vor einem Auseinanderbrechen der "Friedens-Union" Europa fürchten?
Bernard: Die Gefahr besteht, dass andere Länder versuchen, aus der Union auszutreten. Auch in Deutschland gibt es Stimmen, die für einen Dexit (Ausstieg Deutschlands aus der EU, Anm. d. Red.) sprechen. Diese sind zwar glücklicherweise nicht ganz so gewichtig, aber es gibt sie – auch in anderen Ländern. Ein Ausstieg Deutschlands aus der Europäischen Union ist undenkbar, aber die Stimmen werden laut.
DOMRADIO.DE: Sie glauben also nicht, dass es zum deutschen Ausstieg kommen wird. Da gibt es genug Gegenwehr, oder?
Bernard: Ja, dagegen sprechen Vernunft und die vielen Freiheiten, die man in der Europäischen Union hat: die Friedenssicherung, die Reisefreiheit. Die deutschen Bürgerinnen und Bürger erfahren ja, wie schön es ist, wenn man problemlos durch Europa reisen kann.
Auf der anderen Seite gibt es die Befürchtung, dass man in Europa überreguliert. Aber es gibt doch viele erlebbar positive Seiten dieser "Einheit in Verschiedenheit", wenn man das mal so sagen darf.
DOMRADIO.DE: Die Kirchen beteiligen sich an einem gerade gegründeten Bündnis in Niedersachsen. "Jetzt ist die Stunde Europas", sagte Hildesheims katholischer Bischof Heiner Wilmer. Warum schließt sich die Kirche Verbänden und Gewerkschaften an? Warum mischt sie sich ein?
Bernard: Die Kirche mischt sich ein, weil sie sich in einer Zeit der Europamüdigkeit herausgefordert fühlt, Menschen zur Wahl zu motivieren. Deshalb unterstützen wir die Kampagne des Kolpingwerks "Deine Stimme für Europa" und Schüleraustausche an kirchlichen Schulen, um aufzuzeigen: Die Zukunft liegt in einer Europäischen Union.
DOMRADIO.DE: Was tut die katholische Kirche aktiv für Europa? Sie sagten, das Kolpingwerk ist in Schulen und in der Bildungsarbeit aktiv. Welche Aktionen gibt es noch?
Bernard: Ich denke, dass unsere Sozialverbände dieses Thema – wie sie es auch bei anderen Wahlen tun – immer wieder zur Podiumsdiskussion mit Europa-Politikern einladen, wo man Wünsche und Erwartungen formulieren kann. Dann gibt es die Hirtenbriefe. Europa kann auch Thema einer Predigt werden. Die Bischöfe können sich dazu äußern, aber auch einzelne Gläubige können das Positive an Europa benennen.
DOMRADIO.DE: Das Bündnis ist bunt – Gewerkschaften, Verbände und auch die Landesregierungen sind beteiligt. Welche Hoffnung haben Sie mit Blick auf dieses neu gegründete Bündnis?
Bernard: Es ist immer gut, wenn verschiedene Sozialpartner oder Institutionen und die Kirchen an einem Strang ziehen. Was wir mit den Gewerkschaften gemeinsam auf der Agenda haben, sind natürlich menschenwürdige Arbeitsverhältnisse und ein gerechter Arbeitslohn. Da können wir gut mit den Gewerkschaften an einem Strang ziehen. In Europa besteht die Gefahr, dass die Löhne nicht gerecht ausfallen. Man denke an Werkverträge, an die Ausbeutung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Rumänien oder Bulgarien.
Wir sind gemeinsam mit den Gewerkschaften für gerechte Löhne und für eine soziale Marktwirtschaft und stehen mit den Unternehmerverbänden in Verbindung. Das motiviert uns, an einem Strang zu ziehen - für die Idee Europa.