"liquida non frangunt ieunum" - Flüssiges bricht das Fasten nicht, besagt eine alte Regel. Doch das ist nicht die einzige Leitlinie, welche die vierzigtägige Bußzeit vor Ostern etwas erträglicher macht. Insbesondere die Mönche gingen mit den Fastengeboten im Laufe der Zeit durchaus kreativ um und taten Schlupflöcher auf, die bis heute wenig an Attraktivität verloren haben.
Das bekannteste Beispiel dafür dürfte wohl die Maultasche sein. Ist sie heute ganzjährig gerngesehener Gast in Suppen, Salaten oder gar in Schmalz angebraten, diente sie den Mönchen während der Fastentage vor allem als Schummelinstrument. Im baden-württembergischen Kloster Maulbronn, so besagt es die Legende, erfanden die Gottesmänner während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) die beliebte Speise.
"Herrgottsbescheißerle"
Denn die Mönche bekamen der Legende nach während der Fastenzeit ein Stück Fleisch geschenkt. Die Tage der Abstinenz jedoch verboten ihnen dessen Konsum. Also zerhackten die Ordensleute das Fleisch, vermischten es mit Spinat und füllten es in die rundum verschlossenen Teigtaschen. Unter der Teigschicht konnte der Allmächtige den verbotenen Genuss nicht sehen, hofften sie. Die "Herrgottsbescheißerle" waren geboren.
Doch nicht nur die Maultaschen können vor den Augen Gottes still und heimlich ein Stück Fleisch auf den Teller schummeln. Auch der Biber eignet sich hervorragend als nahrhaftes Gericht in der Fastenzeit, lebt er doch schließlich am und im Wasser. Und so wurde das Nagetier praktischerweise zum Fisch deklariert - und konnte an Fastentagen problemlos gegessen werden.
Bier trinken mit päpstlichem Segen
Apropos Wasser: Wenn Flüssiges das Fasten nicht bricht, schließt dies den Genuss von Bier selbstverständlich mit ein. Dafür gab es sogar päpstlichen Segen, heißt es. Im Mittelalter sollen Mönche eine Ladung Starkbier nach Rom geschickt haben. Dort angekommen, war es längst verdorben. Der Papst, wenig angetan vom ranzigen Gebräu, war sich sicher, dass er es hier mit einem Bußgetränk zu tun haben müsse. Dem Herrn zu Ehren also muss, da können Biertrinker aufatmen, auf das Hopfengebräu nicht verzichtet werden.
Dient die Fastenzeit heutzutage so manchem als willkommene nachkarnevalistische Gesundungsphase für Körper und Geist, gehörte das Fasten - längst nicht nur in den Tagen vor Ostern - besonders in den mittelalterlichen Klöstern zum Alltag. Und so künden die alten Ordensregeln bereits von entsprechenden Ausnahmen.
Ausnahmen von der Fastenregel
Immer achte man auf die Schwäche der Alten und Kinder, heißt es zum Beispiel in der Benediktsregel aus dem 6. Jahrhundert. "Für ihre Nahrung darf die Strenge der Regel keinesfalls gelten", schrieb der Ordensgründer aus Nursia. Ähnlich sah es Augustinus. "Bezwingt euren Leib durch Fasten und Enthaltung von Speise und Trank, soweit es eure Gesundheit zulässt", besagt die Regel, die auf den lateinischen Kirchenvater zurückgeht. Und sie schließt an: "Wer aber krank ist, darf jederzeit etwas zu sich nehmen."
Vom Mittelalter ins 21. Jahrhundert: Bis heute ist die österliche Bußzeit in der katholischen Kirche eine Zeit des Fastens. Als strenge Abstinenztage gelten Aschermittwoch und Karfreitag. Zum Fasten verpflichtet sind alle Katholiken vom vollendeten 18. bis zum Beginn des 60. Lebensjahrs. Doch wer von Freunden zum Essen eingeladen wird, hat noch einmal Glück gehabt. Denn die Fastenordnung, die die Deutsche Bischofskonferenz 1986 herausgegeben hat, sieht hier eine mögliche Dispens vor. Vom Fasten entschuldigt ist, wer krank, auf Reisen oder am fremden Tisch eingeladen ist. Auch wer körperlich schwer arbeitet, kann sich der Abstinenz entziehen.
Wem all diese Ausnahmen nach zu viel Schummelei schmecken, dem bleiben immer noch die Sonntage. Sie nämlich zählen nicht zur Quadragesima, der vierzigtägigen Bußzeit. Somit sind sie, genau wie hohe Feiertage, von Fastengeboten ausgenommen. Und sie werden - wie praktisch! - bereits am Vorabend mit der Vesper eingeläutet. So kann schon der Samstagabend fröhlich begangenen werden, auf gut katholische Art und Weise.