DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn mit Ökologie und Umweltschutz bei der aktuellen Fußball-Eruopameisterschaft aus? Was wird denn alles umweltschonender gemacht als bei früheren Turnieren?
Sebastian Knapp (Theologe und Dozent am Institut für Theologische Zoologie, Münster): Der Anspruch, den man an sich selbst als UEFA und als DFB setzt, ist natürlich sehr, sehr hoch. Das Ziel ist es, die jemals nachhaltigste EM auszurichten. Zum Beispiel wird darauf geachtet, dass bei den Stadien vermehrt auf erneuerbare Energien gesetzt wird, gerade auch mit Solarenergie.
Aber auch das Abfallmanagement spielt eine Rolle, dass man darauf achtet, dass es keinen Einwegmüll in den verschiedenen Standorten der EM geben soll, sondern dass darauf geachtet wird, dass dort mehr mit Pfandsystem gearbeitet wird.
Auch das Wassermanagement spielt dabei eine sehr große Rolle. Also, dass man zum Beispiel das Regenwasser sammelt und damit Wasser spart.
Der größte Punkt ist aber: Es gab im Vorlauf der EM eine Untersuchung des Freiburger Ökoinstituts. Die haben herausgestellt, dass 70 Prozent des CO2 Ausstoßes der Europameisterschaft auf den Transport zurückzuführen ist, also auf die Fans, die kommen, und auch auf den Transport der Mannschaften.
Das ist natürlich ein ganz großer Punkt. Da versucht die UEFA auch sehr viel mit der Deutschen Bahn zu kooperieren, indem es zum Beispiel spezielle Spieltagstickets gibt, die vergünstigt sind. Auch die Mannschaften haben da eine große moralische Verpflichtung als gutes Beispiel voranzugehen, was zum Beispiel die Anreise zu den Spielen angeht.
DOMRADIO.DE: Wer ist denn aktiv daran beteiligt, diese nachhaltigste Europameisterschaft aller Zeiten sein zu wollen?
Knapp: Daran beteiligt sind in erster Linie die UEFA und der DFB, aber auch das Umweltministerium in Deutschland. Auch die verschiedenen lokalen Organisationen sind wichtig. In jeder Gastgeberstadt gibt es ein eigenes Nachhaltigkeitsteam, das sich mit der Umsetzung der Maßnahmen beschäftigt.
Aber auch die Sponsoren und die Partner, die die EM unterstützen, sind angehalten, sich nachhaltiger aufzustellen. Sehr wichtig sind aber auch die NGOs. Also zum Beispiel die Deutsche Umwelthilfe, die immer wieder kritisch das Ganze begleitet, weil die zum Beispiel auch untersucht hat, wie denn die Anreise in der Gruppenphase zu den Spielen war. Da wurden immer noch 25 Prozent der Reisen mit dem Flugzeug gemacht. Die Bahn hat immer noch den kleinsten Anteil bei den Teams ausgemacht.
Zum Beispiel ist die türkische Nationalmannschaft von Hannover nach Hamburg mit nur 35 Minuten Flugzeit geflogen. Das ist überhaupt nicht nachhaltig.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn auch ein Umwelthighlight bei der EM?
Knapp: Das absolute Umwelthighlight meiner Meinung nach ist der 100-Maßnahmen-Katalog, den das Bundesumweltministerium zusammen mit dem DFB und der UEFA ausgearbeitet hat. Da stehen ganz konkrete 100 Maßnahmen drin, die auch soziale Projekte abdecken.
Es geht auch um soziale Nachhaltigkeit, wie um die Sichtbarkeit von Vielfalt und auch ganz konkrete Dinge, wie zum Beispiel, das pflanzen von 2024 Bäumen in Frankfurt. Dieser konkrete Katalog mit 100 Punkten ist schon beachtlich und auch sehr umfassend.
DOMRADIO.DE: Blicken wir kurz zurück: Die FIFA Weltmeisterschaft 2022 in Katar ist wegen ihrer Umweltbilanz und des hohen Ressourcenverbrauchs heftig kritisiert worden. Kann eine solche Veranstaltung überhaupt ressourcenschonend umgesetzt werden? Oder inwiefern müsste man einfach insgesamt noch stärker umdenken?
Knapp: Ressourcenschonend geht schon, aber ob es ressourcenneutral möglich ist, denke ich nicht. Das ist utopisch bei so einer Sache. Man hatte in Katar ja versprochen, dass die Weltmeisterschaft quasi klimaneutral wäre. Aber das Versprechen hat man eindeutig gebrochen.
Es gibt natürlich Faktoren, auf die man achten kann, dass es am Ende ressourcenschonender ist. Ein wichtiger Punkt ist, auf Standorte mit bestehender Infrastruktur zu setzen und damit Neubauten zu vermeiden. Das hat man in Katar gerade nicht gemacht. Da wurden die meisten Stadien neu gebaut.
Da hat Deutschland gewiss einen Vorteil als Fußballnation, da wir schon sehr viele Stadien haben, die in einem guten Zustand sind und es deswegen auch weniger Belastungen gibt. Das ist ein total wichtiger Punkt, aber auch, dass man auf Standorte setzt, die gut angebunden sind und wo die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln leicht fällt.
DOMRADIO.DE: Wo sehen Sie noch weiteres Verbesserungspotenzial in Sachen Nachhaltigkeit im Fußballsport?
Knapp: Luft nach oben ist auf jeden Fall noch. Gerade, dass es immer noch Stadionneubauten gibt und wie man mit denen umgeht, ist als Punkt zu nennen. Die Flächenversiegelung durch Stadionneubauten, wenn man sie auf die grüne Wiese stellt, ist natürlich ein großes Thema. Da müsste man auf jeden Fall mehr darauf achten.
Und auch das Müllmanagement kommt immer noch ein bisschen zu kurz. Generell hat der DFB schon gute Ansätze und gute Ideen in einzelnen Fällen, aber das sind immer Einzelinitiativen. Ich fände es zum Beispiel sehr wichtig, dass es flächendeckende Verpflichtungen für alle Vereine in Deutschland oder zumindest für die großen Vereine gibt.
DOMRADIO.DE: Es gibt aber schon gute Vorbilder. Welche?
Knapp: Innerhalb der Bundesliga gibt es schon gute Vorbilder. Da sind einige Vereine schon sehr weit. Zum Beispiel setzt die TSG Hoffenheim darauf, dass sie das Schnittgrün nutzt, um daraus Karten für Autogramme herzustellen. Es gibt schon einige Vereine, die da führend sind. Der VfL Wolfsburg ist auch schon sehr nachhaltig aufgestellt, nutzt Solarenergie und hat ein Recyclingprogrammen.
Wenn man weltweit schaut, da muss man dann natürlich ganz klar den grünsten Fußballverein der Welt nennen, die "Forest Green Rovers" aus England. Die sind allerdings jetzt abgestiegen und spielen nur in der fünften Liga. Aber es ist der erste klimaneutrale Fußballklub der Welt. Sie haben einen Investor, der durch Solarenergie und nachhaltige Energien zu einem Vermögen kam.
Der hat diesen Klub zum grünsten Fußballverein der Welt umgebaut. Er zeichnet sich durch viele Maßnahmen aus. Sie benutzen zum Beispiel keine Trikots aus Plastik, sondern aus Bambus, und auch die Schienbeinschoner sind aus Bambus. Es gibt nur veganes Essen im Stadion. Das wird komplett mit erneuerbaren Energien betrieben.
Der Rasen wird quasi mit den Hinterlassenschaften der Besucher aus der Toilette gedüngt. Also, da gibt es ein sehr umfassendes Nachhaltigkeitskonzept, und der Verein insgesamt kann durchaus als Vorbild dienen.
Das Interview führte Dagmar Peters.