DOMRADIO.DE: Am gestrigen Sonntag hat die "Exarchie für die katholischen Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland und Skandinavien" mit einer feierlichen Pontifikalliturgie in ihrer Kathedralkirche in München ihr 65-jähriges Bestehen begangen. Am Ende des Gottesdienstes verkündete das Oberhaupt, die Ständige Synode der Kirche habe beschlossen, beim Apostolischen Stuhl einen Antrag auf Erhebung des Exarchats zur Eparchie zu stellen.
Herr Prof. Kremer, Sie sind der Ukrainisch Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK) eng verbunden und haben gestern selbst an der Liturgie teilgenommen. Was genau ist eine Eparchie und was unterscheidet sie von dem existierenden Exarchat der UGKK in Deutschland?
Prof. Dr. Thomas Kremer (Lehrstuhl für Theologie des Christlichen Ostens, Theologische Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt): Eparchie ist das ostkirchliche Synonym zur westkirchlichen Diözese. Beide Begriffe waren ursprünglich einmal Bezeichnungen für Verwaltungseinheiten im Römischen Reich, sie reflektieren die Zweisprachigkeit Griechisch–Latein. In der frühbyzantinischen Zeit kam dann die Bezeichnung Exarchat auf.
Kirchenrechtlich gesehen ist heute auch der Unterschied zwischen Eparchie und Exarchat nicht allzu groß. Er lässt sich vergleichen mit dem zwischen Apostolischem Vikariat und Diözese im lateinischen Kirchenrecht. Sowohl ein Exarch als auch ein Apostolischer Vikar haben bereits die volle Jurisdiktion und nehmen dieselben Aufgaben wie Diözesanbischöfe wahr. Streng kirchenrechtlich betrachtet gelten sie bisweilen als Stellvertreter der höheren Jurisdiktion, bei der UGKK des Großerzbischofs und in der Römisch-Katholischen Kirche des Papstes.
Beim ostkirchlichen Begriff des Exarchats schwingt zudem recht stark der Gedanke mit, dass außerhalb des eigenen "kanonischen Territoriums" eine neue Struktur für Gläubige in der Diaspora errichtet wurde. In der Orthodoxie ist der Begriff des Exarchats bisweilen etwas positiver konnotiert als in den katholischen Ostkirchen, wohl da man die Sorge für eine große Diaspora für eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe hält.
Für die aktuelle Diskussion wesentlich wichtiger ist die symbolische Bedeutung: Eine Erhebung eines Exarchats zur Eparchie bringt zum Ausdruck, dass im Vergleich zu den Gründungsjahren eine neue Qualität einer in jeder Hinsicht vollständig ausgeprägten und voll funktionierenden kirchlichen Struktur erreicht worden ist. Die Synode der UGKK hat sich intensiv mit der Situation der UGKK in Deutschland und Skandinavien befasst und ist davon überzeugt, dass man das für das Exarchat Deutschland und Skandinavien mit Fug und Recht behaupten kann und dass die Zeit für die Erhebung zur Eparchie reif ist.
DOMRADIO.DE: Kann man eine Eparchie dann 1:1 mit einem lateinischen Bistum gleichsetzen? Hätte die Deutsche Bischofskonferenz dann also 28 Diözesen, die gleichberechtigt sind? Würde das z. B. dann einer existierenden Metropolie zugeordnet?
Kremer: Das ist differenziert zu betrachten: Eine ostkirchliche Eparchie hat definitiv den gleichen Rang wie ein lateinisches Bistum, aber auch das Exarchat steht dem ja nur sehr unwesentlich nach. Aber ebenso wie ein Exarchat gliedert sich eine Eparchie einer katholischen Ostkirche nicht in die territorialen Strukturen der Römisch-Katholischen Kirche ein; sie begründen beide vielmehr für ihre Kirche eigenen Rechts eine eigene territoriale Jurisdiktion parallel zu den römisch-katholischen Diözesen bzw. setzen im Falle von Deutschland und Skandinavien die bereits seit 65 Jahren existierende Jurisdiktion fort.
Sachlich angemessen wäre es, bereits heute das Exarchat auf Augenhöhe mit den übrigen deutschen Diözesen zu sehen; die Erhebung zur Eparchie würde das in der allgemeinen Wahrnehmung noch einmal herausstellen.
Die Frage nach Metropolitanstrukturen ist eine interne Frage der UGKK. Diese könnte darauf hinwirken, eine ihrer westeuropäischen Eparchien zu einer Erzeparchie zu erheben und bspw. einen Sitz für eine Metropolie Westeuropa zu begründen. Ich glaube, das wird auch kommen, vielleicht jedoch noch nicht direkt. In Amerika ist es bereits eine Normalität, wo es Metropolitansitze der UGKK in den U.S.A., Kanada und Brasilien gibt, aber auch in Polen. Mit einer dritten Eparchie in Deutschland (neben Frankreich und England) und einem Exarchat in Italien wäre die "kritische Masse" wohl gegeben. Eine Integration in eine deutsche Metropolie ist nicht vorgesehen, und Skandinavien hat gar keine Metropolien.
DOMRADIO.DE: Der Exarch ist ja bereits Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), was würde sich für ihn bzw. die griechisch-katholischen Ukrainer in Deutschland ändern? Hätte er z. B. die gleichen Rechte und Pflichten in der DBK wie die anderen Bischöfe? Könnte er bspw. eine Kommission leiten?
Kremer: Die spezifischen Rechte des Bischofs der griechisch-katholischen Ukrainer in Deutschland innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz werden durch die Statuten der DBK geregelt, nicht durch das allgemeine Kirchenrecht.
Gleiches gilt für die Nordische Bischofskonferenz. Automatisch würde sich also gar nichts ändern. Die jetzigen Statuten spiegeln aber das Bild einer kirchlichen Realität, als die Präsenz ostkirchlicher Bischöfe noch etwas geradezu Exotisches an sich hatte, und so sind die Rechte des Exarchen sehr eng bemessen, er ist ja nicht einmal stimmberechtigtes Vollmitglied.
Ich persönlich halte das jetzt bereits in höchstem Maße für fragwürdig. Eine Erhebung zur Eparchie wäre ein willkommener Anlass, diese Statuten zu überarbeiten. Meines Erachtens müssten dabei zwei Aspekte leitend sein:
(1) insbesondere die geradezu visionären Aussagen des Ostkirchendekrets des II. Vatikanischen Konzils Orientalium Ecclesiarum (1964) und des Apostolischen Schreibens Orientale Lumen von Papst Johannes Paul II. (1995), in denen die volle, gleichberechtigte Würde aller katholischen Ostkirchen weltweit zum Ausdruck gebracht wird, und (2) der konkrete Blick in die pastorale Realität in Deutschland und Skandinavien, in der die Gemeinden der UGKK sich als äußerst vital erweisen. Sie sind als höchst lebendige Orte von Kirche längst Teil katholischer Normalität.
Dem Bischof der griechisch-katholischen Ukrainer in überarbeiteten Satzungen volle Rechte und Pflichten in der DBK und der Nordischen Bischofskonferenz zuzuschreiben – selbstverständlich auch die Leitung von Kommissionen oder die Möglichkeit, zum Vorsitzenden gewählt zu werden –, müsste meines Erachtens als Ausdruck einer gleichberechtigten Synodalität und einer der gegenwärtigen Ekklesiologie entsprechenden Anerkennung katholischer Ostkirchen eine Selbstverständlichkeit darstellen.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja bereits Eparchien in Frankreich und England, die damals von Papst Benedikt XVI. gegründet wurden. Welche Rolle spielt der Papst bzw. der Vatikan in diesem Prozess? Könnte bzw. würde der möglicherweise auch Einspruch einlegen?
Kremer: Es zu einem Einspruch des Papstes kommen zu lassen, widerspricht den Gepflogenheiten kirchlicher Diplomatie. Und die UGKK hat am Sonntag ja indirekt auch bereits angekündigt, gleichsam den "regulären Dienstweg" einzuschlagen. Nach c. 177 § 2 des CCEO kommt die Einrichtung, Veränderung und Aufhebung von Eparchien katholischer Ostkirchen außerhalb des kanonischen Territoriums allein dem Apostolischen Stuhl zu.
Deshalb hat der Großerzbischof der UGKK am Sonntag angekündigt, dem Apostolischen Stuhl auf der Grundlage eines Synodalbeschlusses einen Antrag vorzulegen. Konkret muss man sich das dann so vorstellen, dass das Dikasterium für die Orientalischen Kirchen sowohl mit der betreffenden katholischen Ostkirche als auch mit den Diözesen und den Bischofskonferenzen vor Ort einen solchen Akt sorgsam vorbereitet, Für und Wider abwägt und Details aushandelt.
Oft gehören dazu auch ganz praktische Fragen, denken wir in Deutschland nur daran, dass theoretisch ja auch staatskirchenrechtliche Angelegenheiten wie die Frage nach der Erhebung von Kirchensteuern u. ä. zu klären sind. Letzteres ist allerdings eine so komplexe Materie, dass ich persönlich erwarte, dass die bisherigen Finanzierungsmodelle fortgeführt werden. Die Dikasterien und die einzelnen Beteiligten stehen bei solchen Prozessen auch mit dem Papst in einem persönlichen Austausch, der am Ende dann das entsprechende Dekret unterzeichnen muss, damit der Antrag wirksam werden kann.
DOMRADIO.DE: Gibt es eigentlich auch andere bistumsähnliche Strukturen unierter Ostkirchen in Deutschland bzw. Europa?
Kremer: Diese Frage ist sehr berechtigt. Wo es keine eigene Hierarchie gibt, sind die Angehörigen katholischer Ostkirchen automatisch der Jurisdiktion der römisch-katholischen Bischöfe ihres Wohnortes unterstellt. In äußerst seltenen Ausnahmefällen gilt das auch umgekehrt, dass römisch-katholische Gläubige einer katholischen Ostkirche unterstellt sein können, was mir aber nur für Äthiopien, Eritrea und einzelne, sehr kleine Gemeindegebiete in Süditalien bekannt ist.
Alternativ zur Gründung eigener Exarchate und Eparchien gibt es bspw. in Frankreich, Österreich und Spanien Ordinariate für die Angehörigen katholischer Ostkirchen, die keine eigene Hierarchie vor Ort besitzen. Das kann eine sehr sinnvolle Option sein, um kleinere Gruppen von Gläubigen aus ganz verschiedenen katholischen Ostkirchen, für die man (noch) keine eigenen Bistümer gründen möchte, gemeinsam auf dem Gebiet des jeweiligen Staates zu betreuen.
Das Ordinariat bündelt gleichsam die speziellen Kompetenzen, die nötig sind; es sucht nach gemeinsamen Lösungen für aufkommende Fragen und Probleme, bietet Fortbildungen und Exerzitien an und schafft auch eine Community unter Priestern und Angehörigen katholischer Ostkirchen in der Diaspora. In Deutschland gibt es diese Einrichtung nicht, deshalb hat jedes römisch-katholische Bistum eine Person intern damit beauftragt, sich einzuarbeiten und als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.
DOMRADIO.DE: Wie bewerten Sie diesen Schritt? Für wie wahrscheinlich halten Sie die Gründung einer Eparchie in Deutschland?
Kremer: Mir persönlich sind zahlreiche Gemeinden der UGKK in Deutschland persönlich gut bekannt, und mich fasziniert das äußerst vitale kirchliche Leben, das ich dort erfahren darf. Viele Priester bemühen sich mit ihrem Bischof in bester Weise und sind dabei professionell organisiert. Ich sehe in diesen Gemeinden eine große Bereicherung unseres kirchlichen Lebens.
Zwar fehlen der UGKK in Deutschland die Mittel für überdimensionierte Ordinariate – auch wenn der Exarch in seinem feinsinnigen Humor an diesem Sonntag die Hoffnung aussprach, es mögen einmal Tage kommen, an denen er am Ende einer Festmesse nicht mehr alle seine Mitarbeiter persönlich mit Namen nennen kann. Aber das Exarchat hat alles, was Kirche vor Ort im Vollsinn ausmacht.
Bischof Bohdan Dsjurach tritt als Exarch engagiert für eine gegenseitige Wertschätzung und Bereicherung durch die verschiedenen Traditionen ein und dafür, als Angehörige einer großen katholischen Gemeinschaft Kooperation und Miteinander auf allen Ebenen als das Normale zu betrachten.
Ich halte eine Erhebung zur Eparchie für sachlich angemessen und unterstütze auch die zu erwartende Signalwirkung. 65 Jahre intensiver pastoraler Bemühungen haben reiche Frucht getragen, und seit Beginn des Ukraine-Krieges erweisen sich die Gemeinden der UGKK zudem als lebendige Zufluchtsstätten so vieler Ukrainer unter uns und leisten damit Großes für die katholische Kirche in Deutschland.
Die Zeit ist reif, den nächsten Schritt zu gehen. Wie schnell sich dies vollziehen wird, hängt davon ab, wie viele Bedenkenträger sich einbringen werden. Das Dikasterium für die Orientalischen Kirchen sieht seine Aufgabe vor allem darin, Einvernehmen herzustellen, bevor Dekrete den Vatikan verlassen.
Die Fragen stellte Renardo Schlegelmilch.