Wie Menschen ihre Missbrauchserfahrungen in Kunst umsetzen

Ausstellung im Bamberger Bistumshaus zeigt Verstörendes

Im Bamberger Bistumshaus Sankt Otto gibt es demnächst eine ungewöhnliche Werkschau zu sehen. Die ausgestellten Arbeiten haben Betroffene von sexuellem und spirituellem Missbrauch geschaffen. Sie zeigen die verstörenden Geschichten.

Autor/in:
Marion Krüger-Hundrup
Schild zum Ausgang im Bamberger Dom / © Katharina Gebauer (KNA)
Schild zum Ausgang im Bamberger Dom / © Katharina Gebauer ( KNA )

Diese Bilder entsprechen nicht den gewohnten ästhetischen Kategorien. Vor einem zu schnellen Urteil ist aber Vorsicht geboten. Nicht die dargebotene Kunst sollte als hässlich, schrecklich, grauenvoll, unerträglich wahrgenommen werden. Es sind die verstörenden Geschichten dahinter. Geschaffen wurden die Werke von Menschen, die ein gemeinsames Schicksal verbindet: Alle wurden sie gewaltsam durch Priester aus ihrer Lebensbahn geworfen, durch sexuellen oder spirituellen Missbrauch.

Unter dem Titel "Beschädigt" sind diese Bilder vom 15. Februar bis 15. April im Bamberger Bistumshaus Sankt Otto zu sehen, dort, wo auch das Priesterseminar untergebracht ist. Die Initiative ging von den Betroffenen selber aus. Mit der Katholischen Erwachsenenbildung in der Stadt Bamberg und in Rücksprache mit dem Hausherrn, Regens Ewald Sauer, sowie der Bistumsleitung wurde das Projekt realisiert. Eine Fachgruppe, bestehend aus der Präventionsstelle des Erzbistums Bamberg, Kunsthistorikern, Theologen und anderen, half bei der Planung.

Einem Priester dienen 

Einer der Künstler ist Josef B. Das Pseudonym hat er sich selbst gegeben. Wie ein Außenstehender, ja Fremder spricht der Mann über das Erlebte: "... als zehnjähriger Bub bekam er eines Tages von Nonnen das Messdienergewand angezogen, um einem Priester zu dienen. In der Sakristei wurde er von dem 'heiligen' Mann geliebt, wodurch auch er heilig wurde: er wurde zum Engel ... er war auserwählt, war nicht mehr von dieser Welt."

Und weiter: "Er verlor seinen Körper und seine Seele ... der 'geistliche Mann' trat in sein Leben als Seelsorger, Seelenführer, Sprachlehrer, Vater, Großvater, 'Sexualaufklärer' und 'Liebhaber' ... die ekelhaften und schmierigen Küsse auf den Mund, der dadurch 'geheiligt' war ... die grauenvollen Bilder im Kopf, die ihn bis heute verfolgen ..."

"Selbstzerhackung"

Josef B. hat seinen Werken den Titel "Selbstzerhackung" gegeben. Diese sprechen nach seinen Worten von Priestern und Müttern, die Kinder fressen, von einer vergifteten Religion, ihren sadomasochistischen Bildern und ihren zweideutigen Ritualen, von Kommunion und Beichte, Kannibalismus, Folter und Körperzerstörung, von Zerspaltung der Seele und Entfremdung vom Leib. Aber auch die Sehnsucht nach Heilung, die Liebe zu einem gesunden Leben und die Hoffnung auf eine neue Geburt sollen zum Ausdruck kommen.

Leibfeindlich und katholisch sei er aufgewachsen, hebt ein anderer Künstler mit dem Pseudonym Hans G. an zu erzählen. Über das Ministrieren habe er Kontakt zu einem katholischen Geistlichen bekommen. "Nachhilfe" habe dieser ihm gegeben und sich dabei über einen längeren Zeitraum übergriffig verhalten. "Aus dem Sumpf von Schweigen, Schamgefühl und schlechtem Gewissen fand ich keinen Ausweg. Ich war nicht in der Lage, eine meiner Begabung angemessene Berufswahl zu treffen, entwickelte kaum Selbstvertrauen und durchlebte düstere Jahre", blickt Hans G. zurück.

Tiefe Verletzungen

Erst gut 30 Jahre später sei er in der Lage gewesen, über seine Erlebnisse und Empfindungen zu sprechen. Mit seinen Bildern in Rot und Braunschwarz, die an Spannung, Gewalt, Friedhof, Inferno gemahnen, ist der erwachsene Mann in eine Zeit zurückgekehrt, in derer tiefe Verletzungen erlitt. In einem therapeutischen Prozess hat er sie mit künstlerischen Mitteln bearbeitet, so dass die entstandenen Werke nun ausgestellt werden können.

Begleitend zur Schau sollen für interessierte Besucherinnen und Besucher auch Führungen angeboten werden: mit dem Kunsthistoriker, Theologen und Philosophen Matthias Scherbaum sowie mit dem Theologen Georg Beirer, der auch als Therapeut tätig ist.

Bisher drei Bischofsrücktritte wegen Umgang mit Missbrauch

In Deutschland sind bisher drei amtierende Bischöfe oder kirchenleitende Personen wegen Fehlern im Umgang mit dem Missbrauchsskandal zurückgetreten.

Im Juli 2010 trat die Hamburger evangelische Bischöfin Maria Jepsen in Zusammenhang mit einem Missbrauchsskandal zurück. Der damals 65-Jährigen war vorgeworfen worden, 1999 über Fälle sexualisierter Gewalt in einer Kirchengemeinde in Ahrensburg informiert worden zu sein, ohne ausreichende Konsequenzen gezogen zu haben. Ein Ermittlungsverfahren wurde jedoch bald eingestellt, da laut Staatsanwaltschaft kein Gesetzesverstoß vorlag.

Ein Betroffener von sexuellem Missbrauch durch einen katholischen Priester steht in der Kirche, in der das Verbrechen stattgefunden hat. / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Betroffener von sexuellem Missbrauch durch einen katholischen Priester steht in der Kirche, in der das Verbrechen stattgefunden hat. / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA