DOMRADIO.DE: Eine knappe Woche Kongo und Südsudan, zwei sehr katholische Länder in Afrika. Die Gottesdienste, die der Papst im Kongo und dem Südsudan gefeiert hat, waren für ihn in gewissem Sinne ein Heimspiel. Würden Sie das unterschreiben?
Jürgen Erbacher (ZDF-Journalist, hat Papst Franziskus begleitet): Ja. In beiden Ländern stellt die katholische Kirche doch eine beachtliche Zahl der Katholikinnen und Katholiken. In der Demokratischen Republik Kongo ist es fast die Hälfte. Im Südsudan ist es noch ein bisschen mehr. Von daher war es natürlich etwas anderes bei dieser Reise als bei den letzten beiden, als der Papst nach Bahrain und Kasachstan fuhr.
Das konnte man auch sehen. Wenn wir durch die Straßen gefahren sind, standen im Kongo Hunderttausende, im Südsudan ein bisschen weniger. Aber die Strecke war auch nicht so lang, die der Papst dort zurückgelegt hat. Aber für die Menschen war das eine riesige Freude.
Ihm ging es darum, die Menschen zu einen, ihnen Hoffnung zu machen, gerade im Südsudan. Über Jahrzehnte gab es dort Krieg und große Armut. Er wollte Mut machen, auf der anderen Seite aber auch motivieren. Nehmt euer Schicksal selbst in die Hand. Auch am Sonntag bei der Predigt zum Abschluss war ganz beeindruckend: Das Evangelium gab das Bild vom Salz der Erde her. Eine kleine Prise Salz macht schon viel aus. Das sollte als Ermutigung dienen zu sagen, auch wenn ihr wenige seid, wenn es im Kleinen anfängt, das kann ganz schön viel bewirken.
DOMRADIO.DE: In seinem Selbstverständnis als Friedensstifter hat sich der Papst an den südsudanesischen Präsidenten und seinen rivalisierenden Stellvertreter zur Brust genommen und ihnen sinngemäß gesagt: Je nachdem, was ihr jetzt tut, werden die künftigen Generationen die Erinnerung an eure Namen ehren oder auslöschen. Hat das eine Wirkung gezeigt?
Erbacher: Es ist ja gerade schon angeklungen, welche Bedeutung die Kirche für die Menschen im Südsudan hat. Ich kann ja nur mit Expertinnen, Experten, mit den Leuten vor Ort sprechen. Die sagten: Auch die Führer, die politischen Führer legen großen Wert darauf, auf das, was die Kirche sagt. Sie seien sehr fromm. Und wenn dann der oberste Katholik kommt, auch noch zusammen. Es war ja eine ökumenische Pilgerreise. Es war ja auch der Erzbischof von Canterbury, also das Ehrenoberhaupt der Anglikaner dabei, Justin Welby und auch der Moderator der Generalversammlung der schottischen Kirche.
Wenn dann drei so prominente Kirchenvertreter da sind und sagen: Leute, ihr müsst hier was für euer Land tun. Das war schon stark zu sagen: Wenn ihr jetzt nichts zum Guten hin tut, dann wird die Geschichte über euch hinweggehen. Man wird sich am Ende nicht an euch erinnern. Das war schon eine starke Passage.
Der Präsident hat angekündigt, dass die Friedensgespräche wieder aufgenommen werden. Es ist so, dass es einige Rebellengruppen gibt, die das Friedensabkommen von 2018 nicht akzeptieren. Da gab es seit 2019 auch Gespräche. Die wurden vor einigen Monaten vom Präsidenten ausgesetzt. Jetzt hat er gesagt, er möchte die Gespräche wieder aufnehmen mit diesen Gruppen, die bisher noch nicht dabei sind. Das ist ein erstes Erfolgszeichen. Am Freitagabend wurden dann auch noch mal etwas über 70 Häftlinge begnadigt, darunter 36, die zum Tode verurteilt waren. Das sind so kleine Erfolge.
Auch bei den Gesprächen muss man jetzt schauen, ob die wirklich funktionieren. Da ist die Gemeinschaft Sant'Egidio als Moderator aktiv. Und da sagten Vertreter jetzt in Juba am Samstag: Wir hoffen, dass vielleicht schon im März solche Gespräche wieder stattfinden können, spätestens aber dann im April oder Mai. Da muss man jetzt sehen, was passiert.
DOMRADIO.DE: Verglichen mit anderen Reisen seines Pontifikats also ein wichtiger Besuch des Kongos und des Südsudans?
Erbacher: Ja, auf jeden Fall. Zum einen ging es darum, den Blick der Weltöffentlichkeit auch auf diese Länder zu lenken, wo Konflikte toben, die teilweise wirklich seit Jahrzehnten andauern und wo brutalste Verbrechen begangen wurden. Es war wirklich schwer, den Zeugnissen auch der Menschen zuzuhören, wenn sie berichtet haben, mit welcher Brutalität da vorgegangen wird, gerade auch gegen Frauen. Dass der Papst dahin kommt mit 70 Journalisten, der Weltpresse, BBC, CNN, aus Frankreich, aus Italien, macht schon viel aus. Ich glaube auch für die Menschen dort war das eine große Ermutigung.
Jetzt muss man sehen. Das ist immer schwierig, den Erfolg einer Papstreise zu bemessen. Da muss man schauen, was jetzt in Zukunft kommt. Ich kann mir schon vorstellen, gerade in der Demokratischen Republik Kongo, bei einem Treffen mit der Jugend hat man das erlebt, dass er auch noch einmal einen Push gegeben hat. Als er in seiner Rede dann plötzlich sagte: "Keine Korruption, wiederholt das bitte, keine Korruption!" Dann haben Sprechchöre das ein paar Mal wiederholt. Da wurde das ein bisschen brenzlig, dann haben die Sprechchöre der Jugendlichen gesagt: Es gibt Korruption, und haben dann den Spitznamen des Präsidenten genannt. Im Herbst sind Wahlen. Sie haben gesagt: "Deine Amtszeit ist abgelaufen". Also die Kirche kann vielleicht schon auch mobilisieren. Und das war ein bisschen ein kritischer Moment. Es war schwierig für den Papst, das wieder einzufangen. Also da kann schon was entstehen aus so einer Reise.
DOMRADIO.DE: Am Sonntag sind sie gemeinsam in der Luft gewesen, auf dem Weg nach Hause. Papst Franziskus hat den Tod seines Vorgängers Benedikt XVI. thematisiert und spricht davon, dass er instrumentalisiert wurde.
Erbacher: Die Frage aus der deutschsprachigen Journalistengruppe war, wie er das denn sieht. Es sind ja einige Bücher jetzt erschienen rund um den Tod von Benedikt XVI., ob er den Eindruck hat, dass gerade die konservativen Kreise nach vorne drängen. Da hat er sich sehr kritisch zu geäußert und gesagt, er habe schon den Eindruck, dass der Tod instrumentalisiert wurde, dass es den Menschen darum ging, Wasser auf ihre Mühlen zu bringen, um ihre Interessen zu bekunden.
Er hat gesagt, die Menschen, die das machen, seien "Partei-Menschen", seien keine Menschen der Kirche, er hat das als unethisch bezeichnet. Das waren schon noch mal starke Worte. Umgekehrt hat er noch einmal betont, dass aus seiner Sicht Benedikt nicht verbittert gewesen sei über das, was er als sein Nachfolger tue. Sie hätten einen engen Kontakt gehabt. Er hat ihn auch immer wieder mal gefragt bei Entscheidungen. Er wollte da ein Bild zeichnen, wo er sagt: Also zwischen uns beiden hat alles gestimmt.
DOMRADIO.DE: Die Gesundheit des Papstes hat in diesem Zusammenhang immer wieder eine Rolle gespielt. Aufgrund seiner Knieprobleme hat er diese Reise vom vergangenen Sommer jetzt auf den Winter verschoben. Wie schätzen Sie das ein? Wie ging es ihm jetzt? Und was hat sich der Papst für die Zukunft noch vorgenommen?
Erbacher: Man kann am Programm insgesamt erkennen, dass das kräftig ausgedünnt ist gegenüber Papstreisen zu Beginn seines Pontifikats. Es sind wenige Termine im Laufe eines Tages, aber die hat er meines Erachtens jetzt in diesen Tagen wirklich gut gemeistert. Auch gestern bei der Pressekonferenz war er gut gelaunt. Die ging am Ende eine Dreiviertelstunde, wenn nicht sogar ein bisschen länger. Da konnte man jetzt nicht so anmerken, dass es für ihn große Strapazen waren.
Und er hat dann auch gleich gesagt, 2024 will ich nach Indien fahren. Im September plant er in die Mongolei zu fahren. Da war bisher noch nie ein Papst. Da will er, glaube ich, so ein bisschen an die Türen Chinas klopfen. Das ist ja auch ein großes Ziel von ihm, als erster Papst dorthin zu fahren. Und im August steht der Weltjugendtag an, da haben sich ja auch schon, glaube ich, fast eine halbe Million Jugendliche angemeldet. Das wird er sich auch nicht nehmen lassen, da hinzufahren. Also er hat noch viel vor.
Das Interview führte Katharina Geiger.