DOMRADIO.DE: Wie werden denn Menschen auf die mobile Schuldnerberatung aufmerksam?
Sabine Taufmann (Schuldnerberaterin der Diakonie Hannover-Land): Wir haben, als wir mit dem Projekt begonnen haben, viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht, sodass darüber berichtet wurde. Dadurch wurden einige Menschen direkt darauf aufmerksam.
Wir sind außerdem immer dabei, uns im ganzen Sozialraum zu vernetzen, sodass andere Einrichtungen auf uns aufmerksam werden. So kommen dann auch Menschen auf uns zu, die bei anderen Beratungseinrichtungen von uns gehört haben.
Die Beratung richtet sich vor allem an Senioren.
DOMRADIO.DE: Was ist Ziel des Projekts?
Taufmann: Es geht nicht nur darum, ein Angebot für überschuldete Senioren zu starten, sondern auch darum, dass wir eine idealtypische Konzeption erarbeiten. Wir müssen ja wissen, was es dafür braucht, dass unsere Beratung gut funktioniert und dass die Senioren zu uns kommen.
DOMRADIO.DE: Warum soll die Schuldnerberatung denn mobil sein und auf die Menschen zugehen und nicht andersherum?
Taufmann: Normalerweise sind Schuldnerberatungen ja andersherum strukturiert. Normalerweise haben wir in der Schuldnerberatung die sogenannte "Komm-Struktur", das heißt, die Ratsuchenden kommen zu uns in die Beratungsstelle.
Das ist eine Hürde, nicht nur für die Senioren, sondern für alle Menschen. Scham spielt dabei eine große Rolle. Es fragen uns oft Menschen, ob wir einen Hintereingang haben. Bei Senioren spielt die Scham eine größere Rolle, als beim jüngeren Klientel, so habe ich das erlebt.
Außerdem haben wir uns für die mobile Schuldnerberatung entschieden, weil viele Senioren nicht so mobil sind. Gerade hier im ländlichen Raum ist es zu anderen Beratungsstellen unter Umständen sehr weit. Die sind dazu häufig nicht barrierefrei. Deswegen ist es, glaube ich, eine super Sache, wenn wir zu ihnen kommen können.
DOMRADIO.DE: Wenn Rente und Erspartes im Rentenalter nicht reichen, ist es da nicht schon zu spät? Muss man nicht viel früher ansetzen, um vernünftig zu planen?
Taufmann: Es ist gut, wenn man früh plant. Aber es ist nicht so, dass die überschuldeten Senioren selbst daran schuld sind, weil sie zu spät geplant hätten. Das ist wie in allen anderen Lebensphasen auch.
Meistens wird aus einer Verschuldung eine Überschuldung. Das liegt daran, dass ein unvorhersehbares und unverhinderbares Lebensereignis eintritt. Wenn zum Beispiel der Partner verstirbt und ein Einkommen wegfällt oder wenn eine schwere Krankheit ins Leben eintritt und man hohe Pflege- und Krankheitskosten hat, die nicht so leicht zu deckeln sind.
Es kann auch sein, dass eine betriebliche Altersversorgung ausgezahlt wird und zwei Jahre später erhebt das Finanzamt dadurch eine Steuernachforderung oder die Krankenkasse eine Beitragsnachforderung. Es passieren ganz viele Dinge, mit denen man nicht so einfach rechnen kann.
DOMRADIO.DE: Haben Sie ein Beispiel dafür, wie Sie Menschen schon mal gut beraten haben?
Taufmann: Ich hatte eine ältere Dame in Beratung, die eigentlich nie viel Geld hatte, die aber immer ganz gut damit hingekommen ist. Nach ihrer Verrentung musste sie zwar noch einen Ratenkredit abbezahlen, aber das klappte alles noch ganz gut. Dann wurde sie ganz plötzlich so schwer krank, dass sie erst ins Krankenhaus und dann direkt ins Pflegeheim kam.
Dann wurde die Rente direkt ans Pflegeheim abgetreten und die Betroffene hatte nur noch ein Taschengeld von 150 Euro, mit denen sie noch ihre persönlichen Ausgaben bezahlen musste. Sie konnte den Kredit nicht mehr zurückzahlen. Gleichzeitig kamen Schulden von dem Vermieter, weil sie ihre Wohnung nicht fristgerecht hat kündigen können.
Das kam alles so plötzlich, dass sie am Ende Schulden von 10.000 Euro hatte, die sie von ihrem Taschengeld hätte bezahlen sollen. Da hat sie sich, nach vielen Gesprächen mit mir und ihrer Tochter, zu einem Insolvenzverfahren entschlossen. Seitdem kann sie wieder ruhig schlafen.
DOMRADIO.DE: Wenn jemand mit einer schweren Krankheit beschäftigt ist, ist es für die Angehörigen ja auch eine riesige Aufgabe. Irgendjemand muss sich ja um die ganze Verwaltung kümmern.
Taufmann: Das bringt die Angehörigen sehr an ihre Grenzen. Zum Glück gibt es ja auch da Beratungsstellen, Seniorenstützpunkte oder Pflegestützpunkte, die helfen. Aber das ist ein ganz großes, schwieriges Thema.
DOMRADIO.DE: Gefördert wird die mobile Schuldnerberatung vom Bundesverbraucherministerium mit 1,37 Millionen Euro. Das Projekt läuft bis Dezember 2025. Wie gut geht es aus Ihrer Perspektive voran?
Taufmann: Es geht super voran. Es sind übrigens 1,9 Millionen Euro. Das Bundesverbraucherministerium hat nochmal aufgestockt. Wir machen gute Erfahrung und finden gerade heraus, was funktioniert, was wir wirklich für die Beratung brauchen, wie viel Zeit man mitbringen muss und so weiter.
Diese Beratung ist viel zeitintensiver als die mit der "Komm-Struktur". Meistens ist noch die Arbeit mit den Angehörigen dabei. Die Wege dorthin, die Wege zurück muss man einplanen.
DOMRADIO.DE: Wie sieht es nach Dezember 2025 aus?
Taufmann: Wenn es nach mir ginge, würde dieses Projekt auf jeden Fall weitergehen. Aber dafür brauchen wir natürlich weitere finanzielle Mittel.
Das Interview führte Dagmar Peters.