Wie Kolping International für soziale Gerechtigkeit einsteht

"Keine politische Phrase"

Der Welttag für soziale Gerechtigkeit an diesem Dienstag ist bitter notwendig, denn eine gerechte Welt scheint in weiter Ferne zu liegen. Markus Demele von Kolping International erklärt, wie Hilfswerke für mehr Gerechtigkeit kämpfen.

Welttag der sozialen Gerechtigkeit / © Wolfgang Radtke (KNA)
Welttag der sozialen Gerechtigkeit / © Wolfgang Radtke ( KNA )

DOMRADIO.DE: Am Welttag der sozialen Gerechtigkeit muss mal gefragt werden: Was ist denn überhaupt "soziale Gerechtigkeit"? 

Markus Demele / © DR (DR)
Markus Demele / © DR ( DR )

Markus Demele (Generalsekretär und stellv. Vorsitzender des Sozialverbandes Kolping International): Das ist eine gute Frage, denn es ist kein bestimmter Begriff, der auch ein bisschen umstritten ist. Das merkt man auch daran, dass er im politischen Diskurs überall auf der Welt, aber auch in Deutschland, anders verstanden und interpretiert wird. 

Es ist aber ganz toll, dass wir als Christinnen und Christen mit Blick auf unsere katholische Tradition, den Begriff der "sozialen Gerechtigkeit" für uns reklamieren können. Wir haben uns schon sehr früh mit diesem Wort auseinandergesetzt und die "Sozialgerechtigkeit" ist tatsächlich sehr früh in der katholischen Soziallehre vorgekommen. 

All diese Vorstellungen, dass menschliches Miteinander gerechte Strukturen braucht, wurden von Christen in den politischen Diskurs mit eingebracht. Interessanterweise wird in erster Linie meistens an Ungleichheit gedacht. 

Soziale Gerechtigkeit hat darum auch etwas mit Ungleichheit zu tun, nicht nur national, sondern auch international. Da wird auf die Ungleichheit von Einkommen geschaut, die extrem groß ist, von Vermögen, wo die Ungleichheit noch viel größer ist. 

DOMRADIO.DE: Darum ist es nicht ungewöhnlich, dass unter anderem Kolping International mit dabei ist bei einem neuen Vorstoß der internationalen Arbeitsorganisation "ILO". Die plant nämlich die Gründung einer "Global Coalition for Social Justice", also eine globale Koalition für soziale Gerechtigkeit. Was das Ziel dieser Initiative? 

Markus Demele

"Den Blick neu justieren."

Demele: Die Nachhaltigkeitsentwicklungsziele der Vereinten Nationen, die sogenannten "SDG" (Sustainable Development Goals) haben jetzt Halbzeit. Bis 2030 sollen diese eigentlich erreicht sein und Armut ausrotten. Die "SDGs" sollen dafür sorgen, dass wir in einer intakten Umwelt leben und wir wollen allen Menschen Chancen geben. 

Die ILO hat jetzt zur Halbzeit jedoch gemerkt, dass es für die Erreichung viele dieser Ziele leider nicht so gut aussieht. Aber der Fokus auf soziale Gerechtigkeit für die verbleibende Zeit bis 2030, soll gewissermaßen den Blick noch mal neu justieren. Ganz stark steht das Nachhaltigkeitsziel Nummer acht im Zentrum. Darin befindet sich das Thema "menschenwürdige Arbeit" mit den Forderungen für Bildungschancen. Wir brauchen mutige Maßnahmen, um Armut nachhaltig zu bekämpfen. All das steckt in dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit mit drin. 

DOMRADIO.DE: Wie wichtig und sinnvoll erscheint Ihnen dieses Vorhaben? 

Demele: Hätten Sie mich das vor zehn Jahren gefragt, hätte ich gesagt: "Das ist jetzt wieder so ein schönes Logo, das entworfen wird und was wirklich dabei rauskommt, weiß man nicht." In der Beobachtung, wie Politik funktioniert und wie auch internationale politische Prozesse funktionieren, würde ich jetzt sagen: "Doch, das ist eine tolle Chance."

Das haben wir auch beim Einsatz für das Lieferkettengesetz gesehen und zwar in Deutschland und auf internationaler Ebene. Wenn verschiedene Akteure wie zivilgesellschaftliche Organisationen, Gewerkschaften und kirchliche Verbände wie Kolping, mit ihrer Tradition, ihren Werten und ihrer eigenen Herangehensweise vorgehen für das selbe Ziel, kann wirklich etwas erreicht werden. Der "Wumms" in der politischen Öffentlichkeit wird viel größer, als wenn jeder für sich kämpft. 

Das heißt, das gemeinsame Gehen und sich auf gemeinsame Ziele zu verständigen, kann politisch sehr hilfreich sein. Es kann auch helfen, dass bestimmte Themen wie die soziale Gerechtigkeit in dieser schwierigen Gemengelage mit Krieg, Konflikt und Friedenssicherung, nicht komplett untergeht. 

DOMRADIO.DE: Wie sind Sie von Kolping International an dieser neuen Koalition der "ILO" beteiligt? 

Markus Demele

"Gemeinsam versuchen wir den Menschen eine Stimme zu geben."

Demele: Auf zweierlei Maße, zum einen feiert Kolping in diesem Jahr 30 Jahre Engagement bei der "ILO". Die "ILO" lädt auch zivilgesellschaftliche Organisationen ein, sich an den Beratungen der Internationalen Arbeitskonferenz zu beteiligen. Diese ist relativ unbekannt, aber das ist der Ort, wo die international gültigen Arbeitsnormen verhandelt werden.

Das, was wir heute als "ausbeuterische Kinderarbeit" bezeichnen, als "Sklavenarbeit", das wird dort definiert und verurteilt, das darf es nicht mehr geben. Daran arbeiten wir mit und das werden wir weiter tun. 

Andererseits werden wir uns auch mit anderen sogenannten "katholisch inspirierten Organisationen" vernetzen. Gemeinsam versuchen wir den Menschen eine Stimme zu geben, die im informellen Bereich arbeiten, ohne festen Arbeitsvertrag und überwiegend im globalen Süden leben. Denen wollen wir ein Gesicht zu geben. 

Dort ist die Not in der Regel am größten, wo es keine Absicherungen gibt für das Alter, bei Krankheiten, wo soziale Grundsicherung vollkommen fehlt. Da wollen wir verschiedene Möglichkeiten aufzeigen, was man machen kann, damit soziale Gerechtigkeit eben keine politische Phrase bleibt, sondern wirklich mit Leben gefüllt wird. 

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Quelle:
DR