DOMRADIO.DE: Bei der Konferenz "Die KI – Deus Ex Machina?" geht es darum, wie Künstliche Intelligenz, also KI, die Kirche verändern wird. Tatsächlich haben gerade in der Kirche viele Angst, dass mit der neuen Technologie ein Kontrollverlust einhergeht. Was sagen Sie zu solchen Befürchtungen?
Stefan Lesting (katholischer Medienexperte, Vorsitzender des Katholischen Hub für Innovation und Medien e.V.): Das hängt immer noch damit zusammen, wie man als Mensch damit umgeht. Die Technik ist nicht aufzuhalten. Sie ist sehr weit und wird jeden Tag besser.
Auf der anderen Seite muss man natürlich darüber diskutieren, wie weit wir eigentlich gehen. In meinem Team, in dem auch Softwareentwickler KI einsetzen, müssen auch sie Grenzen ziehen.
"Bis dahin gehen wir" oder "Da möchten wir lieber eine Schleife mehr drehen", heißt es dann. Da ist das Mittelmaß gefragt. Grundsätzlich aufzuhalten ist die Künstliche Intelligenz nicht und sie ist eine Bereicherung in vielen Bereichen.
DOMRADIO.DE: Wo kann man denn in der Kirche KI gut einsetzen?
Lesting: Zuerst bei der Vereinfachung von Sprache. Kirche ist sprachlich komplex und viele Menschen verstehen das nicht mehr.
Da könnte man zum Beispiel zu ChatGPT sagen: "Prüfe, ob man diese Formulierung einfacher sagen kann oder für mehr Menschen besser verständlich sagen kann." Da ist es jetzt schon super einsetzbar.
DOMRADIO.DE: Könnte ein konkretes Beispiel auch ein verwaistes Pfarrbüro sein, in dem man niemanden erreicht?
Lesting: Ja, und das sogar in zwei Bereichen. Zum einen digital als Chatbot, der Aufgaben als Assistent erledigen kann. Wenn ich etwa die Taufbescheinigung erbitte, um zu heiraten oder eine Taufanmeldung machen möchte, könnte die KI vielleicht im Dialog mit der Person sagen, welche Unterlagen man braucht.
Die zweite Sache funktioniert auch schon relativ gut. Man kann die KI nutzen, um Text in Sprache umzuformen. Denn wir haben eine KI, die Texte generieren und Anweisungen geben kann und wir haben eine KI, die Sprache synthetisch herstellen kann.
Das heißt, man könnte auch die Hotline ersetzen, die nicht nur die Chat-Eingabe übernimmt, sondern auch die Spracheingabe.
DOMRADIO.DE: Wo wären denn Grenzen für die Künstliche Intelligenz gesetzt?
Lesting: Das ist eine sehr persönliche Frage. Das können Ethiker besser beurteilen. Wenn Menschenleben in Gefahr ist oder durch KI in Gefahr gerät, wären das schon rote Linien.
Es wird aber immer jemanden geben, der das trotzdem machen wird. Es gibt neben Gutmenschen auch Menschen, die nichts Gutes im Sinn haben.
Da muss man sehen, wie man es austarieren kann, ob die UN oder eine andere Stelle das macht. Das wird eine sehr weite Debatte werden, denn KI kennt keine Grenzen.
DOMRADIO.DE: Und wo ist die KI im kirchlichen Alltag nicht zu gebrauchen?
Lesting: Ehrlich gesagt fällt mir kein Bereich ein, wo das nicht irgendwie gehen kann. Höchstens da, wo die Gottesbegegnung stattfindet oder wo Menschen mit Menschen in Kontakt sind. Sonst gibt es viele Einsatzmöglichkeiten, zum Beispiel eine KI-gesteuerte Figur, die als Engel fungiert, wo ich meine Bitten zu jeder Zeit vortragen kann.
Ich glaube, das ist denkbar. Da könnte die Antwort kommen: "Ja, ich habe dein Gebet erhört und gebe das zum Beispiel weiter an Ordensbrüder oder Ordensschwestern, die das dann wirklich beten". Da gibt es perspektivisch wenig Grenzen.
Da müsste man noch mal überlegen und diskutieren, wo der Mehrwert ist. Bei einer kirchlichen Hochzeit wollen Leute zusammenkommen und miteinander feiern. Das ist nicht zu ersetzen. Aber ob das Liederheft dafür durch die KI erstellt wird, ist zweitrangig. Viele Sachen werden Hand in Hand gehen müssen.
DOMRADIO.DE: Sie sind also überzeugt, dass die Kirche sich KI auf vielfältige Weise nutzbar machen kann. Wo sehen Sie denn eine mögliche Gefahr?
Lesting: Eine Gefahr von KI für Kirche ist, an diesem Thema nicht dranzubleiben und das nicht zu verstehen, keine Ansätze zu entwickeln, um KI sinnvoll einzusetzen. Es braucht Wissensaufbau, aber es braucht auch praktische Erfahrung.
Das heißt, ChatGPT muss jeder mal probiert haben, gerade um zu verstehen, ob einem das hilft und zu schauen, wo die eigenen Grenzen sind. Das muss man in zwei, drei Monaten wieder machen, weil die Entwicklung so rasant ist.
Die Gefahr ist eigentlich der Stillstand und die Unreflektiertheit.
Das Interview führte Tim Helssen.