Wenn der Ball im Spiel ist, bleibt kein Platz für Berührungsängste: Das ist nur einer von vielen Gründen, warum Bettina Berens Fußball liebt. Heute ist sie Ordensfrau, früher war sie Bundesliga-Fußballerin, ein einziges Mal sogar Nationalspielerin. Aber schon mit 28 Jahren musste sie in Folge einer Verletzung ihre vielversprechende Karriere an den Nagel hängen.
Ein harter Schlag war das damals, hatte sie doch bis dahin all ihre Leidenschaft dem Fußball gewidmet. Was blieb, war erst einmal eine große Leere. Bis sie Jahre später entdeckte, dass der Glaube an Gott eine ähnliche Begeisterung und Lebendigkeit in ihr zu wecken vermochte wie zuvor der Fußball; so wurde sie schließlich Ordensfrau.
Fußball und Seelsorge
"Zuerst habe ich damals gedacht, dass ich den Fußball abstreifen muss; dass Ordensleben und Fußball nicht zusammenpassen", erzählt Sr. Bettina. Längst spielt sie aber wieder regelmäßig – und zwar mit Kindern in der Jugendeinrichtung JUKOMM. Es ist ihre liebste von all den Aufgaben, die sie als Seelsorgerin der katholischen Sankt Vitus-Gemeinde Mönchengladbach innehat.
Und vielleicht ist Jamal Musiala ja auch deshalb ihr Lieblingsspieler in der deutschen Nationalelf, weil er einen so genannten Migrationshintergrund hat, wie fast alle Jungen und Mädchen im JUKOMM. "Sr. Bettina, komm, kick‘ mit uns", rufen die ihr oft zu. Und auch wenn sie sich mittlerweile eher in der Rolle der Schiedsrichterin sieht, springt sie immer wieder ein, stellt sich gern auch mal ins Tor. "Das hält mich jung im Kopf, auch wenn der Körper nicht mehr so mitspielt wie früher", so die Mit-Fünfzigerin.
Talentierte Mittelfeldspielerin
In ihren aktiven Zeiten war Bettina Berens eine talentierte Mittelfeldspielerin beim TuS Ahrbach. Sie spielte links außen und hatte einen Linksfuß, genau wie Karl-Heinz Rummenigge, das Idol ihrer Jugend. "In meinem Kinderzimmer war die eine Wand mit Pferde- und die andere mit Rummenigge-Postern tapeziert", erinnert sich Sr. Bettina.
Als begeisterter Rummenigge-Fan wurde sie schnell auch Bayern München-Fan und ist es bis heute geblieben. In dieser unbedingten Liebe zum als dem eigenen auserkorenen Verein sieht sie durchaus Parallelen zum Glauben. Während Menschen heute ständig Wohnorte, Jobs und selbst Partnerschaften wechselten, blieben sie doch meist ein Leben lang ihrem Fußballverein treu, meint die ehemalige Bundesliga-Spielerin, in guten wie in schlechten Zeiten eben.
Gemeinsamkeiten bei Fußball und Glauben
Überhaupt haben Fußball und Glauben in Sr. Bettinas Augen viel gemein. So erinnert sie etwa der Einzug der Nationalmannschaften bei internationalen Wettkämpfen unter Abspielen der jeweiligen Hymnen doch stark an den Einzug der Ministranten und Zelebranten beim katholischen Gottesdienst.
Oder sie denkt an den Kelch, den der Priester bei der Gabenbereitung hochhält – eine Geste, die der des Mannschaftskapitäns ähnelt, der den Pokal in die Luft reckt. Die wichtigsten Gemeinsamkeiten zwischen Glauben und Fußball liegen für die Ordensfrau aber in Gemeinschaftsgefühl und Begeisterungsfähigkeit; sie selbst kennt beides aus beiden Perspektiven.
Fußballbegeisterte und katholische Familie
Denn Bettina Berens stammt aus einer ebenso fußballbegeisterten wie katholischen Familie in der Eifel. "Ich bin in erster Linie durch den Fußball sozialisiert worden, aber eben doch auch katholisch", sagt sie. Wobei ihr Gottesbild stark von einem viel zu frühen Todesfall in der Familie geprägt wurde, denn als die Mutter mit ihr schwanger war, kam der Vater bei einem Unfall ums Leben: "Ich bin also damit aufgewachsen, einen liebevollen, gütigen Vater im Himmel zu haben. Und mein Vater war, nebenbei erwähnt, ein leidenschaftlicher Fußballspieler."
Ihr einziges Mal im Trikot der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft spielte sie 1992 ausgerechnet in Rom, ausgerechnet am Osterwochenende. Damals standen für die junge Frau die Aufregung und die sportliche Herausforderung im Mittelpunkt. Dass die Konstellation auch aus katholischer Sicht interessant war, ist ihr erst im Rückblick aufgefallen, als sie längst in den Orden eingetreten war.
Europameister-Titel wäre "Vollendung des Sommermärchens"
Kein Wunder also, dass Sr. Bettina auch jetzt regen Anteil an der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland nimmt. Ihr gefällt das bunte Fan-Treiben auf den Straßen, das Public Viewing, das öffentliche Fiebern um Siege und Niederlagen. Dass das Ganze bisweilen fast religiöse Blüten treibt, findet sie eher nicht problematisch. "Alles, was uns lebendig hält und miteinander verbindet ist doch göttlich", sagt sie. "Ich sehe es als gottgewollt, wenn wir den Fußball feiern und uns dabei in den Armen liegen!"
Dass die deutsche Elf unter Trainer Julian Nagelsmann bisher so gut aufgespielt und ihr persönlicher Favorit Musiala sich als so treffsicher erwiesen hat, freut die Fußball- und Kirchenfrau sehr. Sie traut der Nationalmannschaft den Titelgewinn im eigenen Land durchaus zu. "Bei der WM 2006 sind wir Dritter geworden; würden wir jetzt im Finale siegen, wäre das die Vollendung des Sommermärchens."